# taz.de -- Schriftsteller Rafael Chirbes: Sterbende Hoffnungen | |
> Rafael Chirbes hatte einen kritischen bis unerbittlichen Blick auf das | |
> Spanien der Gegenwart. Nun ist er 66-jährig gestorben. | |
Bild: Eine Zeit lang verkauften sich Chirbes Bücher in Deutschland sogar besse… | |
MADRID/BERLIN dpa/taz | Nach dem Tod des Schriftstellers Rafael Chirbes, | |
der am Samstag im Alter von 66 Jahren starb, herrscht in Spanien | |
Bestürzung. „Sein Tod ist ein schwerer Schlag für die spanische Literatur�… | |
sagte sein Verleger Jorge Herralde der Zeitung El País. „Er war ein Mensch | |
von einer außergewöhnlichen moralischen Integrität.“ Die Roman-Trilogie | |
„Der lange Marsch“ (1996), „Der Fall von Madrid“ (2000) und „Alte Fre… | |
(2003) hatten Chirbes zu einer literarischen Instanz in Spanien werden | |
lassen – und darüber hinaus. Eine Zeitlang verkauften sich seine Bücher in | |
Deutschland sogar besser als in seinem Heimatland. | |
In der Trilogie befasst sich Chirbes mit der Zeit des Franco-Regimes, dem | |
Ende der Diktatur und dem Übergang zur Demokratie. Als Student hatte er | |
sich in einer linken Gruppe im Kampf gegen das Franco-Regime engagiert. Er | |
wurde festgenommen und monatelang inhaftiert. Kritisch bis unerbittlich | |
blieb sein Blick auf das Spanien der Gegenwart. Sein Roman „Krematorium“ | |
(2007) handelt vom Bauboom, der Zerstörung von Naturlandschaften und der | |
Korruption in der Zeit vor dem Platzen der „Immobilienblase“. Sein | |
darauffolgendes Werk „Am Ufer“ (2013) knüpft unmittelbar daran an und | |
schildert ein Land in Katerstimmung, in dem die Wirtschafts- und | |
Finanzkrise dem Boom ein jähes Ende bereitet hat. | |
Aber nicht nur als moralische Instanz, auch literarisch war Rafael Chirbes | |
ein Schwergewicht. Er beherrschte die Technik, seine ausufernden Stoffe zu | |
einer Art Sinfonie zu arrangieren, bei der nacheinander die verschiedenen | |
Stimmen einsetzen, sich ergänzen und sich widersprechen. In „Alte Freunde“ | |
erzählen die einzelnen Kapiteln jeweils unterschiedliche Ich-Erzähler. | |
Jedes Kapitel wird zu einer kurzen Erzählung – aber jeder einzelne dieser | |
Monologe wartet doch auch auf seine Ergänzung in dem folgenden. | |
Die Perspektivierung der Geschehnisse ist Programm: Es gibt eben nicht die | |
richtige Sicht auf die Dinge, es gibt nur viele verschiedene Versuche, sie | |
sich zurechtzulegen und sie so erträglich zu machen. So entsteht ein | |
Stimmengewirr aus Lebenslügen und Geschichtsklitterungen, und das Schlimme | |
ist, dass bei Chirbes jeder der Beteiligten das auch weiß. | |
So wie die Fische im Sumpf und der menschliche Leib, „so sterben auch die | |
Hoffnungen und stinken dann, verpesten die Umwelt“, heißt es in dem Roman | |
„Am Ufer“. Zuletzt lebte Rafael Chirbes zurückgezogen an der spanischen | |
Mittelmeerküste in dem Dorf Beniarbeig nördlich von Alicante. | |
17 Aug 2015 | |
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