# taz.de -- Konflikte zwischen Einwanderergruppen: Importierter Zündstoff | |
> Die Angst wächst, dass Einwanderer politische Konflikte auch in | |
> Deutschland austragen. Migrantenvertreter rufen zur Besonnenheit auf. | |
Bild: Unterstützung für den Kurs der türkischen Regierung: Demonstranten in … | |
BERLIN taz | Für sie gebe es keinen Unterschied zwischen gewöhnlichen | |
Muslimen und islamistischen Terroristen, zwischen „Moderaten“ und | |
„Extremisten“, schäumte die CDU-Politikerin Madlen Vartian am Montag in | |
einem Facebook-Eintrag, den sie mittlerweile gelöscht und sich [1][dazu | |
geäußert hat]. Die „überwiegende Mehrheit der Sunniten“ trage „die | |
Zerstörung von Kultur und Zivilisation in sich“, wütete sie. Selbst | |
wohlmeinende Hinweise von Facebook-Freunden, ihre Kommentare könnten den | |
Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen, wies Vartian zurück: Sie | |
beschimpfte eine Kritikerin als „Pseudo-Armenierin“, andere als „gekaufte | |
Hunde“. | |
Der Kommentar sorgte im Netz für einige Aufregung. Denn Madlen Vartian ist | |
Vizevorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland, Sprecherin des | |
„christlich-alevitischen Freundeskreises in der CDU“ und sitzt im Vorstand | |
der CDU Köln-Ehrenfeld. | |
Auch wenn sie ihren Beitrag inzwischen gelöscht hat, dürfte ihr Amoklauf | |
ein Nachspiel haben: Strafanzeigen wurden gestellt, und in ihrer Partei | |
stößt ihr Verhalten übel auf. „Das ist völlig inakzeptabel“, sagt die | |
CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf der taz. „Wir werden uns intern damit | |
befassen“. Und CDU-Generalsekretär Peter Tauber twitterte: „Da hat jemand | |
nicht verstanden, welche Werte die CDU ausmachen.“ | |
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Spannungen zwischen Minderheiten in | |
Deutschland, die durch die jüngsten Entwicklungen neuen Zündstoff erhalten. | |
Viele Armenier hegen Vorbehalte gegenüber Türken, weil deren Staat den | |
Völkermord an den Armeniern bis heute leugnet. Orientalische Christen, aber | |
auch Aleviten und Jesiden sind durch den Vormarsch der IS-Milizen und die | |
Brutalität des syrischen Bürgerkriegs verunsichert und verbittert, Muslime | |
haben Angst vor wachsendem Islamhass. Die Konflikte in der Region schlagen | |
sich auf die Stimmung unter den eingewanderten Minderheiten in Deutschland | |
nieder. | |
## Aiman Mazyek „sehr besorgt“ | |
„Gerade jetzt müssen wir dafür sorgen, kein Öl ins Feuer zu gießen, damit | |
solche Konflikte nicht nach Deutschland getragen werden“, sagt Aiman | |
Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. „Das Letzte, was wir | |
brauchen, sind politische Geisterfahrer, die an der Eskalationsschraube | |
drehen“, sagt er mit Blick auf Madlen Vartian. | |
„Sehr besorgt“ ist er darüber, wie der Krieg zwischen der Türkei und der | |
PKK-Guerilla wieder an Schärfe zunimmt. Kurdische und türkische Einwanderer | |
aus der Türkei stellen die größte Minderheit in Deutschland, darum ist | |
dieser Konflikt besonders explosiv. Erst vor ein paar Wochen gab es einen | |
Übergriff auf eine Moschee in Baden-Württemberg, die Schmierereien ließen | |
auf PKK-Sympathisanten als Täter schließen. „Der Vorsitzende der Moschee | |
ist selbst Kurde“, sagt Aiman Mazyek kopfschüttelnd. Seit dem vergangenen | |
Jahr haben Zusammenstöße zwischen nationalistischen Kurden und Türken | |
zugenommen. | |
Es gebe eine „große Emotionalisierung“ auf beiden Seiten, sagt Ali Ertan | |
Toprak, der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. „Erstmalig | |
in der Geschichte“ habe er deswegen jüngst eine gemeinsame Erklärung mit | |
der Türkischen Gemeinde abgegeben, in der beide Seiten zur Besonnenheit | |
aufriefen. | |
Die kurdische Gemeinde fordert, die türkischen Grauen Wölfe zu verbieten, | |
die sie für Übergriffe auf Kurden auch in Deutschland verantwortlich macht. | |
Jugendliche, die sich mit Handzeichen und Symbolen zu diesen | |
Ultranationalisten bekannten, prägten in den letzten Wochen die | |
Kundgebungen in Städten wie Berlin, Hamburg oder Hannover, wo Hunderte | |
„gegen den Terror der PKK“ auf die Straße gingen. | |
## Angst vor „Pegida-ähnlichen Aufmärschen“ | |
Den Vorwurf, sich nicht genug von der hierzulande offiziell verbotenen PKK | |
zu distanzieren, weist Toprak zurück. Seine kurdische Gemeinde vertritt | |
allerdings vor allem jene Kurden, die sich von den traditionellen Verbänden | |
nicht angesprochen fühlen. Ihr Einfluss auf nationalistische kurdische | |
Jugendliche ist begrenzt. | |
„Wenn wir die Konflikte nicht unter Kontrolle bringen, werden wir vor | |
Weihnachten wieder bundesweite, Pegida-ähnliche Aufmärsche haben“, fürchtet | |
Toprak. „Wir müssen deutlich machen, dass wir ähnliche Ängste wie die | |
Mehrheitsbevölkerung haben, und uns in unseren Communities dafür einsetzen, | |
dass es friedlich bleibt“, sagt er. | |
Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. „Die gewaltsamen | |
Auseinandersetzungen in einigen deutschen Großstädten in den letzten Wochen | |
haben gezeigt, dass die aufgeheizte Stimmung sowohl auf kurdischer als auch | |
auf türkischer Seite jederzeit zu einer spontanen Gewalteskalation führen | |
kann“, sagt Verfassungsschutzchef Maaßen. „Solange beide Parteien in der | |
Türkei nicht zu ihrer friedlichen Linie zurückkehren, sind die dortigen | |
Auseinandersetzungen immer auch Anlass zur Sorge um die innere Sicherheit | |
in Deutschland.“ | |
29 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/madlen.vartian/posts/902868423081820?pnref=story | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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