# taz.de -- Rocker und Rechtsextremisten: Pistolendeal per Post | |
> Ein Neonazi will scharfe Waffen samt Munition erwerben. Der Deal fliegt | |
> auf – zeigt aber die Gewaltbereitschaft der Szene. | |
Bild: Bei Razzien in Neonazi-Kreisen werden immer wieder Waffen gefunden. | |
Hamburg taz | Die Bestellung war schon raus. Für 1.600 Euro bot der | |
Kasseler Rocker Michel F. die Parabellum-Pistole an, Kaliber 9 mm, samt | |
Munition. Alexander G. griff zu: „2 Stück“, schrieb er, „Geld geht Moin | |
raus“. Michel F. bestätigte den Deal. „Ok…wenn es da is kann ich | |
bestellen!“. | |
Seit dem 20. Juni dieses Jahres soll das Waffengeschäft eingefädelt worden | |
sein. Öffentlich gemacht hat die Anbahnung die „Autonome Antifa Freiburg“. | |
Man tue dies, um „die weitere Verbreitung von Schusswaffen unter | |
Nazi-Terroristen zu behindern“, teilte die Gruppe am Dienstag mit. | |
Die Polizei geht dem Fall nach. „Wir überprüfen die Angaben“, sagte | |
Wolfgang Jungnitsch, Pressesprecher der Polizei Nordhessen. Die | |
Staatsanwaltschaft Kassel ermittele. Sollte sich der Deal bewahrheiten, | |
wäre dies ein weiterer Beleg, wie militant Teile der rechtsextremen Szene | |
auch nach dem NSU-Auffliegen weiter sind. | |
Erst im Mai war die Bundesanwaltschaft mit bundesweiten Razzien gegen die | |
rechte „Oldschool Society“ vorgegangen, nahm drei Männer und eine Frau | |
fest. Sie sieht in der Gruppe eine rechtsterroristische Vereinigung, die | |
Anschläge auf Asylheime und Moscheen plante. | |
## Umtriebig in Nazi-Szene | |
Der jetzige Waffendealer Michel F. galt jahrelang als einer der | |
umtriebigsten Neonazis in Hessen. Auf seiner Brust trägt der gebürtige | |
Thüringer ein Tattoo mit dem Leitspruch des militanten Neonazi-Netzwerks | |
„Combat 18“: „Mögen sie uns hassen, solange sie uns fürchten.“ Von der | |
rechtsextremen „Streetfighting Crew“ wechselte F. 2012 zum Rockerclub | |
„Bandidos“. Über einen Mittelsmann im Ausland soll er nun an Waffen und | |
Munition gekommen sein. | |
Auch sein Kunde Alexander G. gehört fest zur Neonazi-Szene. Auch er ist | |
Thüringer, lebt derzeit in Bayern und bewegte sich ebenso in „Combat | |
18“-Kreisen. Er spielte in der Dortmunder Rechtsrockband „Oidoxie“, einer | |
der „Hausbands“ des Netzwerks. | |
Von Michel F. soll er gleich mehrere Pistolen angeboten bekommen haben. „Je | |
mehr desto besser…weil für eine is die Fahrt halt immer zu Risiko haft.“ | |
Für die Lieferung, versicherte F., gebe es „ne Garantie“. Und er versprach | |
weitere Geschäfte: „Wenn die klappen kann man auch über was anders reden.“ | |
Tatsächlich soll Alexander G. am 27. Juni die 1.600 Euro in einem Brief an | |
F. nach Kassel geschickt haben. | |
Zuletzt warnten Experten wiederholt vor Waffengeschäften zwischen Neonazis | |
und Rockern. „Seit Jahren ist diese Entwicklung zu beobachten“, sagte | |
Alexander Häusler, Rechtsextremismusexperte von der Fachhochschule | |
Düsseldorf. Der mögliche Waffendeal überrasche ihn nicht: „Das ist nur ein | |
Ausdruck dieser Annäherung.“ Auch Kirsten Neumann vom hessischen | |
Demokratiezentrum beobachtet diese Kontakte. Sie habe Hinweise erhalten zu | |
Neonazis, die „Vollmitglieder“ in Rockergruppen seien. | |
Auch in den NSU-Ermittlungen wird spekuliert, ob die Waffen der | |
Rechtsterroristen nicht aus dem kriminellen Rocker-Milieu kamen. Und auch | |
hier gibt es eine Verbindung zu Andreas G. und Michel F. Letzterer | |
behauptete bei einer Vernehmung beim Bundeskriminalamt, die NSU-Mitglieder | |
Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2006 in Kassel gesehen zu haben – auf einem | |
„Oidoxie“-Konzert im lokalen Clubhaus der „Bandidos“. Das Konzert fand | |
wenige Wochen vor der Ermordung des Kasseler Internetbetreibers Halit | |
Yozgat durch den NSU am 6. April 2006 statt. | |
Bereits im Juni 2013 wies der Nebenklagevertreter Thomas Bliwier im | |
NSU-Prozess auf dieses Konzert hin. Nicht allein wegen der zeitlichen Nähe | |
– das Clubhaus lag nicht mal einen Kilometer entfernt von Yozgats | |
Internetcafé. | |
28 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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