# taz.de -- Kolumne Unter Schmerzen: Schubsen hilft | |
> Schon die Beatles haben es gewusst: Alles schmerzt. Immer. Zum Glück gibt | |
> es vier Dinge, die helfen können. Zum Beispiel Schubsen. | |
Bild: Wedel, Schleswig-Holstein: Eröffnung einer John-Lennon-Ausstellung am 3.… | |
Vorgestern kam sie endlich. Die erste LP, die ich in meinem Leben zweimal | |
gekauft habe (die Fälle, wo man sich die LP auf CD „nachgekauft“, und | |
später, als der Hype um die CD vorbei und Vinyl wieder cool war, die LP zur | |
CD gekauft hat, zählen nicht): „Help!“, die fünfte Beatles. Keine Ahnung, | |
wo die erste Ausgabe hin ist, sie muss irgendwo in den Ehekriegswirren und | |
der späteren Gütertrennung meiner Eltern verloren gegangen sein. Jetzt ist | |
sie wieder da, strahlt im neuen Glanze, nur die deutsche Übersetzung des | |
begleitenden Beatles-Films, der hier tatsächlich „Hi-Hi-Hilfe!“ hieß, und | |
der Sticker „Empfohlen von Hörzu“ fehlen. Aber das macht nichts. | |
Auf dem Cover sieht man die vier Pilzköpfe, wie sie in marineblauer | |
Funktionskleidung Signalzeichen bilden. Sollte eigentlich „Help“ heißen, | |
das sah aber irgendwie nicht aus, fanden die Designer damals, also stellten | |
die Beatles das Wort „Njuv“ dar. | |
„Njuv“ ist aber keine Hilfe. Nach Lennons Eröffnung, dass er dem | |
Superstartum nicht gewachsen war und er sich vielleicht deswegen in eine | |
Affäre mit Manager Brian Epstein stürzte oder auch nicht, bevor dieser | |
wegen seiner unerfüllbaren Homosexualität zwei Jahre später den Freitod | |
wählte, folgen so einige Schmerzensäußerungen auf dieser Platte, die | |
gemeinerweise auf die für die Fab Four übliche, aber durchaus | |
weiterentwickelte Gute-Laune-Musik getextet worden sind. McCartney singt | |
von verlorenen Liebschaften, gebrauchten Nächten, von Melancholie | |
(„Yesterday“) und dem Wunsch nach Objektersatz (“Another Girl“), Harris… | |
von Nähe-Distanz-Problemen, Ringo Starr von Minderwertigkeitskomplexen, die | |
er mit einer Filmkarriere auszuräumen trachtet. | |
„Act Naturally“ heißt der Song. Er erinnert mich an eine Botschaft, die | |
kürzlich auf Facebook stand. Auf Facebook gibt es neben Haustieren, Nazis | |
und Flüchtlingen eben auch Lebensweisheiten, kleine Anweisungen, die | |
hi-hi-hilfreich sein sollen. „[1][Vier Wege] zum Wohlgefühl“ zum Beispiel, | |
die magische Zahl ist auch hier die Vier. | |
## Four Different Ways | |
Man stelle sich erstens eine Frage: Wofür bin ich dankbar? Fürs | |
Schreibenkönnen. Für diese Kolumne, das Vertrauen der Redakteurinnen und | |
Redakteure, meine LeserInnen, meine Freunde, meine Familie (haha!), für die | |
Frauen, die mich lieben oder geliebt haben. | |
Man esse zweitens eine Banane. | |
Man gebe drittens dem Gefühl einen Namen. WUT. (Weitere: Enttäuschung, | |
Einsamkeit, Trauer – wieder vier.) Man treffe viertens eine Entscheidung, | |
denn das macht glücklich. | |
Ach, das mit der Banane gehörte gar nicht dazu. Das war nur | |
dazwischengeklemmte Werbung. Dann eben viertens: Berühre eine andere | |
Person. | |
Bevor ich mich am Abend der Ankunft der Beatles-Platte mit einem Freund | |
traf, den ich zur Begrüßung wie in Berlin üblich umarmte, war ich wie jeden | |
Dienstag beim Reha-Sport. Es gab Übungen, die mich an das Winkeralphabet | |
vom Help!-Plattencover (hier wie dort ohne Winkelemente) erinnerten, und es | |
gab auch endlich mal wieder eine Berührung: In einer Paarübung durfte ich | |
Frau Storch vom Gummiball schubsen. | |
Das hat geholfen. | |
2 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://time.com/4042834/neuroscience-happy-rituals/ | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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