# taz.de -- Doping-Affäre in Russland: Die Suche nach den Sündenböcken | |
> Russlands Sportminister bezeichnet den Wada-Bericht als Blödsinn. Im | |
> russischen Leichtathletikverband vermutet man politische Motive. | |
Bild: Ein Leichtathlet wärmt sich in einem Stadion im russischen Stavropol auf. | |
MOSKAU taz | Auch Sportminister Witalij Mutko hatte diesen süßlich | |
säuselnden Unterton in der Stimme. Jene Tonlage, die russische Politiker | |
anschlagen, wenn sie sich ertappt fühlen, aber damit rechnen, dass sie die | |
Stimmungslage noch zu ihren Gunsten manipulieren können. Mutko bezeichnete | |
den Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada als „Blödsinn“. Die Wada | |
hatte Russland massive Verletzungen des Anti-Doping Reglements vorgeworfen | |
und angeregt, russische Leichtathleten von den Olympischen Spielen in Rio | |
de Janeiro auszuschließen. | |
Der Bericht nimmt den Sportminister persönlich in die Verantwortung: | |
Demnach hat Witalij Mutko „direkte Anweisungen zur Manipulation mit einigen | |
Beispielen“ gegeben. Dabei geht es auch um den Nachweis, dass in Russland | |
vorgenommene Dopingkontrollen vom zuständigen russischen Kontrolllabor | |
manipuliert wurden. Auch der Geheimdienst FSB soll an diesen Machenschaften | |
beteiligt gewesen sein. | |
Die Reaktion des Sportministeriums ist eindeutig. Es forderte die Wada auf, | |
sich bei den Untersuchungen „an reale Fakten und Beweise“ zu halten. In | |
Anspielung auf einen Bericht der ARD, in dem vor einem Jahr erstmals von | |
massivem Doping im russischen Kader die Rede war, verweist das Ministerium | |
darauf, Medienberichte nicht mit nachgewiesenen Tatsachen gleichzusetzen. | |
Gleichwohl sei man von den meisten Mängeln „nicht überrascht“ und werde | |
Maßnahmen ergreifen, um die „Situation in den Griff zu bekommen“, | |
verlautete aus dem Ministerium. Artem Pawez, Hausjurist des russischen | |
Leichtathletikverbandes, sieht denn auch politische Motive hinter dem | |
Dopingbericht: „Die ganze Sache riecht nach einem politischen Auftrag und | |
nach sonst nichts.“ | |
## Sport als hybride Kriegsführung | |
Wenn sich keine wirklichen Ansatzpunkte finden ließen, versuchten sie | |
moralischen Druck über verschiedene Komitees auszuüben. Mit dem | |
Personalpronomen „sie“ sind üblicherweise der Westen und die USA gemeint. | |
Im Vorfeld hatte Mutko bereits in die gleiche Kerbe geschlagen: „In der | |
großen Politik möchte niemand, dass der russische Sport wieder den Platz | |
der Sowjetunion einnimmt.“ | |
Leibesertüchtigung ist in Russland längst Teil einer hybriden Kriegsführung | |
geworden. Kein Wunder, dass sich der Kreml nicht zu den Vorwürfen äußern | |
wollte, wonach sich der FSB in die Manipulationen eingeschaltet haben soll. | |
„Die Frage steht nicht auf der Tagesordnung des Kreml“, meinte | |
Kreml-Sprecher Peskow kurz und bündig. Näheres wäre beim Sportministerium | |
zu erfragen. | |
Russland macht auf unschuldig. Dass der Ausschluss der russischen | |
Mannschaft von den Olympischen Spielen im November auf der Tagesordnung des | |
Leichtathletikweltverbandes stünde, sei Moskau nicht mitgeteilt worden. | |
Überdies sei nicht bewiesen, ob der gesamte Verband oder vielmehr nur | |
einzelne Sportler gegen das Reglement verstoßen hätten. Sündenböcke werden | |
gesucht. Das erinnert an die gefallenen Soldaten, die sich in der | |
Ostukraine angeblich im Urlaub befanden. | |
11 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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