# taz.de -- Kürzungswelle bei der BBC: Die alte Tante muss abspecken | |
> Wegen der Tory-Regierung muss die britische Radioanstalt BBC wohl bis zu | |
> 15 Prozent schrumpfen. Ihr Staatsvertrag läuft 2016 aus. | |
Bild: Bei der BBC wird umgebaut. Besser wird die Rundfunkanstalt dadurch wohl n… | |
Nic Newman kennt die BBC aus der Innen- und aus der Außensicht. Newman hat | |
einst die Onlinestrategie der britischen Rundfunkanstalt mit entworfen. Am | |
Erfolg des Senders im Netz war er damit maßgeblich beteiligt. Heute berät | |
er allerdings für das Reuters Institute Verlage und Sender, darunter auch | |
die BBC. | |
Die tut ihm inzwischen regelrecht leid. Denn die BBC müsse schon seit | |
Jahren immer mehr leisten, bekomme gleichzeitig aber immer weniger Geld. | |
Und nun stehe schon die nächste, vielleicht sogar eine massive | |
Kürzungswelle an. | |
„Die BBC wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich um 10, vielleicht 15 | |
Prozent schrumpfen müssen“, erklärt Newman. „Das wäre so viel, wie ihr | |
gesamtes Radioangebot kostet oder all ihre Internetportale zusammen.“ | |
Natürlich werde die BBC keinen ganzen Bereich komplett dichtmachen. „Aber“, | |
sagt Newman, es wäre dennoch ein schwerer Schlag. | |
Dass sich etwas ändern wird, ist klar: Ende 2016 läuft – planmäßig nach | |
zehn Jahren – die Grundlage der BBC aus, die sogenannte Royal Charter – | |
vergleichbar etwa mit dem deutschen Rundfunkstaatsvertrag. Die Politik | |
diskutiert deshalb schon jetzt die Zukunft der BBC. Das Problem für den | |
Sender: Bei den jüngsten Wahlen haben recht überraschend die Tories, die | |
Konservativen, auf der Insel gesiegt. | |
## Problemfall Tories | |
Vielen Tories ist die BBC lästig – der Sender geht für ihren Geschmack zu | |
kritisch mit ihnen um. Dazu kommt: Die Konservativen wollen kostenfreie | |
Bildung zurückfahren. Da passt auch ein opulenter TV- und Radioapparat | |
nicht ins Bild, den die Gesellschaft gemeinsam bezahlt. Es ist längst von | |
einer „Kriegserklärung“ die Rede. | |
Eine erste Entscheidung weist bereits die künftige Richtung: Um die Älteren | |
in der Gesellschaft nicht zu sehr zu belasten, sind Menschen, die über 75 | |
Jahre alt sind, pauschal von der Rundfunkgebühr befreit. Die Differenz wird | |
der BBC aber bisher aus der Steuerkasse erstattet – gut 600 Millionen Pfund | |
(820 Millionen Euro) allein in den vergangenen zwei Jahren. Mit dieser | |
Ausgleichszahlung ist nun Schluss. | |
Die BBC-Offiziellen sprechen hingegen von einem „starken Deal“: Die | |
Umstellung erfolge stufenweise, am Ende könne die BBC über Befreiungen | |
entscheiden und erhalte im Gegenzug nach etlichen Jahren auch wieder einen | |
Inflationsausgleich für die Gebühren. Die liegen derzeit bei 145,50 Pfund | |
im Jahr pro Haushalt, also bei knapp 200 Euro – minimal unter dem deutschen | |
Rundfunkbeitrag. Allein: Kritiker wie Pierre Vicary sagen, das sei „kein | |
sauberer Deal – wir verlieren deutlich mehr, als wir bekommen.“ | |
Vicary war Korrespondent der BBC in den USA und auf dem Balkan. Heute | |
arbeitet er im neuen gigantischen Newsroom der Zentrale und ist Funktionär | |
der Gewerkschaft NUJ. Vicary spricht von Krisenstimmung: „Die meisten | |
Konservativen, die jetzt an der Macht sind, sind alles andere als Freude | |
der BBC.“ Die Belegschaft werde kämpfen und sich notfalls auch gezielt mit | |
Streiks Aufmerksamkeit verschaffen müssen. | |
Die Senderspitze gibt sich wiederum diplomatisch. Helen Keefe etwa, die | |
Leiterin der BBC-Abteilung Internationale Politik, will im Gespräch mit der | |
taz lieber nicht in einem Freund-Feind-Schema denken. „Die Verhandlungen | |
mit der Regierung sind hart – aber das war schon immer so“, sagt Keefe. Die | |
Diskussionen stünden zudem doch noch ganz am Anfang. „Wir hoffen, dass am | |
Ende eine stärkere und bessere BBC herauskommt.“ | |
Dabei ist die BBC schon in den vergangenen Jahren kleiner geworden. Das | |
liegt nicht zuletzt an einer schleichenden Entwertung der Gebühr. So wie | |
die Deutsche Welle steuer- und nicht beitragsfinanziert ist, hatte auch die | |
britische Regierung den BBC World Service bisher bezahlt. | |
## Kostenfaktor Internet | |
Inzwischen muss die BBC ihn – wo es geht – mit Werbung und Lizenzen an | |
andere Sender refinanzieren. Die restlichen Betriebskosten muss die BBC aus | |
der „Licence Fee“ nehmen. Genauso lief es auch mit dem BBC-Kanal für Wales. | |
Dazu kommt auch noch das Internet. Keefe berichtet, dass es die BBC etwa | |
150 Millionen Pfund (205 Millionen Euro) koste, alle Angebote im Digitalen | |
auf Abruf zur Verfügung zu stellen. „An die zeitversetzte Nutzung im | |
Internet hat nun wirklich niemand gedacht, als vor neun Jahren der letzte | |
Vertrag gemacht wurde“, sagt Keefe. | |
Die BBC müsse das Geld dafür nun aber irgendwo hernehmen. „Und unser Chef, | |
Tony Hall, hat entschieden: 50 Millionen Pfund müssen wir operativ | |
einsparen“, sagt sie – und meint damit: Das fehlt dem Programm. | |
Keefe erklärt außerdem: Die BBC zahlt vielen Moderatoren und Gästen von | |
Sendungen heute weniger als früher. „Wir haben außerdem weniger Manager in | |
der zweiten und dritten Reihe – und die, die geblieben sind, verdienen auch | |
weniger“, sagt die Hauslobbyistin der Anstalt. Die BBC sei zudem | |
„zusammengerückt“ und habe ganze Standorte aufgegeben. „Aber“, sagt si… | |
„das alles sind einmalige Einsparungen. Alles Weitere geht nur über das | |
Angebot.“ | |
Ihr Angebot hat die BBC bereits beschnitten. Gänzlich aus dem Programm | |
genommen haben die Verantwortlichen etwa „Inside Out London“, ein | |
investigatives Magazin für die Hauptstadt. Das hatte nicht zuletzt das | |
marode britische Gesundheitssystem NHS konsequent unter die Lupe genommen. | |
Außerdem wurde bereits beschlossen, dass der Innovations- und Jugendkanal | |
BBC abgeschaltet wird. Er soll dann nur noch im Netz existieren. | |
## Lösungsidee Privatisierung | |
Tatsächlich könnte die BBC relativ einfach Geld sparen, indem sie weitere | |
Angebote vom teuren linearen Fernsehen ins günstigere Digitale verschiebt. | |
Für den Nachrichtensender BBC News ist das bereits jetzt ein nächster | |
Schritt in der Überlegung. „Dann bekommt die BBC aber ein ganz anderes | |
Problem“, sagt Berater Newman. „Die Verlage würden sich darüber sicher | |
nicht freuen, wenn die BBC im Internet noch mehr macht.“ | |
Auch die Teilprivatisierung der BBC ist im Gespräch. Einiges aus dem | |
Angebot wäre sofort hoch rentabel, etwa das nationale Radio 1, das bei | |
jüngeren Hörern überaus beliebt ist. | |
Das wäre sicherlich etwas für den Medienmogul Rupert Murdoch, der Zeitungen | |
wie die Sun und die Times und mit Sky auch den größten Bezahlsender der | |
Insel betreibt. „Dann würde aber das Modell BBC richtig schwanken“, schät… | |
Newman. „Das eine muss das andere stützen.“ | |
Der Ex-BBC-Mann sagt dann aber auch, dass von seiner einstigen Anstalt auch | |
nach einer ordentlichen Schrumpfkur gewiss noch viel übrigbleiben würde: | |
„Selbst wenn der BBC tatsächlich 10 Prozent weggenommen werden, bleibt sie | |
– verglichen mit anderen Medienhäusern in Europa – in einer vergleichsweise | |
komfortablen Position.“ | |
11 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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