# taz.de -- Drogenpolitik in Uruguay: Noch blüht da nicht viel | |
> Der Marihuana-Anbau in Uruguay wird legalisiert und unter staatliche | |
> Kontrolle gestellt. Aber alles geht ganz langsam. | |
Bild: Unterricht im Cannabis-Samen-Setzen: In einem Privathaus in Montevideo 20… | |
Montevideo taz | „Wir verkaufen kein Marihuana und wissen auch nicht, wo | |
man es bekommt“ steht auf dem Hinweisschild im UruGrow, Montevideos erstem | |
Laden für den Anbau von Cannabis. Zusammen mit zwei Freunden hat Juan | |
Varela ihn Anfang 2014 eröffnet. Hier gibt es alles, was man zur Aufzucht | |
und zur Pflege der Pflanze braucht – außer, so versichert der Besitzer, | |
Cannabissamen und -pflänzchen. | |
Das Lokal liegt in der Nähe der Universität. „Purer Zufall“, meint der | |
26-jährige Varela, ein ehemaliger Politikstudent. Inzwischen gebe es in | |
Uruguay schon etwa 20 Läden wie seiner, sagt er. | |
Die damalige Regierung unter Präsident José Mujica begründete die | |
Legalisierung des Marihuana-Anbaus im April 2014 damit, dass die bisherigen | |
Verbote nicht funktionierten. Kern der neuen Vorschriften ist es, die | |
Kontrolle über Import, Export, Anbau, Ernte, Produktion, Vermarktung und | |
Vertrieb von Marihuana in die Hände des Staates zu legen. Privater Anbau, | |
Ernte und Verarbeitung sind nur mit staatlicher Genehmigung erlaubt. | |
Wer Marihuana legal bekommen will, dem erlaubt das Gesetz die Wahl zwischen | |
drei Varianten: Eigenanbau, Mitgliedschaft in einem Cannabisclub oder die | |
Registrierung als Konsument, um staatlich angebautes Marihuana in der | |
Apotheke zu kaufen. Wer registriert ist, darf wöchentlich 10 Gramm kaufen. | |
## Wer registriert ist, darf bis zu 6 weibliche Pflanzen haben | |
Bisher haben sich knapp 2.600 Personen als Eigenanbauer registrieren | |
lassen, die je bis zu sechs weibliche Pflanzen haben dürfen. | |
Drei Clubs mit bis zu 45 erlaubten Mitgliedern sind zugelassen, 16 weitere | |
sind im Anmeldeverfahren. Clubs dürfen im größeren Stil für ihre Mitglieder | |
gemeinsam anbauen, bis zu 99 Pflanzen dürfen es sein. | |
Nach Schätzungen des Observatorio de Uruguay de Drogas kontrolliert der | |
Staat damit 40 Prozent des Marktes. | |
Ob sich die absolute Zahl der Eigenanbauer tatsächlich erhöht, kann Varela | |
nicht einschätzen. Die Anzahl der Legalisierten ist auf jeden Fall | |
steigend. Registrierte Konsumenten gibt es noch keine. Wer nur konsumiert, | |
ist noch immer gezwungen, auf dem illegalen Markt qualitativ fragwürdige | |
Importware aus Paraguay zu kaufen. | |
## Der neue Präsident war nicht gerade begeistert | |
Grund: Bisher findet der geplante staatliche Verkauf über die Apotheken | |
noch nicht statt, auch die staatlich lizenzierte Cannabisproduktion ist | |
noch nicht angelaufen. | |
Carlos Mangera, ein 45-jähriger Tischler, wollte sich eigentlich als | |
Konsument eintragen lassen und seinen Bedarf über den Apothekenverkauf | |
decken. Jetzt fürchtet er, dass nichts draus werden könnte: Seit der neue | |
Präsident im März ins Amt kam, geht alles sehr schleppend voran. | |
Im Wahlkampf hatte Tabaré Vázquez durchblicken lassen, dass er nicht gerade | |
ein Freund des Gesetzes sei, das unter seinem Amtsvorgänger beschlossen | |
wurde. Doch Uruguay bereitet sich weiter auf die neuen Zeiten vor – nicht | |
nur, was den Verkauf von Cannabis für den Eigenkonsum angeht, sondern auch, | |
was die Nutzung zu Forschungs- und medizinischen Zwecken betrifft. | |
Noch kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt hatte Mujica im | |
Februar ein Dekret zur Regulierung der medizinischen Anwendung und | |
Forschung von Cannabis unterzeichnet. | |
## Die Mediziner wissen noch zu wenig über Cannabis | |
Bislang werde das Thema Cannabis „an den medizinischen Fachbereichen nicht | |
unterrichtet“, beklagt die Internistin Julia Galcerano. Kein Mediziner sei | |
dafür vorbereitet. | |
Die Spezialistin für Aids und Drogen sitzt als Vertreterin der | |
Medizinergewerkschaft in der Junta Nacional de Drogas. Noch gebe es nur | |
wenige wissenschaftliche Studien, die die positive medizinische Wirkung von | |
Cannabis aufzeigen. | |
Zusammen mit der medizinischen Fakultät hat die Gewerkschaft ein | |
Kursangebot erarbeitet. „Es vor geht allem um die Funktionsweise der | |
Cannabinoide. Wie lassen sich Cannabinoide messen, wie kontrolliert | |
einsetzen, und bei welchen Krankheiten nützen sie?“ | |
Im September soll es losgehen. Für 120 Personen ist der Kurs ausgelegt, | |
bisher haben sich allerdings nur 20 angemeldet. „Das ist nicht wenig“, | |
zeigt sich Galcerano dennoch zufrieden. Ärzte führen lieber auf gesponserte | |
Kongresse, als die Schulbank zu drücken und dies aus der eigenen Tasche zu | |
bezahlen, so ihre Erklärung. Deshalb sei die Gewerkschaft auch gerade | |
dabei, Stipendien für einige Teilnehmer zu gewähren. | |
## Bislang steckt noch vieles in der Grauzone | |
Carlos Mangera hat sich bei UruGrow für die sechs größeren Töpfe | |
entschieden, das entsprechende Anbauzelt ausgewählt und studiert jetzt ein | |
Hochglanzprospekt. Darin bietet eine holländische Firma ihre Cannabis-Samen | |
an. Der Verkauf von Samen ist in Uruguay nicht ausdrücklich verboten, er | |
ist bisher nicht reglementiert. | |
Bis jetzt gibt es keine staatlichen Normen für Import, Herstellung, | |
Aufbewahrung oder gar den Verkauf. Alles bleibt in einer Grauzone. Das | |
Gleiche gilt für Pflanzen, die keine Blüte haben. „Es wäre nicht strafbar | |
sie zu verkaufen, aber es gibt auch dazu keine Bestimmungen“, sagt Varela. | |
Der Verkauf von Blüten ist verboten. Aber es wäre kein Problem, Samen zu | |
bekommen. | |
Das nationale Sameninstitut arbeitet an der Reglementierung. Der Staat wird | |
nicht als Samenproduzent auftreten, auch hier werden private Hersteller zu | |
finden sein. Offen bleibt, ob die Grauzone für Läden wie UruGrow | |
verschwindet. | |
## Wer bekommt die begehrten Lizenzen für den Anbau? | |
Das Auswahlverfahren für die Firmen, die mit staatlicher Lizenz die | |
veranschlagten sechs Tonnen Cannabis pro Jahr anbauen und produzieren | |
sollen, ist noch nicht abgeschlossen. Elf Firmen haben sich für den Anbau | |
beworben. Wer sich beteiligt hat, bleibt ein streng gehütetes Geheimnis. | |
Zwei oder drei Unternehmen werden am Ende den Zuschlag erhalten. | |
Die Entscheidung soll in Kürze gefällt werden. Einmal zugelassen, werden | |
die Gewächshäuser aufgestellt. Dann soll es noch 30 Tage dauern, bis die | |
ersten Pflänzchen sprießen. | |
30 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Uruguay | |
Cannabis | |
Legalisierung Marihuana | |
Recherchefonds Ausland | |
Chile | |
Uruguay | |
Cannabis | |
Heilpraktiker | |
Uruguay | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Drogenchecks in Chile: Joints mit Folgen | |
Abgeordnete in Chile werden künftig regelmäßig auf Drogen getestet. Sollte | |
eine Haarprobe positiv sein, drohen unangenehme Folgen. | |
Cannabis-Politik in Uruguay: Bis zu zehn Tonnen pro Jahr | |
Uruguay hat den Anbau und Verkauf von Cannabis legalisiert. Nun gibt es | |
erste Zahlen zur Menge des heimischen Konsums. | |
Legalisierung von Cannabis in Uruguay: Der Staat kann endlich Dealer werden | |
Nun also doch: Die letzte Hürde für den staatlich kontrollierten Verkauf | |
von Marihuana in Uruguay ist genommen. | |
Großeinsatz in Tagungszentrum: Heilpraktiker_innen im Drogenrausch | |
Dutzende Menschen taumelten im Drogenrausch über eine Wiese. Im | |
beschaulichen Handeloh ging ein Selbstversuch von Heilpraktiker_innen | |
schief. | |
Psychologe über Drogenpolitik in Urugay: „Das sind keine Karamellbonbons“ | |
Mit dem Strafrecht lässt sich Drogenhandel nicht wirksam regulieren. Das | |
zumindest glaubt Milton Romani vom urugayischen Drogenausschuss. |