| # taz.de -- James Bond: Seine Welt ist nicht genug | |
| > Nächste Woche startet der neue Bond-Film in Deutschland – und wieder ist | |
| > Bond ein weißer Mann. Wäre es nicht Zeit für eine neue Figur? | |
| Bild: Früher liebte Bond die Frauen, heute sind sie ihm nur noch lästig. | |
| Es wird eng für James Bond, so eng wie noch nie. Nicht weil er in dem neuen | |
| Film „Spectre“ den Schurken Franz Oberhauser (Christoph Waltz) eliminieren | |
| muss. Das ist business as usual für 007. Sondern weil seine Person, weil | |
| die Essenz der Figur Bond immer mehr in die Ecke gedrängt wird. Nicht mit | |
| Waffengewalt, sondern einfach vom Lauf der Zeit. | |
| Am Montag hatte „Spectre“ Premiere, die Resonanz ist positiv, jedoch mit | |
| einem wiederkehrenden Kritikpunkt: Wieder habe es Bond nicht geschafft, | |
| seinen Chauvinismus zu überwinden. Catherine Bray vom US-Blatt Variety | |
| sprach von einer „wirklich kriminell verpassten Gelegenheit“. Vor dem | |
| offiziellen Filmstart am 5. November deshalb die Frage: Wo steht Bond | |
| derzeit und wie kam er da hin? Natürlich ohne zu viel zu verraten. | |
| Seit 1962 konnte Bond als Filmfigur ungehindert in seiner weißen, | |
| britischen Männlichkeit durch die Welt spazieren, als gehöre sie ihm. Denn | |
| sie gehörte ihm und seinesgleichen. Aber das ist vorbei. Inzwischen muss | |
| Bond sich unangenehme Fragen gefallen lassen: Ob er unbedingt weiß sein | |
| müsse zum Beispiel oder überhaupt ein Mann. Vor allem aber danach, wie er, | |
| bitte schön, mit den Frauen umgeht, der alte Sexist. | |
| Und die Einschläge kommen näher. Kurze Zusammenfassung: Vor ein paar Jahren | |
| erzählte Angelina Jolie, sie habe eine Rolle als Bond Girl in „Casino | |
| Royale“ (2006) abgelehnt. Wenn überhaupt, interessiere sie die Rolle von | |
| Bond. | |
| Bond-Girl wurde dann Eva Green, die in einem Schlagabtausch als Vesper Lynd | |
| zu Bond sagt: „Frauen bedeuten für Sie austauschbares Vergnügen, nicht | |
| ernsthaftes Engagement.“ Dann geht sie ins Bett – allein. Mit diesem Satz | |
| greift Lynd auf, was Geheimdienstchefin M (Judi Dench) Bond schon bei ihrer | |
| ersten Begegnung in „Goldeneye“ (1996) an den Kopf warf: „Sie sind ein | |
| sexistischer, frauenverachtender Dinosaurier.“ | |
| ## Kann er sich ändern? | |
| Seit letztem Jahr steht zudem der schwarze Schauspieler Idris Elba | |
| („Mandela“, „Luther“) als Nachfolger von Daniel Craig hoch im Kurs. | |
| Letzten Monat fiel dann auch noch Bond-Darsteller Craig persönlich dem | |
| Agenten in den Rücken: „Hoffentlich ist mein Bond nicht so sexistisch und | |
| frauenfeindlich. Die Welt hat sich geändert.“ Tatsache. Aber was genau | |
| macht Bond jetzt daraus? Kann er sich ändern und trotzdem er selbst | |
| bleiben? | |
| Dass es geht, bewies „Casino Royale“, der narrative und stilistische Reboot | |
| der Filmreihe. Bond, das erste Mal dargestellt von Craig, wurde | |
| realistischer, düsterer, verletzlicher. Die augenzwinkernde Ironie wich | |
| einer kompromisslosen Bitterkeit, in der Bond sarkastische Pointen wie | |
| Pistolenschüsse austeilte. Auf die Frage, ob er seinen Martini geschüttelt | |
| oder gerührt möchte, antwortete Bond: „Sehe ich so aus, als ob mich das | |
| interessiert?“ | |
| Dann diese Autoverfolgungsjagd: Die Szene beginnt, der Zuschauer lehnt sich | |
| im Sessel zurück, stellt sich auf 15 Minuten quietschende Reifen ein – und | |
| genau in diesem Moment, nach wenigen Sekunden, bricht die Szene ab. Bonds | |
| Aston Martin liegt rauchend im Feld, Totalschaden. Überraschung beim | |
| Zuschauer, komplizenhafte Freude am Bruch mit den Regeln. Die Botschaft war | |
| klar: Zu Zeiten von internationalem Terrorismus und Wirtschaftskrise ist | |
| kein Platz mehr für verschwenderische, spaßige Irrfahrten. | |
| Die Erkenntnis auch: Man kann also sehr gut mit Bonds Image spielen, es | |
| unterwandern und verkehren, ohne es gleich so zu demontieren, dass nichts | |
| mehr übrig bleibt. | |
| ## Er kann auch schwarz sein! | |
| Gerade vor dem Hintergrund der neuen Bond-Filme scheint die Frage, ob Bond | |
| auch schwarz sein kann, extra lächerlich. Klar kann er! Abgesehen von der | |
| wichtigen symbolischen Kraft würde es nichts ändern, vielleicht noch die | |
| von Daniel Craig betonte Einsamkeit und das Außenseitertum unterstreichen. | |
| Die Weltläufigkeit, gepaart mit selbstgefälliger Arroganz, bekommt – | |
| Überraschung! – auch ein schwarzer Darsteller hin. Aber nicht jeder, | |
| behauptet Anthony Horowitz, der Autor des neusten Bond-Romans, „Trigger | |
| Mortis“. Idris Elba zum Beispiel sei ihm „zu street“, verkündete er | |
| kürzlich in einem Interview. „Zu sehr Straße“ also, was einen natürlich | |
| sofort an Kriminalität und Drogen denken lässt. | |
| Horowitz wurde daraufhin als Rassist bezeichnet, er hat sich entschuldigt, | |
| noch einmal betont, dass er sich sehr wohl einen schwarzen Schauspieler als | |
| Bond vorstellen könne, Adrian Lester zum Beispiel, bekannt durch seine | |
| Shakespeare-Darstellungen am Theater. Mit saublöden Formulierungen steht | |
| Horowitz nicht allein da: Im Frühjahr bezeichnete Ex-Bond Roger Moore die | |
| Idee von einem schwarzen Bond als unrealistisch, 007 müsse | |
| „englisch-englisch“ bleiben. Später sagte er, die Zitate seien aus dem | |
| Kontext gerissen. | |
| Ob weiß oder schwarz – Bond muss auch nach Daniel Craig ein Mann bleiben. | |
| Ihn künftig von einer Frau spielen zu lassen wäre eine große vertane | |
| Chance. Es würde den Filmemachern und den Zuschauern die Möglichkeit | |
| rauben, zur interessantesten Erkenntnis eines modernen Bond vorzudringen: | |
| dass auch in einem Film mit männlicher Perspektive Frauen gleichberechtigt | |
| existieren und einen Selbstzweck erfüllen können. | |
| ## Er mag sie nicht mehr | |
| Davon aber ist Bond noch meilenweit entfernt. Was die Darstellung der | |
| Frauen angeht, hat es mit der Erneuerung bisher nicht klappen wollen. Im | |
| Gegenteil, der neue, nüchternere Ton hat Bonds Sexismus noch schlimmer | |
| gemacht. Ohne das Augenzwinkern, die Übertreibung und die von den Frauen | |
| selbstbewusst inszenierte Erotik der alten Filme bleibt nur noch die harte | |
| Realität einer Machowelt, in der Frauen benutzt, sexuell ausgebeutet und | |
| dann entsorgt werden. Die neuen Filme zeigen diese Welt nicht nur – sie | |
| sind Teil davon. | |
| Frühere Bonds liebten die Frauen, wenn auch auf eine chauvinistische, | |
| respektlose Art. Der jetzige Bond mag sie nicht einmal. Man fragt sich, | |
| warum er überhaupt noch mit ihnen ins Bett geht, Spaß scheint es ihm nicht | |
| zu machen. | |
| Dabei fing es so vielversprechend an. Vesper Lynd in „Casino Royale“ ist | |
| die interessanteste Frau, die es im Bond-Universum je gab. Sie bekommt eine | |
| eigene Geschichte und Motivation, sie ist Bond lange ebenbürtig, und er | |
| verliebt sich tatsächlich in sie. Aber auch sie bleibt letztlich Spielball | |
| der Männer. Am Ende geht es nicht wirklich um sie, sondern nur darum, wie | |
| sich ihr Schicksal auf Bond auswirkt. | |
| Im dritten Teil, „Skyfall“ (2012), ist Bond so verletzlich wie nie. Die | |
| Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit und der Verlust der Mutterfigur | |
| lassen ihn verstört zurück. In einer Szene deutet er dann auch noch | |
| homosexuelle Erfahrungen an. Je mehr aber seine virile Männlichkeit | |
| dekonstruiert wird, desto deutlicher wird seine zynische | |
| Frauenfeindlichkeit. | |
| ## Das älteste Bond-Girl | |
| Zu spüren bekommt das Sévérine, das Bond-Girl in „Skyfall“. Sie ist die | |
| unfreiwillige Geliebte von Bonds Gegenspieler Raoul Silva, der sie einst | |
| aus der Zwangsprostitution der chinesischen Mafia „befreite“. Um an Silva | |
| ranzukommen, verspricht Bond Sévérine, sie wiederum vor Silva zu retten. | |
| Als Nächstes vögelt er sie unter der Dusche – sie, die Sexsklavin, die ihr | |
| Leben lang Opfer männlicher Gewalt war. | |
| Als Sévérine am nächsten Morgen deswegen von Silva erschossen wird, | |
| kommentiert Bond trocken: „Schade um den guten Scotch“ (den sie beim | |
| Sterben verschüttet hat). Dann erst entreißt er Silvas Bodyguard das | |
| Gewehr, ballert alle tot und verhaftet Silva. Äh … Warum genau ist ihm das | |
| nicht drei Minuten früher eingefallen? | |
| Und in „Spectre“, dem neuesten Bond-Film? Nun ja, man hat sich bemüht. | |
| Monica Bellucci spielt das älteste Bond-Girl, das es je gab. Vor dem | |
| Casting sei sie fest davon ausgegangen, für die Rolle der | |
| Geheimdienstchefin M vorzusprechen, erzählte sie in einem Interview. | |
| Sam Mendes, der schon bei „Skyfall“ Regie führte, sprach im Vorfeld von | |
| einer Revolution und schwärmte: „Das erste Mal in der Geschichte hat Bond | |
| etwas mit einer reiferen Frau!“ Bellucci ist dreieinhalb Jahre älter als | |
| Daniel Craig – es war also eher ein Revolutiönchen. Vor allem weil der Film | |
| dann nichts mit Bellucci anzufangen weiß, ihre Rolle wurde auf wenige | |
| Minuten gekürzt. | |
| In „Spectre“ scheint Bond noch einsamer und unglücklicher. Dass er | |
| zunehmend an seinem eigenen Chauvinismus leidet, ist immerhin auch eine | |
| Aussage. Und mit dem zweiten Bond-Girl, gespielt von Léa Seydoux, hält der | |
| Film dann doch noch eine kleine Überraschung bereit. | |
| 1 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Goldmann | |
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