# taz.de -- Interkulturelles Theater: Sartre auf Russisch | |
> Bremens Theater 11 stellt sein Programm für die nächste Spielzeit vor. | |
> Gespielt wird Russisch und Deutsch. | |
Bild: Am Bühnenbild von „Peter Pan“ arbeiteten Eltern von beteiligten Kind… | |
Während in der Sphäre der Stadttheater noch immer darüber diskutiert wird, | |
wie sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund auf deutschen | |
Bühnen erhöhen ließe, geht es am Theater 11 mit größter | |
Selbstverständlichkeit mehrsprachig und interkulturell zu. Anfang des | |
Jahres hatte dort Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ in russischer Fassung | |
Premiere, danach gastierte die Inszenierung auf einem internationalen | |
Theaterfestival im weißrussischen Baranawitschy, die deutsche Fassung ist | |
ab dem kommenden Oktober in Bremen zu sehen. | |
Das Thema Integration ist dem jüngsten Bremer Theater gleichsam in die | |
Wiege gelegt: Kira Petrov und Arwid Knippenberg, die das Theater 11 | |
betreiben, haben russische Eltern mit deutschen Wurzeln. Und die | |
Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Theaterprojekte stammen zum großen | |
Teil aus Familien mit Migrationshintergrund, sie oder ihre Eltern kamen aus | |
der Ukraine, aus Russland, aus Weißrussland, Kasachstan und dem Baltikum | |
nach Bremen. | |
Petrovs Biografie scheint derweil geradezu ein Bilderbuchbeispiel für | |
Integration durch Kunst zu sein: Als sie 15 Jahre alt war, zogen die Eltern | |
nach Deutschland. „Ein halbes Jahr bin ich durchgedreht“, erinnert sich | |
Petrov. „Ich wollte nur zurück.“ Aber sie blieb, brach in der 12. Klasse | |
die Schule ab und machte eine Musical-Ausbildung an der European Musical | |
Academy (EUMAC) in Bremen. Im Anschluss studierte sie per Fernstudium Regie | |
und Theaterpädagogik in Moskau und arbeitete parallel in Bremen an ihrer | |
ersten eigenen Inszenierung mit Schülerinnen und Schülern. | |
Aus diesem Ensemble entwickelte sich schließlich der programmatisch | |
betitelte Verein „Integration durch Kunst“, der wiederum das Theater 11 ins | |
Leben rief. Ihre Fähigkeiten setzt Petrov bis heute bei Jugend- und | |
Erwachsenenprojekten ein. Zuletzt feierte „Peter Pan“ mit einem 25-köpfigen | |
Ensemble Premiere, das Bühnenbild bastelte der Vater eines der mitwirkenden | |
Kinder, eine Mutter nähte die Kostüme. Und auch beim Umbau der ehemaligen | |
Diskothek in der Faulenstraße half das Netzwerk um Petrov und Knippenberg | |
mit. So sorgt das Theater 11 für die Integration nicht nur des Nachwuchses. | |
Was nach einer Erfolgsgeschichte klingt, ist indes nicht ohne Tücke: Wurde | |
das Theater 11 bislang von der „Aktion Mensch“ unterstützt, läuft diese | |
Förderung, mit der der Verein die Miete für die Räume in der Faulenstraße | |
zahlen konnte, im kommenden Winter aus. Was danach kommt, ist laut | |
Knippenberg bislang ungewiss. „Wir tun uns zurzeit um“, sagt er. Bislang | |
allerdings ohne konkrete Ergebnisse. „Aber es geht auf jeden Fall weiter“, | |
ist er sich mit Petrov einig. Bei der Einwerbung von Projektmitteln | |
arbeitete der Verein „Integration durch Kunst“ immerhin schon recht | |
erfolgreich. | |
Petrov und Knippenberg haben jedenfalls noch einiges vor. Petrov möchte am | |
Haus Schauspielerinnen und Schauspieler ausbilden, der Gang an die | |
Öffentlichkeit soll es dem Theater ermöglichen, neues Publikum anzulocken. | |
Teilnehmer wie Zuschauer wurden anfangs vor allem per Mundpropaganda | |
rekrutiert. | |
Mehr als nur moralischen Support genießt das Theater seitens seiner | |
Schirmherrin Ulrike Dökel, die das Zollhaus „Meet and Sleep“ in der | |
Überseestadt betreibt und Petrov und Kippenberg eher zufällig kennenlernte. | |
Ein Besuch beim Theater 11 habe sie dann „eiskalt erwischt“, erzählt sie. | |
Als Schirmherrin will sie nun nicht nur, wie schon zuvor, für das Theater | |
11 werben. Sie spendiert der ehrgeizigen Truppe immerhin die finanziellen | |
Mittel für eine professionelle Pressearbeit. | |
Erste Premiere der neuen Spielzeit ist die Produktion „Schnittpunkte“ am | |
Freitag, dem 25. September (20 Uhr), eine multimediale Stückentwicklung von | |
Kira Petrov mit der Choreografin Yuliya Patotskaya, am 3. Oktober gibt es | |
dann Sartres „Geschlossene Gesellschaft“, am 23. Oktober folgt mit | |
„Neznajka“ ein Kinderstück auf Russisch. | |
12 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Schnell | |
## TAGS | |
Integration | |
Deutsches Theater Göttingen | |
Multikulti | |
Theater Bremen | |
Michael Müller | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Eine gelungene Portion Existenzialismus: Sterben als lustiges Jungsspiel | |
In „Tamtam der Leidenschaften“ dekliniert das Theatre du Pain bei seinem | |
Bremer Gastspiel fast die ganze Evolution herunter. | |
Mehr Geld für die Kultur: Kulturförderung liegt zu schief | |
Die Grünen fordern mehr Geld für freie Szene und Kompanien im | |
Doppelhaushalt 2016/17. | |
Integratives Volkstheater: Eine Feier der Freiheit | |
Die Heersumer Sommerfestspiele beweisen, dass Theater als integrative Kraft | |
stark genug ist, die Landbevölkerung zu mobilisieren. |