| # taz.de -- Al-Dschasira-Journalist Ahmed Mansur: Tahrirplatz-Feeling mitten in… | |
| > Der freigelassene Journalist Mansur spricht über seine Zeit in Haft. Und | |
| > stellt Vermutungen darüber an, wer hinter seiner Festnahme stecken | |
| > könnte. | |
| Bild: „Ich verspreche Ihnen allen: Ich werde meine Arbeit fortführen und wei… | |
| BERLIN taz | Für einen durchschnittlichen Berlin-Besucher hat Ahmed Mansur | |
| in den vergangenen vier Tagen erstaunlich viel gesehen: am | |
| Samstagnachmittag, direkt nach seiner Festnahme, die Räume der | |
| Bundespolizei am Flughafen Tegel. Dann, am nächsten Morgen, das | |
| Bereitschaftsgericht im Bezirk Tempelhof. Als Nächstes, bis Montagabend, | |
| eine Zelle in der JVA Moabit. Und nun, am Tag nach seiner Freilassung, auch | |
| noch den Saal der Bundespressekonferenz im Regierungsviertel. | |
| Ein durchschnittlicher Berlin-Besucher ist Ahmed Mansur eben doch nicht. | |
| „Ich bedanke mich bei allen freien Menschen dieser Welt, die an meiner | |
| Seite standen“, ruft er vom Podium aus in die Kameras. Die | |
| Hauptstadtjournalisten haben ihn hierher eingeladen. Sie wollen den Mann | |
| kennenlernen, den die ägyptische Regierung wegen seiner regimekritischen | |
| Talkshow zur Fahndung ausgeschrieben hatte und der deswegen zwei Tage lang | |
| in Deutschland hinter Gittern saß. Das Interesse ist groß, der Saal voll | |
| und Mansur fest gewillt, die Bühne zu nutzen. | |
| „Zuweilen fühlte man sich heute wie auf dem Tahrirplatz in Kairo“, wird | |
| später ein Hauptstadtkorrespondent twittern. Tatsächlich könnte Mansur auch | |
| als Revoluzzer durchgehen. Als er das Wort erhebt, streckt er die rechte | |
| Hand in die Höhe. „Ich verspreche Ihnen allen: Ich werde meine Arbeit | |
| fortführen und weiter auf der Seite der Gerechtigkeit stehen“, sagt er, und | |
| seine Stimme klingt dabei so pathetisch, wie sich seine Worte lesen. Dann | |
| setzt er noch einen drauf: „Auch al-Dschasira bleibt die Stimme aller | |
| Menschen auf der freien Welt, insbesondere der Unterdrückten!“ | |
| ## Unter Kontrolle der katarischen Herrscherfamilie | |
| Nun ist es mit al-Dschasira so eine Sache: In Ägypten steht der | |
| Fernsehsender, für den Mansur arbeitet, zwar tatsächlich an der Seite der | |
| unterdrückten Muslimbrüder. Das liegt in erster Linie aber nicht am großen | |
| Gerechtigkeitssinn der Redaktion. Die Unterstützung hat vielmehr mit den | |
| Eigentümern des Senders zu tun: Er unterliegt der direkten Kontrolle der | |
| katarischen Herrscherfamilie, und die steht den Muslimbrüdern aus | |
| geopolitischen Gründen nahe. | |
| Mit der Pressefreiheit ist es in Katar und bei al-Dschasira aber ebenfalls | |
| nicht weit her. Mehrere Mitarbeiter kündigten in den vergangenen Jahren, | |
| weil sie nach eigenen Angaben nicht mehr frei berichten durften. Und dieser | |
| Sender soll nun das Sprachrohr der freien Welt sein? | |
| ## Per YouTube bei Erdogan bedankt | |
| „Sie haben sich gestern in einer YouTube-Botschaft beim türkischen | |
| Präsident Erdogan bedankt“, sagt ein Journalist, nachdem Mansur sein | |
| Statement beendet hat. „Die Türkei hat unter der Regierung Erdogan aber | |
| YouTube gesperrt und Journalisten festgenommen. Wie passt das zusammen?“ | |
| Die Türkei pflegt gute Beziehungen zu Katar. Als Mansur auf die Frage | |
| antwortet, ist der Pathos aus seiner Stimme verschwunden. Die rechte Hand | |
| lässt er unten. „Herr Erdogan hat mich in den letzten Tagen unterstützt, | |
| und dafür habe ich ihm gedankt. Alles Weitere müssen Sie ihn selbst | |
| fragen“, sagt er dann. Wie ein Märtyrer der freien Weltpresse wirkt er in | |
| diesem Moment nicht mehr. | |
| ## Offene Fragen | |
| Eine Straftat ist es natürlich trotzdem nicht, sich beim türkischen | |
| Präsidenten zu bedanken. Auch dann nicht, wenn er Recep Erdogan heißt. Und | |
| so bleiben auch nach einer Stunde Pressekonferenz offene Fragen, nicht nur | |
| an den Journalisten Mansur, sondern [1][auch an die Bundesregierung]. War | |
| es tatsächlich ein Versehen, dass der Ägypter in die Fahndungsdatenbank der | |
| deutschen Polizei rutschte? Oder wollten die Deutschen ihren ägyptischen | |
| Kollegen bewusst Amtshilfe leisten? „Ich befürchte, al-Sisis Militärregime | |
| hat erfolgreich einen Teil seiner Diktatur nach Deutschland exportiert“, | |
| sagt Mansur. | |
| Dann muss er los. Am Nachmittag, mit vier Tagen Verspätung, startet der | |
| TV-Moderator in Richtung Doha. Um 16.25 Uhr hebt Flug 076 der Qatar Airways | |
| in Berlin-Tegel ab. Das Ende einer Dienstreise, die Ahmed Mansur eine ganz | |
| besondere Tour durch Berlin bescherte – und der Bundesregierung einen | |
| enormen Erklärungsbedarf. | |
| 23 Jun 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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