# taz.de -- TV-Doku über Wolfgang Schäuble: Dr. Frankenstein | |
> Ein halbes Jahr hat Autor Stefan Lamby Wolfgang Schäuble begleitet. | |
> Herausgekommen ist das Porträt eines politischen Dieners. | |
Bild: Nicht immer pflegeleicht, aber stets loyal: Finanzminister Wolfgang Schä… | |
Im April fliegt Wolfgang Schäuble dienstlich in die USA. Im Flugzeug fragt | |
ihn Reporter Stefan Lamby, worauf er sich besonders freue. Schäuble zögert | |
keine Sekunde. „Auf den Rückflug.“ Er lacht, kneift die Augen zusammen. | |
„Nein, wirklich. Es ist sehr anstrengend.“ Es ist die Szene, in der der | |
Bundesfinanzminister besonders menschlich und ehrlich erscheint. | |
Ein halbes Jahr hat Autor Stefan Lamby Schäuble begleitet. Der Film war | |
lange verabredet. Dass die Dreharbeiten mit der jüngsten Griechenland-Krise | |
zusammenfielen, Reporterglück. | |
„Schäuble. Macht und Ohnmacht“ (Montag, 21.45 Uhr, ARD) beginnt Anfang des | |
Jahres, kurz nach der Wahl von Alexis Tsipras zum griechischen | |
Ministerpräsidenten, und endet im Juli, kurz nachdem klar ist, das | |
Griechenland im Euro bleibt. | |
Lamby fokussiert den Film ganz auf den Zweikampf zwischen den beiden | |
Männern, die die Krise maßgeblich bestritten haben. Schäuble und den | |
damaligen griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis. | |
„Ich habe ihn gefragt, ob er ein Mandat von der Kanzlerin habe für seinen | |
Grexit-Plan.“, erzählt Varoufakis. Er habe keines, weshalb alle | |
Diskussionen rein theoretisch seien. „Es ist ein anderer Maßstab von | |
Seriosität als der meine und deshalb will ich die Diskussion mit ihm nicht | |
öffentlich fortführen“, kontert Schäuble. | |
„Ich habe ihm gesagt, wenn du Griechenland amputierst, wirst du | |
Zentrifugalkräfte entfachen, zerstörerische dunkle Kräfte. Du wirst sie | |
nicht unter Kontrolle halten können. Wie Dr. Frankenstein“, sagt | |
Varoufakis. | |
„Wir waren es bisher nicht gewohnt, dass unsere vertraulichen | |
Unterhaltungen aufgezeichnet werden“, ätzt Schäuble. Seine Berater hätten | |
ihm von einer gemeinsamen Pressekonferenz abgeraten. „Ich bin ein alter, | |
etwas müder und manchmal mürrisch aussehender Mensch, da kann ich nicht mit | |
solch einem Popstar konkurrieren.“ Da ist sie wieder, die Anstrengung – und | |
die Müdigkeit. | |
## Der zweite Machtkampf | |
Filmisch ist das solide. Die Kamera ist nah dran an Schäuble, unterstreicht | |
die dramatischen Monate mit dramatischer Hintergrundmusik und bietet einige | |
gewitzte Einstellungen. Etwa, wenn Schäubles Wagen in New York neben einem | |
Plakat der US-Politserie „House of Cards“ parkt. Pflichtbewusst arbeitet | |
der Film auch das gesamte politische Leben von Schäuble ab. | |
Der zweite Machtkampf, den der Film beschreibt, ist der zwischen Schäuble | |
und Kohl. Eine Beziehung, die innig begonnen hatte und im Zuge der | |
Spendenaffäre (“eine Intrige mit kriminellen Zügen“) zur Jahrtausendwende | |
zerbrach. Schäuble liefert Lamby gar einen Satz, der die Spendenaffäre um | |
Waffenlobbyist Karl-Heinz Schreiber in einen neues Licht rückt. Nach der | |
Spendenaffäre tritt Schäuble als Parteichef ab, Merkel wird Nachfolgerin. | |
Später schlägt sie ihn nicht als Bundespräsidenten vor – eine Kränkung �… | |
holt ihn aber erst als Minister ins Kabinett. Er wird unverzichtbar, das | |
zeigt sich, als Schäuble 2010 schwer erkrankt und seinen Rücktritt | |
anbietet. Merkel ruft seine Ehefrau an und sagt, sie soll ihm diesen | |
Quatsch ausreden. „Ich fand das bestärkend“, sagt Schäuble heute. Dennoch. | |
Er siezt Merkel bis heute – und duzt Varoufakis. | |
## Er ist angeschlagen | |
Aus der Griechenland-Krise geht er angeschlagen hervor. Erstmals spricht | |
Schäuble über Rücktrittsgedanken (“Man ist nicht gegen seinen Willen | |
gezwungen, Minister zu sein“) und trägt die Entscheidung, Griechenland im | |
Euro zu halten, dennoch mit. | |
Lamby zeichnet das Bild eines politischen Dieners. Schäuble, immer im | |
Dienst für andere. Für Kohl, für die Partei, für die Kanzlerin, für Europa. | |
Nicht immer pflegeleicht, aber stets loyal. Aber mehr als vier Jahrzehnte | |
in der Politik haben Spuren hinterlassen. | |
20 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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