# taz.de -- Kommentar Neuer UN-Bericht: Zahlen, die rohe Gewalt verkörpern | |
> Täglich werden 5,3 Billionen Dollar um den Globus geschickt, um mit | |
> Devisen zu spekulieren. Dieser Geldtransfer ist desaströs. | |
Bild: UNCTAD-Chef Mukihisa Kituyi möchte radikale Reformen des globalen Finanz… | |
Es klingt abstrakt: Täglich werden etwa 5,3 Billionen Dollar um den Globus | |
geschickt, um mit Devisen zu spekulieren. Es sind nur Zahlen im Computer, | |
aber sie verkörpern rohe Gewalt. Die Entwicklungs- und Schwellenländer sind | |
den Geldströmen wehrlos ausgeliefert und werden immer wieder in | |
Wirtschaftskrisen gestürzt. | |
Die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Unctad) fordert daher jedes | |
Jahr wieder, dass die Kapitalströme endlich eingedämmt werden. Doch das | |
interessiert die reichen Industrieländer nicht. Auch der neue | |
Unctad-Bericht wird ungelesen im Archiv landen. | |
Denn die Ideologie ist stärker: Freihandel wird absolut gesetzt. Durch TTIP | |
ist vielen Deutschen bewusst geworden, wie problematisch der schrankenlose | |
Verkehr von Waren sein kann. Doch noch desaströser ist ein anderer | |
Freihandel – der unkontrollierte Transfer von Geld. | |
Das Spiel heißt „Carry Trade“. Spekulanten nehmen Kredite in Ländern auf, | |
wo die Zinsen niedrig liegen – um das Geld dann in Staaten anzulegen, die | |
höhere Renditen versprechen. Gewinne sind dabei garantiert, auch weil | |
Kursgewinne winken: Wenn viele Finanzinvestoren in das gleiche Land | |
drängen, dann wertet dessen Währung auf. | |
Für die betroffenen Länder ist die Geldflut eine Katastrophe. Denn wenn die | |
eigene Währung plötzlich aufwertet, werden die heimischen Waren auf dem | |
Weltmarkt teurer, und die Exporte brechen ein. Noch schlimmer: Irgendwann | |
ziehen die Spekulanten ihr Geld wieder ab, kündigen die Kredite – und | |
bringen die Entwicklungsländer in Finanznot. | |
Der „Wirtschaftsflüchtling“ ist zu einem geflügelten Wort geworden – das | |
suggeriert, der Flüchtling sei schuld an seinem Schicksal. Doch tatsächlich | |
werden sie von einer globalen Wirtschaftsordnung vertrieben, die die | |
Profitinteressen weniger Spekulanten wichtiger nimmt als die Lebenschancen | |
von Millionen Menschen. | |
6 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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