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# taz.de -- Geiselbefreiung in Peru: Im Lager der letzten Senderistas
> Polizei und Militär befreien 39 Menschen aus der Gefangenschaft der
> Guerilla „Sendero Luminoso“. Die besteht nur noch aus Überresten.
Bild: Vom Militär veröffentlichtes Foto der Geiseln nach ihrer Befreiung.
Berlin taz | Ein entflohener Gefangener war dafür verantwortlich, dass die
Armeeoperation „Wiedertreffen 2015“ letztlich erfolgreich war. Ohne die
präzisen Angaben des Mannes, dem die Flucht aus dem Lager des „Sendero
Luminoso“ (Leuchtender Pfad) vor ein paar Wochen gelang, wäre die Befreiung
von 26 Kindern und 13 Frauen kaum geglückt.
Der Grund dafür ist das Terrain im Sector 5 der Region VRAEM. Hinter dem
Kürzel verbirgt sich das Tal der Flüsse Apurímac, Ene und Mantaro, und dort
ist Perus größtes Kokaanbaugebiet. In diese unzugänglichen Täler und
Berglandschaften haben sich die letzten Kolonnen der Guerilla des
Leuchtenden Pfades zurückgezogen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass die
Armee ihnen folgen würde, gering war.
Die Rechnung ging über lange Jahre auf. Bis am Montag dieser Woche eine 120
Köpfe starke Spezialeinheit das Lager früh am Morgen im Handstreich nahm.
Nicht ein Schuss fiel, und so konnten die Frauen und Kinder sämtlich in
Sicherheit gebracht werden, so der kommandierende General José Baella
gegenüber der Tageszeitung La República.
Laut Aussagen der Gefangenen wurden sie zur Arbeit in der Landwirtschaft
gezwungen, die Kinder seien politisch indoktriniert worden, um als
Halbwüchsige als Guerilleros in den Kampf zu ziehen. Mehrere Kinder seien
in Nachbarorten entführt worden, einige der Frauen hätten mehr als 25 Jahre
in diesem und anderen Lagern der Guerilla gelebt. Darunter auch eine Nonne,
die vor Jahren aus einem Kloster entführt worden war.
## Kochen und Kinder kriegen
Sinn des Lagers, so Vizeverteidigungsminister Iván Vega Loncharich, sie es
gewesen, Nahrungsmittel für die Guerilleros zu produzieren, sowie Nachwuchs
für die Truppe. Junge Frauen seien entführt, vergewaltigt und geschwängert
worden, um ihre Kinder für den Guerillakrieg zu missbrauchen.
Dabei geht es dem Befehlshaber des Sendero Luminoso, José Quispe Palomino,
aber weniger darum den Staat zu stürzen, so der peruanische Soziologe Jaime
Antezana. Der erforscht den Kontext von Drogenhandel und Guerilla und
argumentiert, dass sich die Taktik des Leuchtenden Pfades längst gewandelt
habe.
Zwar stammen viele der auf einige hundert Kämpfer geschätzten Einheiten des
Sendero Luminoso aus den Verbänden der historischen Organisation, aber
Ziele und Strategie seien längst nicht mehr die selben. Im Fokus stehe nun
der Schutz der lokalen Bauern, die Besteuerung und zum Teil wohl auch die
Verarbeitung der Kokablätter, so der Experte.
Dabei sei die einst maoistische Guerilla-Organisation, die für das Gros der
70.000 Toten des peruanischen Bürgerkriegs zwischen 1980 und 2000
verantwortlich war, in ein Vakuum gestoßen, das sich Ende der 1990 Jahre
geboten habe.
## Zusammenarbeit mit Drogenkartellen
Damals war Sendero-Führer und Gründer Abimael Guzmán längst gefangen und
die Guerilla im Niedergang begriffen, sodass sich einzelne Kolonnen
abspalteten. Darunter die Einheiten von José Quispe Palomino, aber auch
jene von „Genosse Artemio“. Der Kämpfer, mit bürgerlichen Namen Jose
Flores, hatte sich 2012 für eine Verhandlungslösung ausgesprochen.
Davon war die Palomino-Gruppe anscheinend weit entfernt. Sie soll mit
kolumbianischen und mexikanischen Kartellen zusammengearbeitet haben,
argumentiert zumindest der Drogenexperte Jaime Antezana von der
katholischen Universität in Lima. Dahin werden nun viele der Frauen und
Kinder aus dem Guerilla-Camp gebracht.
Doch zumindest eine der Frauen, María Chávez Vélez, hat bereits
angekündigt, dass sie zurück in die Region will. Die Regierung solle ihnen
Felder, Schulen und Gesundheitsposten zur Verfügung stellen. Die fehlen
schon immer in der Region.
29 Jul 2015
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Peru
Peru
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