# taz.de -- Hass gegen Fremde in Hamburg: „Ich hab nichts gegen Kanaken“ | |
> Jenfelder Anwohner blockieren den Aufbau von Zelten für Flüchtlinge und | |
> pöbeln rassistische Parolen. Staatsrat Krösser zeigte sich schockiert. | |
Bild: Staatsrat Bernd Krösser in Jenfeld vor Ort | |
HAMBURG taz | Die Frau mit St.-Pauli- Mütze fühlt sich in die rechte Ecke | |
gedrängt: „Ich kann noch hundert Mal erklären, dass ich nichts gegen diese | |
Kanaken habe. Aber das hier ist einfach der falsche Ort.“ | |
Hier, das ist das Jenfelder Moor im Osten Hamburgs. Mehrfamilienhäuser | |
grenzen direkt an den kleinen Park. Gegenüber lärmen Autos über die | |
Jenfelder Allee. Die Helfer des Deuschen Roten Kreuzes (DRK) haben gerade | |
damit begonnen, 50 Zelte auf einer großen Wiese aufzubauen. | |
Bis zu 800 Flüchtlinge sollen hier temporär unterkommen. Daneben stehen | |
rund 40 Anwohner und begleiten die Arbeiten mit rassistischen Sprüchen. Sie | |
sind schockiert von dem Vorhaben: „Die nehmen uns jetzt die letzte | |
Grünfläche in Jenfeld.“ | |
Die Hamburger Innenbehörde hatte erst am Mittwoch beschlossen, den Park zu | |
nutzen. Das DRK war dann am Donnerstag ausgerückt, um die Zelte aufzubauen. | |
Doch die Helfer zogen wieder ab, als sie auf aufgebrachte AnwohnerInnen | |
stießen. Die stellten sich dem Wagen in den Weg. „Wir wollten eine | |
Eskalation verhindern“, sagt Rainer Barthel, Pressesprecher des DRK. | |
Während kleine Bagger die Zelte auf die Wiese fahren und rund 100 | |
Einsatzkräfte mit dem Aufbau beschäftigt sind, bleibt es am Freitag ruhig. | |
Die Anwohner behindern die Arbeit nicht, stehen nur daneben. Doch sie | |
fühlen sich übergangen. Die Nachbarn beklagen, dass sie nicht über die | |
Planungen informiert worden seien und fühlen sich vor vollendete Tatsachen | |
gestellt. | |
## „Deutschland wird bald zur Hölle“ | |
Am frühen Nachmittag kommt Bernd Krösser, Innenstaatsrat der Stadt Hamburg | |
dazu und stellt sich der wütenden Menge. Er gibt zu, dass es nicht | |
ausreichend Zeit gegeben habe, um die Einwohner im Vorfeld zu informieren. | |
Dabei wird jedoch schnell klar, dass den Bewohnern eine Entschuldigung | |
nicht genügt. Kaum ausgesprochen, kommen neue Einwände auf den Tisch. Sie | |
lassen tief blicken. | |
„Deutschland wird bald zur Hölle“, sagt einer: „Wie viele wollt ihr denn | |
noch aufnehmen? Irgendwann ist doch mal Schluss!“ Ein anderer spricht von | |
einem drohenden Bürgerkrieg in Deutschland. Von dem Hass, der Krösser | |
entgegenspringt, zeigt sich der Staatsrat sichtlich geschockt: „Das sind | |
doch keine vernünftigen Argumente, über die man diskutieren kann.“ | |
Die Zwischenrufe werden lauter, die Kommentare wütender. Kamerateams | |
sammeln sich um die Gruppe und versuchen, den sich entladenden Hass | |
einzufangen. | |
Dabei empfinden sich die Empörten nicht als Rassisten: „Ich bin einfach nur | |
ein aufrechter Deutscher, mit klarem Menschenverstand“, rühmt sich ein | |
älterer Mann. Ob sich der Protest mit dem Ende der Aufbauarbeiten | |
verflüchtigt, ist fraglich. In der Facebookgruppe „Gegen Flüchtlinge im | |
Jenfelder Moorpark“ liest man bereits Kommentare wie: „Unser schöner Park! | |
Alles abfackeln da.“ | |
Die Anwohner haben Angst – um ihren Park und vor den Flüchtlingen, die hier | |
leben sollen. Nach dem Hausbesitzer gefragt, der in Jenfeld vorige Woche | |
einen Einbrecher erschossen hatte, zeigt sich die Frau mit der | |
St.-Pauli-Mütze hingegen unbeeindruckt: „Sein Fehler war nur, dass er den | |
anderen nicht auch erschossen hat.“ | |
10 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Kristof Botka | |
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