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# taz.de -- Gegenübergestellte Künstler: Stadthelden vis-à-vis
> Das Bremer Paula Modersohn-Becker Museum widmet Gerhard Marcks und
> Bernhard Hoetger erstmals eine gemeinsame Ausstellung.
Bild: Kopf an Kopf: Werke von Hoetger und Marcks, erstmals in Bremen vereint.
Endlich vereint, vis-à-vis wie zum Wettstreit um die Krone der Bremer
Bildhauerkunst präsentiert, ist den Stadthelden plastischen Gestaltens zum
ersten Mal überhaupt eine gemeinsame Ausstellung gewidmet. Das Paula
Modersohn-Becker Museum stellt einige Werke von Bernhard Hoetger
(1874–1949), dem Backsteingotik expressionistisch fortgestaltenden
Architekten der Böttcherstraße, und Gerhard Marcks (1889–1981), dem Urheber
der meistgeknipsten Bronzeplastik der Wesermetropole gegenüber: „Die Bremer
Stadtmusikanten“ (1953) neben dem Rathaus.
„Eine Tradition – zwei Welten“ ist die nicht chronologisch, sondern
thematisch gehängte Schau betitelt, will Ähnlichkeiten und Unterschiede der
bremophilen Künstler herausarbeiten. Eine Tradition eint sie? Nun, erklärt
Kuratorin Simone Ewald, beide Künstler gehörten zu den bedeutendsten
figürlichen Bildhauern des 20. Jahrhunderts, die die Grenze zum Abstrakten
ausgelotet, aber nie überschritten hätten. Zwei Welten? Marcks habe, so
Ewald weiter, sich als „unbedingten Griechenlandverehrer“ bezeichnet, der
beim Studium der Natur zum Wesentlichen vordringen und dieses gestalten
wollte.
Und was hat er Wesentliches entdeckt, Inhalte oder Äußerlichkeiten?
Proportionsgesetze! Für Marcks sei Plastik „dem Chaos des Lebens
abgerungene Form“. Im Gegensatz dazu wird Hoetger als Fan des alten
Ägyptens und seiner religiös-symbolisch aufgeladenen Werke dargestellt und
so zitiert: „Die Bildhauerei als Kunst ist monumental, dient höherem Zweck,
wird Träger eines Gefühls, ist Kultträger.“
Sehr schön ist das an den einander gegenübergestellten Porträtbüsten der
Künstler-Gattinnen zu sehen. Marcks entwickelte aus antiker Form das
Antlitz seiner Maria (1933), sanft freundlich blickend, aber scheu die
Haltung, zurückgezogen das Kinn. Während Hoetger seine Lee (1913) mit kühn
vorgerecktem Kinn und glatt modellierten, pharaonenhaft idealisierten
Gesichtszügen wie eine Nofretete gestaltete. Er liebte die blockhafte
Ausformulierung der Ägypter – exemplarisch ausgeführt bei einer Tänzerin,
die sich einem Gesteinsblock in vollem Schmerz und mit stolz angewinkelten
Armen entwindet.
Eine Etage des Museums wird als Zoo bezeichnet, dort zu sehen sind
Porzellanfigürchen: als Staubfänger für biedermeierliche Kaminsimse
(Marcks) oder posierend in wilden, kraftstrotzende Haltungen (Hoetger).
Wenn es darum geht, das Joch der Arbeit zu dokumentieren, verband Marcks
gern Mutter Erde mit ihren bäuerlichen Bergarbeitern zu einer natürlichen
Einheit, während Hoetger fürs Bremer Volkshaus expressionistisch leidende,
gramgebeugte Proletarier in Gips modellierte. Weiter zu sehen sind
Briefwechsel der Künstler voller gegenseitiger Wertschätzung und Dokumente
einer gemeinsamen Arbeit: 1936/37 schufen sie Büsten der „Volkshelden“
wider die Napoleonische Besatzung Kolbergs: Schill, Gneisenau und
Nettelbeck.
Schließlich reift beim Betrachten die Erkenntnis, warum Marcks der in
Bremen beliebtere, aber langweiligere Bildhauer ist. Seine zurückhaltenden,
feinsinnig milde abstrahierten Werke stehen für die sachlich elegante
Ideallinie formschöner Repräsentation hanseatischen Bürgertums. Viel
spannender ist die Protzerei der mythologisch verschwärmten, stilvielfältig
forschenden, pathetisch suchenden Formensprachen Hoetgers.
Dessen NSDAP-Mitgliedschaft übrigens nicht Thema der Ausstellung ist, auch
wohl, weil sie ihm wenig half, wurde seine Kunst doch wie die von Marcks
als „entartet“ eingestuft. Marcks hatte es mit seiner zurückgenommen
Ästhetik und dem politischen Heraushalten einfacher, durch die Nazizeit zu
kommen.
1 Oct 2015
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Gerhard Marcks
deutsche Literatur
Worpswede
Bremen
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