# taz.de -- Umstrittene Nachkriegsmoderne: Doch schön! | |
> An den Hamburger City-Hochhäusern hat sich eine Debatte über die | |
> Nachkriegs-Architektur entzündet. Ist unsere ästhetische Sichtweise | |
> dabei, sich zu ändern? | |
Bild: Schandfleck oder Schmuckstück? Der City-Hof in Hamburg. | |
Hamburg taz | Wer mit der Eisenbahn nach Hamburg kommt, sieht sie kurz vorm | |
Hauptbahnhof wie riesige Zinnen aufragen: die vier Hochhäuser des | |
City-Hofs. Sie sind mit grauem Eternit verkleidet, der schon ein wenig | |
schäbig geworden ist; das Staffelgeschoss ist gelb – das alles ist auf den | |
ersten Blick potthässlich. Seit einiger Zeit läuft eine Debatte darüber, ob | |
die vier Hochhäuser mit Querriegeln aus den 50er-Jahren nicht einfach | |
abgerissen werden sollten. | |
Der städtische Oberbaudirektor Jörn Walter betrachtet sie als als Bausünde, | |
Ausdruck einer Gegenbewegung zum benachbarten Kontorhaus-Viertel aus den | |
30er-Jahren, über dessen Aufnahme in die Weltkulturerbeliste die Unesco | |
dieser Tage in Bonn entscheidet. Doch seit 2013 stehen auch die | |
City-Hochhäuser unter Denkmalschutz. Und die Präsidentin der Hamburgischen | |
Architektenkammer, Karin Loosen, verweist auf die „gelungene Komposition“ | |
dieses „Zeugnisses des Wiederaufbauwillens“. | |
In den Hochhäusern des City-Hofs verdichtet sich die Debatte Ästhetik, | |
Städtebau, Denkmalschutz und Profit – für den stets klammen Fiskus wie für | |
gierige Investoren. Angeschoben wurde die Diskussion durch den absehbaren | |
Wegzug des Bezirksamtes Mitte, das den Gebäudekomplex mit seinen 1.000 | |
Mitarbeitern zum größten Teil bespielt. | |
Für die Finanzbehörde eröffnet sich damit die Möglichkeit, einen | |
unverhofften Reibach zu machen, der umso höher ausfallen dürfte, je freier | |
Investoren mit dem Gebäudeensemble schalten und walten dürfen. Die Stadt | |
hat im Bieterverfahren eine Abrissgenehmigung in Aussicht gestellt, sollte | |
das wirtschaftlichste Gebot einen Neubau zur Grundlage haben. | |
Architektenkammer-Präsidentin Loosen findet es „ein fatales Signal an die | |
privaten Immobilieneigentümer, wenn die Stadt letztlich aus ökonomischen | |
Gründen den wohlbegründeten Denkmalschutz bei eigener Betroffenheit | |
aufheben sollte“. Dabei sei der Senat mit seiner misslungenen Sanierung in | |
den 70er-Jahren und der jahrzehntelangen Vernachlässigung selbst | |
verantwortlich für den heutigen „mausgrauen Zustand“. | |
Tatsächlich verbirgt sich unter den Eternitplatten ein ursprüngliches | |
strahlendes Weiß, sanierungsbedürftig zwar, aber grundsätzlich | |
wiederherstellbar. Die 1954 bis 1958 errichteten Hochhäuser sind damals mit | |
quadratischen Keramikplatten verkleidet worden, in die bündig Holzfenster | |
gesetzt wurden. Die bei genauerem Hinsehen eher schlanken als wuchtigen | |
Türme wirkten so noch leichter und bildeten einen scharfen Kontrast zum | |
backstein-erdigen Kontorhausviertel, in dem berühmte Bauten wie das | |
expressionistische „Chilehaus“ stehen. | |
Auch aus der Distanz von Osten aus betrachtet, wirkt das Ensemble als eher | |
gelungener Teil der City-Skyline. Locker gestaffelt zeichnen sie die Kontur | |
des ansteigenden Geesthangs nach. Der Vorwurf, sie riegelten die Innenstadt | |
ab, lässt sich schwer nachvollziehen. | |
Allerdings haben „Sanierung“ und Vernachlässigung die luftige Modernität | |
der Gebäude vergessen lassen. In der Mitte des Gebäuderiegels verläuft eine | |
Einkaufspassage, deren Nordeingang verrammelt und deren Südeingang | |
verkommen ist: die Rolltreppe vernagelt, der Treppenhandlauf verrostet, | |
hinter den Schaufenstern Büros und Aktenregale. | |
Schon früher ist in Hamburg 50er-Jahre-Architektur abgerissen worden, die | |
das Denkmalamt als schützenswert herausgestellt hatte. Während dieses | |
Schicksal dem City-Hof droht, steht für den Senat die Denkmalwürdigkeit des | |
Kontorhausviertels außer Frage. Doch diese Ungleichheit könnte | |
Nebenwirkungen haben, so der ehemalige Leiter des Hamburger | |
Denkmalschutzamtes, Frank Pieter Hesse: „Welchen Eindruck wird es wohl auf | |
die Welterbekommission machen, wenn eine die Aufnahme in die Welterbeliste | |
begehrende Stadt ein geschütztes Bauobjekt abbrechen lässt, das in der | |
Pufferzone zu den Kernobjekten des möglichen Weltkulturerbes liegt?“ Die | |
nächsten Tage werden es zeigen. | |
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3 Jul 2015 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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