# taz.de -- Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ... | |
> ... wird auch im neuen Positionspapier der CDU nicht als Mitglied einer | |
> relevanten Zielgruppe gesehen. Das Wegschauen hat Tradition in der | |
> Partei. | |
Bild: Marianne Rosenberg begeht am 10. März ihren 66. Geburtstag | |
… hat in der Zukunft der CDU nichts verloren. Im aktuellen Positionspapier | |
„Meine CDU 2017“ sind die Zielgruppen benannt, um die man sich verstärkt | |
kümmern will: Frauen, junge Menschen und solche mit Migrationshintergrund. | |
Schließlich muss sich die Partei modernisieren, will sie den | |
Mitgliederschwund stoppen und wieder Fuß fassen in den Großstädten. Lesben | |
und Schwule kommen in diesem Szenario nicht vor. | |
Die Hasenfüßigkeit der Partei hat Geschichte. Als der Schweizer | |
Schauspieler und Schriftsteller Alexander Ziegler, seinerzeit Chefredakteur | |
des Schwulenmagazins du&ich, im Juli 1975 bei der CDU nachfragte, wie sie | |
es denn mit Homosexuellen in der Partei halte, antwortete der damalige | |
Parteichef Helmut Kohl: „Ich kann Ihnen versichern, daß kein Politiker der | |
CDU aufgrund seiner privaten Neigungen diskriminiert oder benachteiligt | |
wird.“ Die freundliche Absichtserklärung musste sich freilich nicht | |
beweisen, es dauerte noch mehr als zwanzig Jahre, bis erstmals ein CDU-Mann | |
öffentlich über sein Sosein sprach, und eine effektive Homo-Politik der | |
Partei ist bis heute nicht bekannt. | |
Ziegler hatte sich nicht ohne Grund mit seiner kecken Frage an die CDU | |
gewandt: In seinem kurz zuvor veröffentlichten Roman „Die Konsequenz“ kam | |
auch ein gewisser Clemens Krauthagen vor, Abgeordneter der CDU, verheiratet | |
und stockschwul. Daraufhin wandte sich ein wirklicher Abgeordneter an | |
Ziegler und beklagte sich darüber, dass er in dem Buch nur unzureichend | |
verschlüsselt und leicht identifizierbar sei. „Der Skandal, der daraus | |
unweigerlich entstehen dürfte, muss verhindert werden, vor allem meiner | |
Gattin und der Partei wegen“, schrieb alias Krauthagen an Ziegler und | |
forderte ihn auf, die Erstauflage zu vernichten, er käme für die Kosten | |
auf. Weiterhin sei er bereit, 50.000 Mark zu zahlen, wenn Ziegler bei einer | |
Neuauflage auf die ihn betreffenden Stellen ganz verzichten würde. Ein | |
ziemlicher Batzen Bares für ein bisschen guten Ruf. | |
Ziegler verzichtete, machte den ganzen Vorgang öffentlich und ließ den | |
anonymen Abgeordneten in seinem Magazin ausführlich zu Wort kommen. „Ich | |
bin niemandem gegenüber verpflichtet, Rechenschaft über mein Privatleben | |
abzulegen“, gab der zu Protokoll, versicherte aber: „Herr Kohl hat bestimmt | |
nichts gegen Homosexuelle […]und auch der Großteil meiner Parteifreunde | |
kennt gegenüber dem Homophilen keine Vorurteile.“ Und außerdem: „Jeder | |
Mensch, auch der Homosexuelle, kann, wenn er sich ehrlich darum bemüht, auf | |
seine Weise glücklich werden.“ | |
Die Mainstream-Medien wurden auf Krauthagen aufmerksam, der Stern enthüllte | |
ihn als ehrenwerten Hamburger Bürger, ohne seinen Namen zu nennen. Auch die | |
Bild-Zeitung enttarnte ihn nicht, weil es sich bei ihm um einen Mann „aus | |
dem eigenen Lager“ handele, wie Ziegler mutmaßte. Seitdem konnten noch | |
viele CDU’ler auf diese Weise glücklich werden: im Versteck und gesichts- | |
und namenlos. Selbst die aufgehübschte Partei will es künftig weiterhin so | |
und nicht anders. | |
25 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Elmar Kraushaar | |
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