# taz.de -- Aussteigerprogramm für Agenten: Projektziel Zersetzung | |
> Mit einem Aussteigerprogramm für Agenten wendet sich eine Initiative | |
> direkt an Mitarbeiter der Geheimdienste. Das Angebot ist ernst gemeint. | |
Bild: Sag niemals nie: Dieser coole Bond (links) hat‘s auch zum Privatier ges… | |
BERLIN taz | Linksextreme, Rechtsextreme, Salafisten. Angehörige dieser | |
Zielgruppen haben stets zumindest eine letzte Perspektive: Für sie alle | |
gibt es Aussteigerprogramme, meist organisiert von | |
Verfassungsschutzbehörden. Hotline wählen, etwas reden, ab ins neue Leben. | |
Jetzt soll es eine Neuerung auf diesem Markt der Lebensperspektiven geben: | |
ein Aussteigerprogramm nur für Agenten. | |
[1][Intelexit] – das ist das Stichwort einer Initiative, mit der ab Montag | |
in Deutschland und weltweit Mitarbeiter von Nachrichtendiensten direkt | |
adressiert werden sollen. Die Idee: Wer als Agent ein neues Leben auf der | |
anderen Seite des Überwachungsstaates führen will, soll künftig von | |
professionellen Unterstützern aufgefangen werden. | |
Hinter der ernst gemeinten Initiative steht ein weltweites Netzwerk | |
verschiedener Aktivisten, Whistleblower und Ex-Agenten. In einem | |
[2][Werbefilm] kommt etwa der Kryptographie- und Sicherheitsexperte Bruce | |
Schneier zu Wort, der weltweit vielen als netzpolitische Koryphäe gilt. | |
Teil des Kampagnenfilms ist auch der frühere NSA-Geheimdienstmitarbeiter | |
Thomas Drake, der selbst seinen Job beim Auslandsgeheimdienst der USA an | |
den Nagel hängte und stattdessen als Whistleblower Karriere machte. | |
Mit Broschüren und Informationsmaterial soll nun ab Montagmorgen an | |
Standorten deutscher Geheimdienste, aber auch im Ausland für die neue | |
zivilgesellschaftliche Anlaufstelle geworben werden. So soll unter anderem | |
ein großer Werbetruck am Standort des besonders aggressiven britischen | |
Geheimdiensts GCHQ auf die Initiative aufmerksam machen. | |
## Ernstes Vorhaben | |
Für Dienstag kündigen die Aktivisten in einem internen Papier etwas | |
kryptisch an, sich „im Rahmen einer direkten Botschaftsübermittlung“ an | |
„Sammelstellen der GeheimdienstmitarbeiterInnen“ zu wenden. In einer | |
Pressekonferenz am Mittwoch will die Initiative dann in Berlin ihre Arbeit | |
vorstellen. Dabei soll unter anderem die pakistanische Frauen- und | |
Bürgerrechtsaktivistin Nighat Dad zu Wort kommen. | |
Hinter der naiv anmutenden Idee steht nach Darstellung ihrer Urheber ein | |
ernstes Vorhaben. Die Initiative, die sowohl die Massenüberwachung von | |
Geheimdiensten wie auch etwa das Versagen der deutschen | |
Verfassungsschutzämter im NSU-Skandal kritisiert, beteuert, Menschen, die | |
Ihre Arbeit für einen Nachrichtendienst beenden wollen, ganz konkret | |
Rechtsbeistand geben zu wollen. „Ob interessierte Aussteiger später auch | |
als Whistleblower agieren wollen, spielt für uns zunächst keine Rolle und | |
bleibt den Menschen selbst überlassen“, sagte ein Sprecher. Eine Hilfe | |
könne etwa sein, ausstiegswilligen Beamten entsprechende Fachanwälte für | |
Beamtenrecht zu vermitteln. Wer dagegen den Schutz von | |
Whistleblower-Organisationen suche, könne auch diesen Schutz erhalten. | |
Tatsächlich steht hinter der global angelegten Kampagne ein bestens | |
organisiertes Netzwerk. Als Sprecher der Initiative fungieren der | |
prominente französische Netzaktivist Jérémie Zimmermann sowie die Schweizer | |
Künstlerin lizvlx, die in der Vergangenheit wiederholt auch Polizei- und | |
Justizbehörden aus den USA durch ihre Kunstaktionen auf den Plan rief. | |
Urheber und Koordinator der Initiative ist das in Berlin ansässige „Peng | |
Collective“, ein Zusammenschluss verschiedener Künstler und Aktivisten. | |
Dass die globale Kampagne in Berlin entworfen wurde, ist kein Zufall. | |
Spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens hat sich in der deutschen | |
Bundeshauptstadt eine internationale Szene von Bürgerrechtsaktivisten und | |
Hackern, Whistleblowern, aber auch ehemaligen Geheimdienstagenten wie der | |
britischen Ex-MI5-Agentin Annie Machon formiert. | |
28 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.intelexit.org/en# | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=panT9P_VdyE | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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