# taz.de -- Al-Quds-Tag in Berlin: Meinungskampf am Kudamm | |
> Samstag gibt es eine ganze Reihe von Demonstrationen – und ungewöhnliche | |
> Allianzen. Für alle, die da nicht durchblicken, hat die taz die | |
> wichtigsten Infos. | |
Bild: Auch um Homosexuellen-Rechte geht es den GegendemonstrantInnen. | |
Was soll dieser Tag? | |
Der Al-Quds-Tag wurde 1979 vom iranischen Revolutionsführer Chomeini als | |
Tag der „internationalen muslimischen Solidarität“ mit den Palästinensern | |
ausgerufen und wird seitdem jährlich am letzten Freitag oder Samstag des | |
Ramadan mit antiisraelischen Veranstaltungen begangen, an denen sich vor | |
allem schiitische Muslime beteiligen. Al-Quds ist der arabische Name für | |
die Stadt Jerusalem. | |
Was sind die Forderungen? | |
Seit 2003 wird die Al-Quds-Tag von der als Hisbollah-nah geltenden | |
Al-Quds-AG des Berliner Vereins „Islamische Gemeinde der Iraner“ | |
organisiert. Offiziell wenden sich die Veranstalter „gegen Zionismus und | |
Antisemitismus“. Sie fordern die „Befreiung Jerusalems“ und kritisieren d… | |
US-amerikanische Unterstützung für Israel. Die Veranstalter betonen dabei | |
die Unterscheidung zwischen Zionisten und Juden, um Antisemitismusvorwürfe | |
zu entkräften. Für die diesjährige Demonstration wurden 2.500 Teilnehmer | |
angemeldet, das wären deutlich mehr als bisher. | |
Ist das antisemitisch? | |
„Die Al-Quds-Demonstration ist weiterhin der größte israelfeindliche und | |
mindestens zum Teil auch antisemitische Aufmarsch in Deutschland“, sagt | |
Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus | |
(RIAS). Zwar müsse man berücksichtigen, dass es den Schiiten an diesem Tag | |
auch allgemein um den Kampf gegen Unterdrückung gehe, doch sei die Kritik | |
an Israel das bestimmende Thema. Dabei würden klar antisemitische Bilder | |
bemüht, etwa indem Israel als Blutsauger dargestellt werde. Das Wort | |
„Zionisten“ werde häufig als Codewort für Juden benutzt, um antisemitische | |
Äußerungen als antizionistisch und damit legitim zu etikettieren. | |
Und was wollen die GegendemonstrantInnen? | |
Zwei Bündnisse organisieren Gegendemonstrationen zum Al-Quds-Tag: In dem | |
einen sammeln sich Antifas, antideutsche Gruppen, die Grüne Jugend und die | |
Jusos, in dem anderen sind zum Beispiel die Deutsch-Israelische | |
Gesellschaft, die Amadeu-Antonio-Stiftung, das Mideast Freedom Forum und | |
die Junge Union vertreten. Beide Bündnisse kritisieren den Al-Quds-Tag als | |
antisemitisch und positionieren sich israel-solidarisch. „Free Gaza from | |
Hamas“ ist eine häufig gehörte Parole auf den Gegenveranstaltungen. | |
Was macht die Polizei? | |
Sie will die Al-Quds-Demonstration auch in diesem Jahr mit einem | |
„Großaufgebot begleiten“, sagt eine Sprecherin. In der Vergangenheit hatte | |
es immer wieder körperliche Auseinandersetzungen zwischen den | |
DemonstrantInnen gegeben. Für die Demonstration gibt es außerdem eine lange | |
Reihe an Auflagen, so sind etwa das Verbrennen von Fahnen oder bestimmte | |
Parolen verboten. | |
Wann ist wo was los? | |
Antideutsche stehen am Samstag früher auf: Das Antifa-Bündnis beginnt mit | |
seiner Gegendemonstration schon um 11 Uhr am Breitscheidplatz, ab 13 Uhr | |
hat das Bündnis dann eine Kundgebung am Adenauerplatz angemeldet. Um 13:30 | |
Uhr startet das andere Bündnis vom Wittenbergplatz eine Gegendemonstration | |
mit Abschlusskundgebung am Breitscheidplatz. Die Al-Quds-Demo selbst ist | |
von 14:30 bis 19 Uhr angemeldet und soll vom Adenauerplatz zum | |
Wittenbergplatz führen. Kurz: Es wird voll am Kudamm. | |
Was hat Homophobie damit zu tun? | |
Diesmal ruft auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zum Protest gegen | |
die Al-Quds-Demonstration auf. „Wir tun das angesichts der furchtbaren | |
Situation Homosexueller im Iran und aufgrund der homophoben Inhalte der | |
Ideologie, in deren Tradition dieser Tag steht“, sagt Sprecher Jörg | |
Steinert. Das kritisiert eine Gruppe israelischer, arabischer und | |
iranischer Queer-AktivistInnen in einem offenen Brief: Israel nutze das | |
Thema Homosexuellenrechte als Propagandamittel, sagt Mitinitiator Yossi | |
Bartal. „Unsere Kämpfe um queere Rechte werden von einer rechten, | |
fundamental-religiösen Regierung für ihre Zwecke missbraucht“, kritisiert | |
er. „Die Beteiligung des LSVD an der vor allem von rechten, | |
pro-israelischen Organisationen getragenen Gegendemonstration ist deswegen | |
für queere Aktivisten aus dem Nahen Osten ein Schlag ins Gesicht“. Die | |
Gruppe will mit dem LSVD diskutieren. | |
Wer ist da rechts, wer links? | |
Tja, das ist bei diesem Thema nicht einfach: Auf der Al-Quds-Demo laufen | |
gern mal Neonazis mit, die sonst nicht gerade als Freunde muslimischer | |
Communities gelten, aber auch Mitglieder des antizionistischen Flügels der | |
Linkspartei wurden hier schon gesichtet. Linke Israelis wiederum | |
kritisieren die israelischen Organisationen, die im Gegenbündnis vertreten | |
sind, immer wieder als rechts, Antideutsche und Antiimperialisten werfen | |
sich ohnehin gegenseitig vor, nicht wahrhaftig links zu sein. Und um die | |
Verwirrung komplett zu machen, reihen sich vereinzelt auch ultraorthodoxe | |
Juden in der Al-Quds-Demo ein – nach deren Ansicht darf es das Land Israel | |
bis zur Ankunft des Messias nämlich gar nicht geben. | |
9 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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