# taz.de -- Gewalt beim RAW-Gelände: Unterwegs mit der Partypolizei | |
> Auf die brutalen Überfälle auf dem RAW-Gelände reagiert die Polizei am | |
> vergangenen Wochenende mit einem Großeinsatz. Ein nächtlicher Streifzug. | |
Bild: Polizisten patrouillieren ums RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain. | |
Freitag, RAW-Gelände, kurz vor Mitternacht. Partyhungrige strömen über die | |
Warschauer Brücke auf das Areal, es riecht nach Döner, Bier, Marihuana und | |
Urin. Doch etwas ist anders als sonst. An den Eingängen zum Gelände stehen | |
Mannschaftswägen der Polizei, auch auf dem Gelände sind die Uniformen nicht | |
zu übersehen. An diesem Wochenende steht die Feiermeile unter | |
Polizeischutz. 120 Beamte sind laut Polizeiangaben in der Nacht von Freitag | |
auf Samstag am RAW-Gelände im Einsatz. In der Nacht darauf sind es noch | |
einmal rund 100 Einsatzkräfte, die drei Taschendiebe festnehmen, acht | |
Platzverweise aussprechen und neun Personen vorläufig festnehmen, | |
vorwiegend wegen Drogenhandels und –besitz. | |
Der Grund für den Großeinsatz: Das Nachtleben rund um das RAW-Gelände wird | |
immer krimineller. Einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten | |
Polizeistatistik zufolge nahmen Drogenhandel und Gewalt in den vergangenen | |
zweieinhalb Jahren stark zu. Von Januar bis Juli 2015 wurden 70 Fälle von | |
Körperverletzung registriert, elf mehr als im gleichen Zeitraum des | |
Vorjahres. Allein in diesem Jahr gab es 286 Sondereinsätze. | |
## Entschlossen handeln | |
Jetzt aber will man offensichtlich noch entschlossener handeln. Anlass sind | |
die beiden brutalen Überfälle des vorvergangenen Wochenendes. In der Nacht | |
von Samstag auf Sonntag hatten sich zwei Niederländer gegen einen | |
Taschendieb gewehrt und waren darauf von 15 heraneilenden Komplizen | |
verprügelt worden. Nur wenig später wurde ein 26-Jähriger Berliner | |
überfallen und mit einem spitzen Gegenstand schwer am Hals verletzt (taz | |
berichtete). | |
Die Sängerin Jennifer Weist, die das Opfer in dieser Nacht begleitet hatte, | |
postete ein Foto der genähten Wunde auf Facebook. Fast 70.000 mal wurde der | |
Beitrag geteilt. Er löste eine Debatte über die Sicherheit des Areals aus. | |
Anwohner klagten über „unbeschreibliche Zustände“. Die Kurth-Gruppe, | |
Inhaber eines großen Teils des RAW-Geländes, kündigte an, das Areal besser | |
ausleuchten und die Büsche dort kürzen zu wollen und ein neues | |
Sicherheitskonzept auszuarbeiten. | |
Auch der Ruf nach mehr Polizeipräsenz wurde laut – und erhört. Innensenator | |
Frank Henkel (CDU) kündigte zuletzt an, das Gelände intensiv im Blick zu | |
behalten. Am Dienstag veröffentlichte die Polizei zudem Sicherheitstipps | |
für Besucherinnen und Besucher. Am Mittwoch führte sie mit 65 Beamten eine | |
Razzia auf dem Gelände durch und erfasste elf Personen wegen Verstößen | |
gegen das Betäubungsmittelgesetz. | |
Am Freitagabend schließlich rückt die Polizei mit fast doppelt so viel | |
Personal an. In voller Montur kontrolliert sie Verdächtige, erteilt | |
Platzverweise, stellt Drogen sicher. Die Einsatzkräfte sind nicht zu | |
übersehen – patrouillieren zu Fuß oder mit dem Mannschaftswagen. Ein | |
Präventionsteam versucht indes mit den Besuchern in Kontakt zu treten, um | |
sie über Risiken aufzuklären. „Wir wollen Präsenz zeigen“, sagt eine | |
Beamtin. | |
## Polizei gibt Sicherheit | |
Manche Besucher finden das richtig. Fast alle haben von den Überfällen | |
mitbekommen. Der Facebook-Post von Jennifer Weist, das Bild von der | |
Halswunde, es steckt in den Köpfen. „Jetzt habe ich ein mulmiges Gefühl, | |
wenn ich über das Gelände gehe“, sagt Mandy, eine 36-Jährige Berlinerin, | |
die eben aus dem Freiluftkino im Cassiopeia kommt. Die Polizei gebe ihr | |
Sicherheit. | |
Andere halten den Großeinsatz für übertrieben. „Rund um das Gelände | |
patrouillieren Einsatzkräfte. Gewalt im Berliner Nachtleben ist doch nichts | |
Neues“, sagt die 21-jährige Lea. Und Chris, der seit fünf Jahren in einem | |
Club auf dem Areal arbeitet, sieht das ähnlich. Zwar habe sich die | |
Situation hier über die Jahre verschlimmert, einige seiner Arbeitskollegen | |
seien überfallen worden. „Aber als das noch nicht durch die Presse ging, | |
wurde darum kein Aufhebens gemacht“, sagt er. Sein Freund, der neben ihm | |
vor dem Club sitzt, fügt hinzu: „Da musste natürlich erst der Freund eines | |
Promis beinahe aufgeschlitzt werden, damit man was tut.“ Auch andere | |
Besucher halten den Einsatz für Aktionismus. Wie lange dieser noch andauern | |
soll, konnte die Polizei am Wochenende nicht sagen. | |
23 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Matthias Bolsinger | |
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