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# taz.de -- Mailand für Insider: Das Netzwerk der geheimen Köche
> Essen in privaten Wohnungen, sogenannte Supper Clubs, sind mindestens so
> trendig wie das vegane Schnitzel. Begegnungen inklusive.
Bild: Das große Fressen, La Grande Bouffe.
In den Metropolen geht der Trend zum Supper Club: Man trifft sich in
Privatwohnungen mit Unbekannten. Wenn man einen Tischplatz in so einem
geheimen Restaurant reserviert, stößt man – wie der Name schon sagt – auf
viel Geheimniskrämerei. Das ist in der Modestadt Mailand genauso wie in New
York, London und Berlin, wo das Essen mit Fremden trendy und social ist.
Deshalb hat mich eine Schweizer Kochzeitschrift auf das Thema angesetzt.
Ich reserviere auf der Website des Mailänder Ma’ Hidden Kitchen Supper Club
ein Abendessen für zwei und habe Glück. Der Fotograf und ich bekommen den
gewünschten Termin, obwohl bereits 2.000 geheime Esser auf der Warteliste
stehen.
Die Abende, die ordentliche Kost und neue, interessante Kontakte
versprechen, sind begehrt. Unsere Adresse im Szeneviertel Navigli kommt
wenige Tage vor dem Termin per Mail. Dann weiß man zwar wo, aber noch
nicht, mit wem man am Tisch sitzen wird. Hat man die knarrende Holzpforte
zum Hinterhof mit Hollywoodschaukel und Weinranken hinter sich geschlossen,
ist man in der versteckten Welt angekommen.
## Leckere Geheimnisse der Stadt
Unsere Gastleute sind ein sympathisches Globetrotterpärchen, so um die
Mitte dreißig. Melissa, die Köchin, arbeitet im wirklichen Leben in der
Modebranche. „Das Netzwerk der geheimen Köche haben wir vor acht Jahren in
den USA entdeckt“, erzählt Emanuele, der einkauft und den Tisch deckt,
hauptberuflich aber als freier Art Director für Werbeagenturen tätig ist.
Die beiden erklären uns, dass heute Abend ein prominenter Gast dabei sein
wird, über dessen Präsenz wir schweigen sollten. Wer das sei, würden wir
dann ja schon sehen, versprechen sie augenzwinkernd. Gegen acht Uhr trudeln
die anderen Gäste ein. Wir bekommen alle ein Glas Prosecco in die Hand und
dürfen uns an die Tafel setzen.
Ich schwitze, denn ich habe keine Ahnung, wer der prominente Gast ist, und
spüre, dass ich Gefahr laufe, in ein Fettnäpfchen zu treten.
Inzwischen hat die Vorstellungsrunde begonnen. Ich sitze dem einzigen
Pärchen, einem gesprächigen Apotheker und seiner blonden Frau, gegenüber.
Meine Tischnachbarn sind eine PR-Frau aus der Modebranche und ein bärtiger
Architekturstudent im Hipsterlook. Am Tischende thront ein sportlich
aussehender 50-Jähriger in Jeans und Seidenstrickpulli, der mit zwei
großen, eleganten Blondinen gekommen ist. Er stellt sich als Einziger nicht
vor, aber alle scheinen zu wissen, wer er ist. Ich beschließe, lieber zu
schweigen, als mich zu blamieren.
## Der unbekannte Popstar am Tisch
Dann rettet mich der Mut des englischen Fotografen. „Darf ich fragen, wer
sie sind“, fragt er höflich. Der Prominente gibt gönnerhaft seinen Namen
preis. Doch das macht die Sache nicht besser.
Später auf der Toilette verrät mir die PR-Frau, dass er italienischer
Popstar und guter Freund von Eros Ramazzotti ist. Aha. Am Ende, als alle
entspannt in der Vintage-Ledersitzecke abhängen, kommt doch noch eine
Konversation in Gang.
Der Popstar will mir und dem Fotografen ein Ticket für sein nächstes
Konzert schenken und fragt, was uns in Bella Italia, diesem wunderbaren
Land, am besten gefällt. Wir zieren uns und fangen an herumzunörgeln: an
der Mafia, den verschmutzten Küsten, der Korruption und den überhöhten
Preisen.
Das hätte nicht passieren sollen. Der Prominente ist verstimmt. Doch die
sympathischen Gastgeber wiegeln ab und erzählen, wo sie den Hasenbraten
gekauft haben. Die Stimmung steigt wieder. Zum Abschied bekommen wir noch
einen Mandarinenlikör spendiert und legen diskret unseren Beitrag zum Abend
in Scheinen in ein Blechkästchen.
Der Popstar schüttelt allen zum Abschied die Hand, auch uns. Aber die
Konzertkarte ist nie angekommen. Dafür haben wir hervorragend gegessen und
eines der Mailänder Geheimnisse entdeckt.
15 Nov 2015
## AUTOREN
Michaela Namuth
## TAGS
Mailand
Esskultur
Reiseland Italien
WHO
Essen
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