# taz.de -- Griechischer Vizepremier zu Syriza: „Wir bleiben eine radikale Li… | |
> Das Wahlprogramm war richtig, aber unrealistisch, sagt Giannis | |
> Dragasakis, Vizepremier unter Tsipras. Er spricht über Koalitionen und | |
> Prioritäten. | |
Bild: Vizepremier Giannis Dragasakis und Premier Alexis Tsipras (r.). | |
taz: Herr Dragasakis, in Athen traf ich Menschen, die wissen wollten, ob | |
Alexis Tsipras wirklich im Euro bleiben will – was sagen Sie denen? | |
Giannis Dragasakis: Die Politik von Alexis Tsipras und meiner Regierung ist | |
klar: Wir wollen in Europa bleiben! Daran gibt es keinen Zweifel, auch für | |
mich persönlich nicht. In seiner letzten Rede sprach Tsipras von den | |
Inhalten des Vertrages, nicht davon, ihn in irgendeiner Weise zu kündigen. | |
Wir erklären den Menschen, wie wir diese Vereinbarung mit Europa in bester | |
Weise nutzen wollen. Das ist nicht antieuropäisch, das ist etwas für | |
Europa. | |
Laut Umfragen liegt Syriza nur hauchdünn vorn. Tsipras wollte Neuwahlen, um | |
seine Regierung zu stärken – derzeit scheint es eher umgekehrt. | |
Wir sind in die Neuwahlen gegangen, weil 40 unserer Mitglieder gegen die | |
Vereinbarung mit der Eurogruppe waren und gegen unsere Regierung stimmten. | |
Wir können nicht ohne Mehrheit regieren. Und zu den Umfragen: In | |
Griechenland zeigen sie keine vorhersehbaren Werte. Einige Tage vor dem | |
Referendum dachten viele Leute, dass die Ja-Stimmen die Mehrheit bekommen | |
würden. Aber das Ergebnis war das Gegenteil. Ich bin mir sicher, dass | |
Syriza die meisten Stimmen auf sich vereinen wird. Die Frage ist nur: Wird | |
das die Mehrheit? | |
Wenn die konservative Nea Demokratia stärkste Partei wird, gehen Sie dann | |
in eine Große Koalition? | |
Wir denken derzeit nicht über eine Regierung mit Nea Demokratia nach, denn | |
sie ist eine der Parteien, die für die Krise in Griechenland verantwortlich | |
ist. Was nicht heißt, dass wir nicht in wichtigen Fragen zusammenarbeiten | |
können. Für den Fall, wir hätten gemeinsame Ziele – zum Beispiel, um die | |
Schulden neu zu verhandeln –, könnten wir bei bestimmten Themen | |
zusammenarbeiten, aber nicht als Regierung wie in Deutschland. | |
Was ist mit Pasok, den Sozialdemokraten? | |
Wenn wir alle Probleme bekämpfen wollen, die in der Vergangenheit | |
entstanden sind, ist es sehr schwierig, eine Regierung mit Parteien zu | |
bilden, die das mit verursacht haben, also mit Nea Demokratia und Pasok. | |
Ich sage nicht, dass es innerhalb von Pasok oder Nea Demokratia keine | |
verlässlichen Personen gibt, mit denen wir uns verständigen können. Aber | |
wir sprechen hier über Parteien und politische Symbolik. | |
Also wollen Sie Koalitionen von Thema zu Thema? | |
Ja. Wir bitten das griechische Volk, uns die volle Mehrheit zu geben, um | |
eine Regierung mit Ministerpräsident Tsipras zu bilden. | |
Sie wollen die Frage nach möglichen Koalitionen nicht beantworten? | |
Das ist etwas, was wir nach den Wahlen diskutieren. Griechenland braucht | |
politische Stabilität. Und diese können wir mit Tsipras als Premierminister | |
anbieten. | |
Ist Syriza naiv in die Regierung gegangen? Mit einem Schuldenberg | |
einerseits und den vielen Versprechungen des Wahlprogramms, dem | |
„Thessaloniki-Programm“, anderseits? | |
Das „Thessaloniki-Programm“ wurde im vergangenen Sommer verabschiedet, als | |
die damalige Regierung der ND ankündigte, dass die griechischen | |
Wirtschaftsdaten anziehen. Auf dieser Grundlage entstand das Programm, um | |
die Gehälter zu erhöhen und die humanitäre Krise zu bekämpfen. Aber nach | |
einigen Monaten sah die wirtschaftliche Situation ganz anders aus – sogar | |
schlimmer. Wir haben versäumt, unser Programm zu aktualisieren. Aber die | |
Ziele – ich bestehe darauf – sind immer noch richtig.Ehrlich gesagt, haben | |
wir auch andere Ansätze der europäischen Partner erwartet: dass sie | |
miteinbeziehen, dass die griechische Wirtschaft seit fünf Jahren im Chaos | |
steckt, dass die Sparpolitik eine Menge sozialer Probleme verursacht. Wir | |
hätten viel früher eine Einigung erreichen können. Es war nicht notwendig, | |
sieben Monate gegeneinander zu kämpfen. Aber das ist nun Geschichte. | |
War das „Thessaloniki-Programm“ also unrealistisch? | |
Natürlich. In Bezug auf die Syriza-Ziele war es richtig, aber unrealistisch | |
im Hinblick auf die Mittel, um diese Ziele umzusetzen. | |
Das „Thessaloniki-Programm“ war also ein Programm, um Wahlen zu gewinnen ? | |
Ja. Das können Sie sagen. Was ist daran falsch? Es war ein Programm, um | |
Wahlen zu gewinnen und um Wege zur Umsetzung des Programms zu finden. | |
Lassen Sie mich die Frage umkehren: Was war falsch mit dem | |
„Thessaloniki-Programm“? Die Ziele, die Inhalte oder die Maßnahmen? Was | |
also ist der Vorwurf? Als wir an die Macht kamen, hatte die | |
Vorgänger-Regierung das ganze Geld schon in andere Projekte gesteckt. | |
Was ist Ihre Priorität, wenn Sie an der Regierung bleiben? | |
Zuerst müssen wir im Rahmen unserer Verpflichtungen ein neues Steuersystem | |
für Griechenland schaffen, mit Hilfe der Justiz. Und eine effektivere | |
öffentliche Verwaltung. Wir wollen die humanitäre Krise bekämpfen, hätten | |
dazu gern eine Milliarde Euro eingesetzt, konnten aber nur 200 Millionen | |
Euro ausgeben. In den nächsten drei bis fünf Jahren werden wir versuchen, | |
mehr Ressourcen für dieses Ziel einzusetzen. | |
Woher kommt das Geld dafür? | |
Wir werden versuchen, die Steuern zu erhöhen und mehr Geld einzunehmen, als | |
wir für das Programm brauchen. | |
Welche Möglichkeiten sehen Sie für eine linke Regierung unter dem Diktat | |
der Eurogruppe? | |
Es gibt einen Dogmatismus in der Eurogruppe, die die Bedürfnisse der | |
Griechen ignoriert und damit die Suche nach Alternativen. So geht es auch | |
anderen Ländern. Wir machen das, was wir unterschrieben haben. Aber auch | |
die Eurogruppe muss sich nach den Bedürfnissen der Griechen richten. Wenn | |
sie dogmatisch an dem Vertrag kleben und uns nicht ermöglichen, das | |
Vertragsziel auch anders zu erreichen, dann werden wir Schwierigkeiten | |
miteinander haben. Wenn wir sehen, dass eine Maßnahme für die Griechen | |
starke negative Auswirkungen hat, müssen wir mit den Partnern alternative | |
Lösungen suchen. Wichtig ist: Wir halten uns an die Vertragsziele, wollen | |
aber die Möglichkeit, noch einmal über den Weg dorthin zu diskutieren. Wenn | |
wir das haben, bin ich sicher, dass Europa mit den Linken klarkommt. | |
Ein Beispiel? | |
Die Eurogruppe wollte, dass wir die Mehrwertsteuer erhöhen. Eigentlich sind | |
wir dagegen, weil die Anhebung der Mehrwertsteuer alle belastet, auch die | |
Armen. Stattdessen wollen wir dafür sorgen, mehr Steuern einzutreiben. In | |
Griechenland gehen jährlich 14 Milliarden Euro durch Schwarzgeld verloren. | |
Deshalb wollten wir von der Eurogruppe technische Hilfe, um diese Steuern | |
einzunehmen. Wir brauchen besseres Know-how. Und wenn wir es schaffen, | |
dieses Geld einzutreiben, sollte die Eurogruppe uns auch die Chance geben, | |
die Mehrwertsteuer wieder zu senken. | |
Welche Folgen hat es, dass sich der linke Syriza-Flügel abgespalten hat? | |
Es ist eine negative Entwicklung für unsere Partei. Aber es könnte auch | |
eine Chance sein, Syriza zu stabilisieren, mit klaren Prinzipien, Regeln | |
und Verpflichtungen. Wir bleiben eine radikale Linke, selbstverständlich. | |
Können Sie sich eine Zusammenarbeit mit Ihren Ex-Parteimitgliedern | |
vorstellen? | |
Sie haben ein anderes Programm, andere Ziele und wollen den Euro verlassen. | |
Daher kann ich mir eine Zusammenarbeit schwer vorstellen. | |
17 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Nicola von Hollander | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Griechenland | |
Euro | |
Syriza | |
Wahlen | |
Tsipras | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Syriza | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Griechenland | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Syriza-Politiker über Europas Linke: „Der einzige Kommunist im Dorf“ | |
Giorgos Chondros vom Syriza-Zentralkomitee über Podemos, neoliberale | |
Chancen und die Lehren aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres. | |
Griechenland vor der Wahl: Die Wahl der Qual | |
Ob Tsipras die Wahl gewinnt, ist noch unklar. Klar ist dagegen die lange | |
Liste von Aufgaben, denen sich der Wahlgewinner sofort stellen muss. | |
Griechenland vor der Parlamentswahl: Griechischer Blues | |
Am Sonntag wird zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Parlament gewählt. Die | |
Syriza-Begeisterung ist verflogen. Profitieren könnten die Rechten. | |
Die Linke und die Griechenlandwahl: Die Hoffnung stirbt zuerst | |
Die Linke verzichtet auf eine Feier anlässlich der Griechenland-Wahl. Sie | |
ist gespalten, auf wen sie setzen soll. | |
Vor der Parlamentswahl in Griechenland: Ein Rennen mit vielen Rätseln | |
Droht am Ende eher eine Große Koalition als ein linker Durchmarsch? Bei der | |
Parlamentswahl am Sonntag sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. | |
Vor der Wahl in Griechenland: Duell mit ungewissem Ausgang | |
In einem Fernsehduell geben sich Syriza-Chef Tsipras und der Konservative | |
Evangelos Meimarakis unversöhnlich. In Umfrage liegen beide gleichauf. | |
Debatte im griechischen Fernsehen: Ein paar Worte vor dem Duell | |
Vor der vorgezogenen Parlamentswahl redeten Premier Tsipras und sein | |
Herausforderer Meimarakis über die drängendsten Probleme. Bald folgt das | |
Duell. | |
Debatte Ökonomie in Griechenland: Notgedrungene Solidarität | |
Die griechische Krise fördert das Entstehen von selbst verwalteten Räume | |
und Inseln ohne Geldwirtschaft. Aber das ist nicht genug. | |
Griechenland vor der Wahl: Die neue Unübersichtlichkeit | |
In knapp drei Wochen wird ein neues Parlament gewählt. Trotz Abspaltung | |
ihres Pro-Grexit-Flügels liegt Syriza in den Umfragen knapp vorn. |