# taz.de -- Die Politik feiert Franz Josef Strauß: Vater unser | |
> In Bayern sind die Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Franz Josef | |
> Strauß zu Ende gegangen. Oder war es nur sein Geburtstag? | |
Bild: Huldigung und „Happy Birthday“ für Franz Josef in der bayerischen Pf… | |
MÜNCHEN taz | Ein kleines bisschen ist es dann doch wie früher. Wie damals, | |
als Er noch unter uns weilte und über uns wachte. Selbst das Gschwerl ist | |
wieder da. Als Gschwerl, zum besseren Verständnis, bezeichnet man in Bayern | |
das, was in Sigmar Gabriels Heimat Pack heißt. Gschwerl sind etwa Leute wie | |
die, die einst bei Reden des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß | |
dazwischengerufen haben. Solche halt, die sich nicht zu benehmen wissen und | |
von ihrer politischen Gesinnung her ohnehin indiskutabel sind. Solche, | |
denen Strauß dann empfehlen musste, doch wenigstens das Maul zu halten, | |
wenn sie schon kein Hirn hätten. Wir zitieren nur. | |
Heute zeigt sich der demonstrierende Mob in Gestalt eines Herrn in | |
mittlerem Alter und Jeans-Jacke. In den Achtzigern mag er schon in | |
Wackersdorf demonstriert haben, damals noch in seinen Zwanzigern und in | |
Gesellschaft von 100.000 Gleichgesinnten. Jetzt steht er recht allein vor | |
der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz und hebt an einem kleinen | |
Stöckchen ein Schild in die Luft, auf dem zu lesen steht: „Stoppt Strau߆ | |
Pfändet die CSU! Karl Valentin – Airport ohne 3. Startbahn.“ Karl Valentin? | |
Nun, gut. | |
An dem Mann muss man vorbei, wenn man zum Festakt der Hanns-Seidel-Stiftung | |
zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß will. Die Hanns-Seidel-Stiftung, | |
auch dies sei erklärt, ist so etwas wie die bayerische | |
Konrad-Adenauer-Stiftung, bloß dass selbst in Bayern heute weniger Menschen | |
mit dem Namen Seidels als mit dem des Kölners etwas anfangen können. | |
Deshalb sei noch kurz erwähnt, dass auch Seidel einmal Chef der CSU war, | |
doch das ist lange her, sehr lange sogar; und die Tatsache, dass es vor | |
Franz Josef Strauß schon andere Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union | |
gab, darf getrost als kleiner Betriebsunfall der Parteigeschichte gewertet | |
werden und muss hier nicht vertieft werden. | |
Wer Strauß in der Allerheiligen-Hofkirche huldigen will, muss aber nicht | |
nur an dem Unbelehrbaren vorbei, sondern auch an zwanzig Gebirgsschützen | |
aus Mittenwald, die vor dem Eingang Spalier stehen, und an Ursula Männle. | |
Männle war zwar nie Vorsitzende der CSU, dafür aber Chefin der Frauen-Union | |
der CSU. Und 13 Jahre lang Landtagsabgeordnete. Jetzt leitet sie die | |
Hanns-Seidel-Stiftung, und das ist der Grund, weshalb sie hier zwischen den | |
Gebirgsschützen steht, deren Ehrenleutnant Franz Josef Strauß war, und | |
jeden ihrer rund 400 Gäste mit Handschlag begrüßt. | |
## Im reinsten Geburtstagstaumel | |
Die CSU und die bayerische Staatsregierung befanden sich in den letzten | |
Tagen im reinsten Geburtstagstaumel. Die „CSU-nahe“ Stiftung trieb es am | |
tollsten, sie hatte den runden Geburtstag bereits seit dem Frühjahr mit | |
einem opulenten Veranstaltungsreigen gefeiert, der jetzt seinen Höhepunkt | |
fand: „Dankbar rückwärts, mutig vorwärts, gläubig aufwärts“ hieß das … | |
des großen Abschlussfestakts der Stiftung am Freitag, dem sich dann | |
unmittelbar noch ein Staatsempfang anschloss – gleich nebenan im | |
prachtvollen Antiquarium der Residenz. | |
Und dann war da noch die Feier in Pasing, auf der die JU den „König von | |
Bayern“ geehrt und die „DNA der CSU“ untersucht hat. Die Plakate, die sch… | |
Wochen zuvor für lokale Aufregung gesorgt hatten (“Strauß spricht“), | |
versprachen etwas mehr, als die Veranstaltung halten konnte, da weder der | |
vermeintlich von den Toten Auferstandene zugegen war noch die angekündigten | |
Diskutanten Peter Gauweiler und Wilfried Scharnagl, aber immerhin fand sich | |
Marianne Strauß ein. Bei ihr handelte es sich zwar auch nicht um die | |
wiederauferstandene Gattin des früheren Landesfürsten, aber immerhin um | |
beider Enkelin. Die Großeltern hat die Tochter von Max Strauß, die gerade | |
erst Abitur gemacht hat, zwar nie kennengelernt, aber immerhin | |
DNA-technisch brachte sie die Jungkonservativen einen großen Schritt | |
weiter. | |
Zu den Feierlichkeiten in der Residenz kam Wilfried Scharnagl dann doch. | |
Vielleicht wegen der Gebirgsschützen. Oder wegen des kurzen, aber dafür | |
umso pathetischeren Imagefilmchens, das dort gezeigt wurde – einer Hommage, | |
zu deren Anfertigung sich der bekannte Heimatfilmer Joseph Vilsmaier | |
(„Herbstmilch“, „Schlafes Bruder“) herabgelassen hat. Scharnagl, der au… | |
in dem Film vorkommt, muss man heute nicht mehr kennen. | |
## Die ganze Opposition, niemand Wichtiges also | |
Er ist der Mann, von dem Strauß gesagt hat, dass er, also Scharnagl, | |
schreibe, was er, Strauß, denke. Und dass er, Strauß, denke, was er, | |
Scharnagl, schreibe. Damals war Scharnagl Chefredakteur des Bayernkuriers | |
und unentwegt an der Seite des bayerischen Quasimonarchen. Seinen Kummer | |
über den Tod des Mentors (“Ich vermisse ihn noch heute“) schien der | |
fleißige Autor zuletzt in separatistischen Anwandlungen und Abhandlungen | |
(Bayern kann es auch allein: Plädoyer für den eigenen Staat) zu ertränken. | |
Überhaupt waren sie in der Residenz fast alle da: Gerold Tandler, Michael | |
Glos, Erwin Huber, die Strauß-Kinder, so ziemlich das gesamte bayerische | |
Kabinett, die Bundes-CSUler Gerda Hasselfeldt, Christian Schmidt und | |
Alexander Dobrindt. Selbst der Herzog Franz von Bayern kam, was zu einem | |
kurzen Moment der Verwirrung führte, als Edmund Stoiber von der | |
„königlichen Hoheit“ sprach – und gar nicht FJS meinte. | |
Nur wenige bayerische Politiker fehlten. Margarete Bause zum Beispiel. Oder | |
Markus Rinderspacher. Oder Hubert Aiwanger. Genau genommen die ganze | |
Opposition. Niemand Wichtiges also. Komisch daher, dass die Redner Edmund | |
Stoiber und Horst Seehofer keine Gelegenheit ausließen, auf den | |
Boykotthanseln herumzuhacken. | |
## Ja, Strauß wird heiliggesprochen | |
Im Mittelpunkt des Feier-Tags stand das ausführliche Loblied, das Stoiber | |
auf Strauß singen durfte, ergänzt durch die deutlich kürzere Ansprache des | |
amtierenden Landesvaters Seehofer. Stoiber sprach nicht nur von Strauß, | |
sondern auch viel von sich und vor allem von den Strauß-Gegnern und deren | |
„ungebrochenem Fanatismus“; dabei war jedoch nicht ganz klar, ob er nun das | |
Männlein mit dem Pappschild draußen vor der Tür meinte oder den mehrfach | |
erwähnten Spiegel, der zwei Wochen zuvor über die Schmiergeldvorwürfe des | |
Strauß-Biografen Peter Siebenmorgen berichtet hatte. | |
Und weil ja, wie sich Stoiber beklagte, heutzutage niemand mehr Anstand hat | |
und sich an die simple Regel hält, wonach man über Tote nur gut sprechen | |
soll, suchten er und Seehofer das verzerrte Bild etwas zurechtzurücken, das | |
die Opposition von Strauß zeichnet. Nüchtern und faktenorientiert | |
beschrieben sie Strauß als den „größten politischen Sohn Bayerns im 20. | |
Jahrhundert“ (Stoiber), „Staatsmann von weltpolitischer Dimension“ | |
(Seehofer), „großen Lehrmeister und väterlichen Freund“ (Stoiber), | |
„politisches Vorbild“ (Seehofer), „Vater der modernen Volkspartei“ | |
(Stoiber), „Wegbereiter des modernen Bayerns“ (Seehofer), „Vater des | |
modernen Bayerns“ (Stoiber) und „Schöpfer des modernen Bayerns“ (Seehofe… | |
Vater unser im Himmel! | |
In diesem Moment hätte man erwartet, dass Friedrich Kardinal Wetter, der | |
schon damals als Erzbischof das Pontifikalrequiem für Strauß zelebriert | |
hatte, von seinem Platz ganz rechts in der ersten Reihe aufgestanden und | |
zum Rednerpult geschritten wäre und der jubelnden Menge die Nachricht aus | |
Rom verkündet hätte: Ja, Franz Josef Strauß wird heiliggesprochen. Aber | |
nein, Seine Eminenz blieb sitzen und lächelte. | |
## Wo sich die Familiengruft befindet | |
Stattdessen zankten sich Stoiber und Seehofer ausführlich darum, wer nun in | |
seinem Büro den innigeren Kontakt zur Büste des verehrten Strauß pflege. | |
Stoiber jedenfalls bekannte, regelmäßig Zwiegespräche mit dem Idol zu | |
halten. Was an Strauß’ einst so gerühmter Rhetorik nicht spurlos | |
vorübergegangen zu sein scheint (“Edmund, sagte er zu mir, grab nicht das | |
blonde Fallbeil aus!“). Das Protokoll wollte es, dass | |
Noch-nicht-Ministerpräsident Markus Söder nicht zu Wort kam – sonst hätte | |
er wohl noch einmal mit der Anekdote aufgetrumpft, dass er schon als | |
Jugendlicher ein Strauß-Poster über seinem Bett hängen gehabt habe. | |
Am Sonntag schließlich, dem eigentlichen Geburtstag, lud die CSU nach Rott | |
am Inn, wo sich die Familiengruft befindet, in der Franz Josef Strauß | |
liegt. Die an diesem Tag erschienene Veröffentlichung über eine mögliche | |
Agententätigkeit von Strauß für den amerikanischen Militärgeheimdienst im | |
Zweiten Weltkrieg spielt bei der Feier keine Rolle. Darin wird behauptet, | |
Strauß habe geheime Unterlagen zur Luftverteidigung süddeutscher Städte an | |
US-Agenten übergeben. | |
Wer nach dem Staatsempfang am Freitag in den lauen Abend hinaustrat und die | |
Residenz in Richtung Marienplatz verließ, kam am Eingang des | |
Residenztheaters vorbei. Über diesem hängt zurzeit ein Transparent, das auf | |
die neue Spielzeit aufmerksam macht. Darauf steht „Wer keinen Feind mehr | |
hat, trifft ihn im Spiegel.“ Es ist aber nur ein Heiner-Müller-Zitat. | |
6 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
dominik baur | |
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