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# taz.de -- Peking vor der Leichtathlatik-WM: „WM? Was für eine WM?“
> Am Samstag beginnt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking. Das
> Interesse in China an dem Sportereignis ist jedoch gering.
Bild: Ob diese Tribüne im Vogelnest ab Samstag noch voller wird?
Peking taz | An sämtlichen Brückenpfeilern und Laternenmasten weisen
riesige Plakate oder Banner auf das bevorstehende sportliche Großereignis
hin. Zudem hat die Pekinger Stadtverwaltung überall Kübel mit frisch
gepflanzten Blumen aufgestellt.
Zumindest nach außen hin haben die Organisatoren sämtliche Register
gezogen, um für die zehntägige Leichtathletik-Weltmeisterschaften zu
werben. Doch fragt man auf der Straße die Pekinger Bevölkerung, ist das
Interesse eher gering.
„WM? Was für eine WM?“, entgegnet völlig überrascht ein Passant in Pekin…
beliebtem Vergnügungsviertel Sanlitun auf die Frage, ob er Vorfreude
empfinde. Er habe gar nicht gewusst, dass Peking der Austragungsort sei.
„Leichtathletik ist doch langweilig“, antwortet ein 19-jähriger Student. Er
hätte es lieber gehabt, dass in Peking ein paar mehr Fußballspiele von
internationalem Rang stattfinden. Das sei spannender.
Eine junge Frau beklagt sich indes über das verhängte Fahrverbot. Denn um
Pekings hohe Smogwerte zu senken, dürfen die Pekinger an den zehn WM-Tagen
nur jeden zweiten Tag fahren.
## Kein nationaler Star, kein Interesse
Für viele ist die WM daher bislang mehr ein Ärgernis als etwas, worauf sie
sich freuen. Und das hat auch einen sportlichen Grund. „Uns fehlt ein Liu
Xiang“, kommentiert ein Blogger auf Weibo, dem chinesischen
Twitter-Pendant. Als erster chinesischer Leichtathlet hatte Liu Xiang 2004
bei den Olympischen Spielen in Athen für die Volksrepublik Gold geholt und
das in Weltrekordzeit. Zwei Jahre später in Lausanne verbesserte er ihn,
2007 wurde er Weltmeister. Kein anderer chinesischer Sportler brachte es
zum Weltmeister, Olympiasieger und Weltrekordler zugleich.
Doch ausgerechnet bei Olympia 2008 in Peking musste er im Vorlauf wegen
einer Achillessehnenentzündung kurz nach dem Startschuss abbrechen. Am
nächsten Tag bei einer Pressekonferenz brach er in Tränen aus. Eine ganze
Nation weinte mit.
Wegen anhaltender Verletzungen gelangt es ihm in den Folgejahren nicht, an
seine Erfolge anzuknüpfen. Im April diesen Jahres erklärte er das Ende
seiner Karriere. Seitdem fehlt Chinas Team ein Star. „Der Stellenwert von
sportlichen Vorbildern ist nicht zu unterschätzen“, betonte der
Vizepräsident des Leichtathletik-Weltverbands (IAAF) Sergey Bubka Anfang
Juni bei einem Inspektionsbesuch in Peking. Aber mit den Hammerwerfern
Wenxiu Zhang und Zheng Wang gebe es gute Chancen auf neue Idole. Sie seien
von neuen Weltrekorden nicht weit entfernt. Immerhin stellte sich Liu Xiang
als Werbeträger für die WM zur Verfügung.
## Leeres Vogelnest
Eine Begeisterungswelle, die auch nur annähernd vergleichbar ist mit der
bei den Olympischen Spielen 2008, konnte das alles aber nicht auslösen –
und das hängt nicht mal damit zusammen, dass das Vertrauen in die
Leichtathletik nach den jüngeren Dopingenthüllungen und Ermittlungen gegen
Athletinnen und Athleten erschüttert wäre. Nein, das interessiert hier
wenige – und die Organisatoren schon gar nicht.
Noch vor einem Monat äußerte der scheidende IAAF-Präsident Lamine Diack die
Sorge, dass Pekings Olympiastadion, das berühmte Vogelnest, mit seinen rund
90.000 Sitzplätzen, bei der WM nicht ausreichend gefüllt sein könnte. Denn
für die Abendveranstaltungen waren bis vor vier Wochen nur die Hälfte der
Plätze vergeben gewesen. Und so rief Diack die Pekinger Organisatoren dazu
auf, noch kräftiger die Werbetrommel zu rühren.
Die chinesische Seite zeigte sich gelassen. Inzwischen hat sie offiziell
erklärt, dass alle Tickets für die Abende weg seien. Die staatlich
kontrollierten Medien berichteten allerdings nicht, auf welche Weise.
Zahlreiche Behörden, Universitäten und Staatsunternehmen haben kostenlos
Tickets verteilt. Um den Glanzfaktor zu erhöhen, haben auch zahlreiche
Promis Tickets erhalten. Für viel Aufsehen hat dabei ein Eintrag des
chinesischen Models Zhang Zixin beim Bloggingdienst Weibo gesorgt: Sie
wollte ihr Ticket verschenken, weil sie sich gar nicht für Leichtathletik
interessiere. Dafür erhielt sie innerhalb weniger Minuten mehr als 2.000
Likes.
21 Aug 2015
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Leichtathletik
China
Peking
Leichtathletik-WM
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Leichtathletik-WM
Doping
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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