# taz.de -- Sportmanagement als Onlinespiel: Goldgrube „Fantasy Games“ | |
> Mit Managerspielen werden in den USA Millionen Dollar umgesetzt. Die | |
> Profi-Ligen profitieren davon, der Boom ist in Deutschland noch nicht | |
> angekommen. | |
Bild: In echt viel spannder, als Online-Spiel aber sehr lukrativ. | |
Es sollen 57 Millionen sein. 57 Millionen Menschen managen in den USA und | |
Kanada online ihre eigenen Football-, Baseball- oder Basketballteams. Sie | |
kaufen und verkaufen Spieler, stellen Mannschaften auf, kalkulieren | |
statistische Wahrscheinlichkeiten und studieren medizinische Bulletins. | |
Am Spieltag können sie dann in Echtzeit nachvollziehen, wie sich ihr | |
Quarterback oder ihr Pitcher schlägt. Ob dessen Mannschaft gewinnt, ist | |
dabei unerheblich. Hauptsache, die einzelnen Spieler bringen gute | |
statistische Werte ins eigene Fantasieteam ein. Das tritt dann in einer | |
Liga gegen ein Dutzend oder aber auch Abertausende andere | |
Fantasiemannschaften an, vielleicht auch im direkten Vergleich gegen | |
einzelne Konkurrenten. Man spielt über eine ganze Saison oder nur einen | |
einzelnen Spieltag. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. | |
Mit den sogenannten Fantasy Sports haben das Internet, der Sportfan und | |
seine in Nordamerika verbreitete Liebe zur Statistik ihre perfekte Symbiose | |
gefunden. Die Onlinemanagerspiele haben sich in nur wenigen Jahren von | |
einer Beschäftigung für Nerds zu einem Mainstream-Phänomen und vor allem zu | |
einem Riesengeschäft gemausert. Mehr als 200 Millionen Dollar geben die | |
beiden Branchenführer FanDuel und DraftKings in diesem Jahr allein für | |
TV-Werbung aus. Vor allem in den zahlreichen Pausen von Footballspielen der | |
NFL kann man aktuell den bunten Filmchen, in denen Millionen Dollar schwere | |
Schecks versprochen werden, nicht mehr entgehen. | |
Der Wert der beiden Firmen wird jeweils auf mindestens 1 Milliarde Dollar | |
geschätzt, der Umsatz soll monatlich 110 Millionen betragen. Die Branche | |
besitzt längst einen eigenen Lobbyverband. Die Fantasy Sports Trade | |
Association geht gern mit dem Durchschnittsalter seiner Kundschaft | |
hausieren, denn die ist mit 34 Jahren interessant für die Werbewirtschaft. | |
Die Entsprechungen hierzulande, Managerspiele genannt, nehmen sich da | |
ungleich bescheidener aus. Insgesamt ungefähr 500.000 Nutzer spielen mit | |
bei den verschiedenen Varianten des deutschen Marktführers, des | |
Bundesligamanagers auf der Onlineseite des Kicker, schätzt Tobias Zuber, | |
Community-Manager beim Nürnberger Olympia-Verlag, der das Fußballmagazin | |
herausbringt. Während FanDuel behauptet, jährlich mehr als 2 Milliarden | |
Dollar an Preisgeldern auszuschütten, kann sich der Tagessieger bei | |
kicker.de über einen Rasierapparat freuen. Auf den Gesamtsieger am | |
Saisonende wartet immerhin ein Ausflug zu einem Heimspiel des dann | |
hoffentlich noch erstklassigen Hamburger SV. | |
## Attraktivität für die Liga | |
Der Boom, der gerade in den USA zu beobachten ist, ist in Deutschland noch | |
nicht in Sicht. Eher im Gegenteil: „Wir verzeichnen seit drei, vier Jahren | |
keine großen Zuwächse mehr“, sagt Zuber und sieht auch am Horizont keine | |
Entwicklung wie in den USA. Zu einer ähnlichen Einschätzung scheint auch | |
der Alex-Springer-Verlag gekommen zu sein, der sich im Sommer vom | |
“Bild-Super-Manager“ verabschiedet hat. Man wolle andere „thematische | |
Schwerpunkte im Bild-Sportbereich zielgerichtet weiterentwickeln“, ließ die | |
Pressestelle auf Nachfrage verlauten, und dazu „nun die Kräfte unserer | |
Mannschaft bündeln“. Konkrete Auskünfte über die neue Strategie wollte sie | |
aber nicht geben. | |
In den USA dagegen bieten nicht nur der Sportsender ESPN, der TV-Konzern | |
CBS und andere große Medien solche Managerspiele auf ihren Webportalen an, | |
sondern auch die Onlineseiten der Profiligen wie NFL, MLB oder NBA selbst. | |
Und nicht nur das: Fantasy Sports dient nicht mehr nur der | |
Leser-Blatt-Bindung, sondern ist längst selbst Gegenstand der | |
Berichterstattung geworden. Es gibt verschiedene Magazine für Fantasy | |
Sports und eigene TV-Sendungen, Zeitungen wie die Washington Post berichten | |
über Fantasy Sports wie von der Börse. Selbst eine Art Zuliefererindustrie | |
gibt es: Websites wie draftsharks.com, die den Spielern Daten und Analysen | |
anbieten, finanzieren sich durch Abos. | |
In Talkshows allerdings wird auch bereits das offensichtlich erhebliche | |
Suchtpotenzial der immer beliebter werdenden Freizeitbeschäftigung | |
diskutiert, und Wirtschaftswissenschaftler schätzen, dass der US-Wirtschaft | |
jährlich 6 Milliarden Dollar Umsatz entgehen, weil Arbeitnehmer in ihrer | |
Arbeitszeit statt ihre Abteilung lieber ihr Fantasy-Baseballteam betreuen. | |
Die Anfänge der Fantasy-Sports-Ligen in den USA liegen Anfang der | |
Sechzigerjahre. Wirklich Fahrt nahm die Idee aber erst in den Neunzigern | |
auf, als der Personalcomputer zum für nahezu jeden Menschen verfügbaren | |
Alltagsgegenstand wurde. Die ersten Managerspiele in den USA waren | |
Werbegimmicks von Konzernen. Das erste erfolgreiche Spiel auf Grundlage der | |
Eishockeyliga NHL brachte die kanadische Brauerei Molson auf den Markt. | |
Mittlerweile, haben Werbefachleute errechnet, schalten DraftKing und | |
FanDuel mehr TV-Werbung in den USA als alle Bierbrauer zusammen. Der | |
aktuelle Hype hat vor allem einen Grund: FanDuel und DraftKings sind nahezu | |
konkurrenzlos, denn Sportwetten sind wie andere Glücksspiele in den USA | |
stark reglementiert und im Internet verboten. | |
## Alle wollen mitverdienen | |
Da wollen natürlich viele mitverdienen. Google und verschiedene Hedgefonds | |
haben ebenso Geld in DraftKing und FanDuel gesteckt wie der Profisport | |
selbst. Die MLB und die NBA investieren direkt die beiden wichtigsten | |
Fantasy-Sports-Sites. Auch Jerry Jones, Eigentümer der Dallas Cowboys, und | |
Robert Kraft, sein Kollege von den New England Patriots, zwei der | |
einflussreichsten Funktionäre der NFL, haben Beteiligungen erworben. 28 von | |
32 NFL-Teams lassen sich von Fantasy-Sports-Sites sponsern. | |
Diese Verflechtungen sind ökonomisch gesehen folgerichtig, denn die | |
Onlinespiele sind eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Fantasy | |
Sports und realer Profisport befruchten sich gegenseitig. Je populärer eine | |
Liga, desto mehr Teilnehmer finden auch die mit ihr verbundenen | |
Managerspiele. Jedes Managerspiel sorgt im Gegenzug dafür, dass die Nutzer | |
sich am Spieltag kaum eine Übertragung entgehen lassen, um zu sehen, wie | |
ihre virtuelles Team abgeschnitten hat. All das schafft nicht nur eine | |
denkbar intensive Bindung zwischen Produkt und Konsumenten, sondern | |
verbessert ganz nebenbei auch noch Zuschauerquoten, erhöht den Traffic auf | |
Websites und in der Folge auch die Werbeeinnahmen. | |
Nun aber droht Ungemach. Vergangene Woche wies der Generalstaatsanwalt des | |
Staats New York DraftKing und FanDuel an, keine Wetten von Spieler mit | |
Wohnsitz in seinem Zuständigkeitsbereich mehr anzunehmen. Die Begründung: | |
Glücksspiel sei auch in New York bekanntlich nicht erlaubt. Die beiden | |
Onlineanbieter protestierten prompt: Fantasy Sports sei mitnichten ein | |
Glücksspiel, sondern beruhe vornehmlich auf Wissen und Können. In Las | |
Vegas, wo sie sich auskennen mit Glücksspiel, sind sie anderer Meinung: | |
Mitte Oktober beschloss der Staat Nevada, Fantasy-Sports-Seiten, die | |
tägliche Gewinnmöglichkeiten offerieren, wie Glücksspielanbieter zu | |
behandeln, die eine entsprechende Lizenz benötigen. | |
Glücksspiel oder nicht? An dieser Frage hängt die Zukunft von Fantasy | |
Sports als großes Geschäft. Bis sie entschieden ist, bewegen sich FanDuel, | |
DraftKings und ihre Kunden in den USA in einer rechtlichen Grauzone. Und in | |
der blüht die Bigotterie: Der Profisport, der sonst gegen das Glücksspiel | |
wettert und von Buchmachern in seiner Integrität bedroht sieht, investiert | |
fröhlich in Fantasy Sports und wittert zusätzliche Umsätze. Und DraftKings | |
hat in Großbritannien längst eine Wettlizenz beantragt und erhalten. | |
22 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## TAGS | |
NBA | |
Onlinespiele | |
Schwerpunkt Artenschutz | |
NBA | |
Fußball | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Wir retten die Welt: Game Over | |
Im digitalen Spiel „Dumb Ways to Die“ amüsieren wir uns über tödiche | |
Dummheit. Schaue ich auf den Artenschutz, vergeht mir das Lachen. | |
Fehlende Jobs im Profisport: Ein Traum von einem Manager | |
Seit gut einem Jahr gibt es die Sports Business Academy. Der Berufseinstieg | |
für angehende Sportmanager ist allerdings hart. | |
NBA-Ikone kündigt Rücktritt an: „Es ist Zeit, Lebewohl zu sagen“ | |
Kobe Bryant hat der Schwerkraft immer wieder ein Schnippchen geschlagen. | |
Nach dieser NBA-Saison will er, 37-jährig, aufhören. | |
Fleisch gewordenes Managerspiel: Jede Woche 1.000 Trainer | |
Beim FC Inter Dragon im Kreis Schleswig-Flensburg bestimmen die | |
Internet-User über die Mannschaftsaufstellung. |