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# taz.de -- Englands Elite: Politik ohne Oxford und Cambridge
> Der britische Schriftsteller Martin Amis kritisiert den neuen Labour-Chef
> Jeremy Corbyn hart. Die Elite sieht ihre Privilegien in Gefahr.
Bild: Jeremy Corbyn zu Besuch in einem Stahlwerk.
Als untergebildet, uninteressiert und humorlos verurteilte soeben der
Schriftsteller Martin Amis den neuen Labour-Chef Jeremy Corbyn im
britischen Blatt The Times. Mit seinem abgebrochenen Studium an einer
Fachhochschule sei der linke Oppositionschef ungeeignet, das Land zu
regieren, spottet Amis, der selbst sein Studium an der Oxford University
mit Auszeichnung abschloss.
Die Kritik von Amis an Corbyn ist symptomatisch für ein Land, das viel Wert
auf Tradition legt, aber zugleich den Zugang zu dieser Tradition
beschränkt. Es ist keine Überraschung, dass Amis nach Oxford durfte, denn
sein Vater, der berühmte Schriftsteller Kingsley Amis, studierte auch dort.
Corbyns Eltern hingegen waren Friedenskämpfer.
Amis kritisiert Corbyns Eignung, Chef der Labour Party zu sein, nun nicht
aufgrund seiner Intelligenz und Erfahrung, sondern seines akademischen
Lebenslaufs wegen. Wer an Oxbridge studierte, darf regieren. Neun der
letzten zehn Premierminister studierten in Oxford. Die Hälfte von David
Camerons aktuellem Kabinett studierte in Oxford oder Cambridge. Die Hälfte
besuchte zudem eine Privatschule. Demgegenüber stehen sieben Prozent der
Gesamtbevölkerung.
Das hat nichts mit Intelligenz und alles mit Privilegien zu tun: Die
gesellschaftliche Durchlässigkeit ist schlecht in Großbritannien, so
schlecht wie in kaum einem anderen OECD-Land.
Corbyn war in Gewerkschaften und Lokalpolitik aktiv, bevor er 1983
Abgeordneter wurde. „Straight talking, honest politics“, so lautet sein
Wahlslogan, geradliniges Reden, ehrliche Politik. Und das zog viele an.
Knapp 60 Prozent der Stimmen versicherten dem Linkenveteranen seinen Sieg
zur Parteispitze. Corbyn spricht Menschen an, die eine neue Politik wollen,
jenseits der Westminster-Burschenschaft. Corbyn hat eine Basisbewegung in
Gang gesetzt. Genau weil er dieser Clique nicht angehört.
Amis hat diese „Corbynmania“ nicht verstanden. Jeder Versuch des
Establishments, Corbyn zu diskreditieren, führte nur dazu, dass er noch
mehr Sympathie von großen Teilen der Gesellschaft gewinnen konnte. Weil
Menschen die Nase voll haben, herablassend von elitären Besserwissern
behandelt zu werden. Sie wollen einen Politiker ihresgleichen, nicht noch
einen Oxford-Snob.
1 Nov 2015
## AUTOREN
Nicholas Potter
## TAGS
Jeremy Corbyn
Elite-Universität
Privatschule
Roman
Labour Party
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