# taz.de -- Jüdische Spiele 2015 in Berlin: Im Olympiastadion Flagge zeigen | |
> 18 Sportler des Makabi-Verbandes Danzig nehmen an dem Sportevent teil. | |
> Landesweit gibt es heute in Polen wieder 100 bis 200 Aktive. | |
Bild: Zwischenstopp Warschau: einer von elf israelischen Bikern, die die Fackel… | |
Warschau taz | In der Ostseestadt Danzig (Gdansk) setzte Michal Samet von | |
Makabi Polska „Himmel und Hölle“ in Bewegung, wie er sagt, um Sponsoren f�… | |
die Fahrt der polnisch-jüdischen Sportler nach Berlin zu finden. „Wir waren | |
2011 auch auf der Makkabiade in Wien dabei“, erläutert der Vorsitzende der | |
jüdischen Gemeinde in Danzig. | |
„Das war ein unglaubliches Erlebnis. Wien war eine der Nazihochburgen, eine | |
Hitler-Stadt! Und jetzt veranstalteten wir Juden dort eine Makkabiade!“. | |
Die Reise sei allen in guter Erinnerung, zumal die Spieler der | |
Bridge-Gruppe eine Silber-Medaille und die Squash-Spieler von Makabi Polska | |
eine Bronze-Medaille mit nach Hause brachten. | |
„Auf Berlin freuen wir uns ganz besonders. Allein schon wegen des | |
Olympiastadions“, so der 53-jährige , der sowohl Squash als auch Bridge | |
spielt. „1936 sperrte Hitler die Juden bei der Olympiade aus. Was für ein | |
Gefühl wird es jetzt sein, dort mit 18 Sportlern von Makabi Polska | |
einzumarschieren und unsere Flagge hochzuhalten?“ | |
Natürlich hoffe man auch auf Medaillen. Alle hätten in den letzten Wochen | |
hart trainiert. Zudem konnten Sponsoren für die Reise gefunden werden. | |
Samet lacht: „Das alte polnische Makabi-Motto hat es möglich gemacht. Man | |
muss es nur oft genug wiederholen: ‚Sei stark und mutig!‘“ | |
Die ersten polnisch-jüdischen Sportvereine entstanden Anfang des 20. | |
Jahrhunderts in Ostgalizien, als Polen noch unter Österreich, Preußen und | |
Russland aufgeteilt war. Im August 1915, als die Deutschen während des | |
Ersten Weltkriegs nach Osten vorrückten und die Russen aus Polen | |
vertrieben, erhielten die Einwohner mehr Freiheiten. Erstmals konnten auch | |
sie Sportvereine gründen. Neben den Fußballvereinen Legia und Polonia | |
entstanden auch zionistisch orientierte Klubs wie Makabi und Morgenstern | |
(Jutrzenka). | |
## Preußischer Drill | |
Michael Alberskirch war der erste Trainer von Makabi Warschau, ein | |
deutscher Polizist aus Bonn, über den bis heute zahlreiche Legenden in | |
Umlauf sind. So soll der begeisterte Leichtathlet nicht nur die weiße | |
Sportkleidung, sondern auch „preußischen Drill“ bei den Übungen eingefüh… | |
haben. Als bei einem Wettkampf 1916 erwartet wurde, dass alle Kommandos auf | |
Hebräisch gegeben werden, habe Alberskirch sie innerhalb von einem Tag | |
gelernt. Beim Wettkampf wirkte er so sicher, als habe er die Kommandos nie | |
anders als auf Hebräisch gegeben. | |
Die Makabi-Vereine in Polen förderten nicht nur die „Körperertüchtigung“ | |
und insbesondere den Kampf- und Kraftsport, sondern gründeten auch Musik-, | |
Theater und Malgruppen, kleine Orchester, Foto-Labors und Debattier-Clubs. | |
Umgangssprache war nicht das in Polen weit verbreitete Jiddisch, sondern | |
Hebräisch und Esperanto, die Kunstsprache, die der jüdische Augenarzt | |
Ludwig Zamenhof aus Bialystok erfunden hatte. | |
In ganz Polen erfreuten sich bei den Männern schon bald die Disziplinen | |
Ringen, Boxen und Gewichtheben großer Beliebtheit. Dies hatte mit den | |
wiederkehrenden Pogromen im Land zu tun. Jüdische Athleten bildeten in ganz | |
Osteuropa die Kerntruppen der Selbstverteidigung. | |
Frauen in den Makabi-Sportklubs galten vielen als Revolutionärinnen. Sie | |
mussten starke gesellschaftliche und religiöse Barrieren überwinden. Für | |
die Vertreter des traditionellen Milieus war schon ein Badeanzug eine | |
schwer zu ertragende Provokation. Die größten sportlichen Erfolge feierten | |
auf den Makkabiaden vor Kriegsausbrauch die Turmspringerinnen, | |
Schwimmerinnen und - im Wintersportort Zakopane - Abfahrtsläuferinnen. | |
## An Vorkriegstraditionen anschließen | |
Jan Gebert gehört zu den Neu-Begründern des jüdischen Fußballvereins Makabi | |
Warszawa. „Wir versuchen ganz bewusst, an die Tradition des | |
Vorkriegsvereins anzuschließen“, erklärt der durchtrainierte 35jährige. | |
„Natürlich sind das heute ganz andere Voraussetzungen. 1930, als sich alle | |
Makabi-Verbände in Polen zusammenschlossen, waren das 150 Vereine mit | |
insgesamt 45.000 Sportlern.“ | |
Gebert lehnt sein rotbraunes Fahrrad an einen Schatten spendenden Baum. | |
Hinter ihm ragt der stalinistische Kulturpalast in den wolkenlos blauen | |
Himmel. „Heute sind es gerade mal 100 Personen, die hier in Warschau aktiv | |
dabei sind. Zur Kerntruppe, die regelmäßig zum Fußball- oder Yoga-Training | |
kommt, gehören rund 30 Leute.“ | |
Als bekannt wurde, dass die Makkabiade 2015 in Berlin stattfinden sollte, | |
habe das in seiner Gruppe heftige Diskussionen ausgelöst. Fahren oder nicht | |
fahren? Berlin sei immer noch historisch belastet - als ehemalige | |
Hauptstadt des Dritten Reiches. Doch am Ende habe nicht das historische | |
Argument, sondern das finanzielle den Ausschlag gegeben. „Wir fahren | |
nicht“, bedauert Gebert. „Für uns ist das Startgeld zu hoch.“ | |
Hinzu komme, räumt Gebert ein, dass es dem Warschauer Makabi-Club weniger | |
um Spitzenleistungen gehe, denn um Spaß und Integration. „Bei uns spielen | |
Männer und Frauen in einer Fußball-Mannschaft, 15- und 65jährige, Juden und | |
Christen.“ | |
So ein bunter Haufen würde bei der Makkabiade wahrscheinlich gar nicht | |
angenommen. „Aber wir würden schon gerne fahren, und wenn es nur zum | |
Zugucken wäre. Aber es ist zu teuer, leider.“ Der Verein sei allerdings | |
auch erst ein Jahr alt, gibt er zu bedenken und schließt optimistisch: | |
„Wenn alles gut geht, wird Makabi Warszawa 2017 bei der 20. Makkabiade in | |
Tel Aviv dabei sein“. | |
28 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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