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# taz.de -- Champions-League-Finale-Gucken: Bierselige Kommentatoren
> Zuviel gesenst, gegrätscht und geholzt – schön war’s trotzdem. Public
> Viewing in einer Friedrichshainer Kneipe – ganz ohne Fernsehton.
Bild: Nach dem Champions-League-Sieg: Freudentaumel am Berliner Breitscheidplat…
Sind wenigstens ein paar Barça-Fans dabei?“, frage ich M., eine spanische
Freundin. Wir debattieren via SMS, wann und wo wir uns treffen. Da will ich
also mit Spaniern und Spanierinnen dieses Champions-League-Finale in der
Kneipe schauen – und dann sind das alles Madrilenen, von denen keiner Barça
siegen sehen will. Dabei schien es mir in diesem Jahr merkwürdig klar, mit
wem der beiden Finalisten Barcelona und Juventus Turin man zu
sympathisieren hatte, wenn man an Restbestände von Gutem, Schönem und
Wahrem im Fußball glauben wollte. „Nein“, schreibt sie, „aber wir haben
Meinungsfreiheit unter uns.“
Ich mache mich mit dem Rad auf den Weg nach Friedrichshain, wo wir
verabredet sind. Trotz der Hitze ist es ein entspannter Abend. Viele
Menschen in rot-blauen Barça-Trikots streunen durch die Stadt. Auf der
Warschauer Brücke macht sich hingegen lautstark ein Juve-Fanklub breit; ein
Oberkörpernackter mit Italien-Flagge als Stola grölt in ein Megafon. Eine
gefühlt 35 Meter lange, weiße Limousine mit einer Hochzeitsgesellschaft
fährt vorbei. Die Braut johlt aus dem Fenster in Richtung der Juve-Fans:
„Yeaaahhah.“
Vor der Kneipe in der Samariterstraße hat sich bereits ein Pulk versammelt.
Es gibt zwei Bildschirme draußen, Bilder aus dem wenige Kilometer
entfernten Olympiastadion sind zu sehen. Ich begrüße die drei Madrilenen.
„Es gibt ein Problem“, sagt M., „wir haben keinen Ton.“ Anwohner hätten
sich im letzten Jahr beschwert, es sei bei den Public Viewings zu laut
gewesen. „Unmöglich, dass es so was in Spanien gäbe“, sagen die drei. Die
nette Wirtin äußert ihr Unverständnis, während sie bei uns vieren den
ersten Strich für ein Bier auf unseren Zetteln anschreibt.
Als das Spiel losgeht, wird es irgendwie egal, dass kein Kommentar zu hören
ist. Kommentiert wird das Spiel eben vor der Leinwand. „Forza Juve“,
schreit neben mir P., der Real-Madrid-Anhänger ist, seit er denken kann,
wie er mir erzählt. „Das heißt: Eigentlich schon vorher. Es ist quasi
genetisch.“
## Jubel mit Pizzarand
Als nach drei Minuten dieses wunderschön anzuschauende 1:0 für Barça durch
Ivan Rakitic fällt, sind die Reaktionen entsprechend unterschiedlich: Der
kleine Junge im Messi-Trikot mit dem Pizzarand im Mund springt auf und
jubelt. In meiner Runde herrscht eher Reserviertheit.
Die frühen Erwartungen auf das ganz ganz große Finale konnten nicht
durchgängig erfüllt werden, auch wenn es meist packend und spannend war.
Aber insgesamt wurde auch viel gesenst, gegrätscht und geholzt auf dem
Spielfeld; zumeist, das müssen selbst Unparteiische zugeben, von den Herren
in den schwarz-weißen Juve-Trikots. Einzelaktionen aber werden bejubelt,
insbesondere jene von Messi. Zwischenzeitlich kommt trotzdem ein wenig
Langeweile auf – bis aus dem Nichts das 1:1 von Álvaro Morata meinen
Nachbarn P. aus der Lethargie reißt. Er springt auf. Die Madrilenen feiern.
Zehn Minuten lang liegt dann wieder Hochspannung in der Luft, P. fordert
vehement Elfmeter Richtung Bildschirm, als Juve-Spieler Paul Pogba im
Strafraum zu Boden geht. „Der Rasierpinsel kriegt keinen Elfmeter“, sage
ich. Zuvor hatten wir uns lang und breit über die Frisuren der Spieler
unterhalten. Das Ergebnis war, dass Arturo Vidal eine Bushido-Fan-Frisur
hat und Paul Pogba einen Rasierpinsel auf dem Kopf trägt …
Beim dritten Bier trifft Luis Suárez. Als das dritte Bier leer ist, trifft
auch noch Neymar. Das Spiel ist gelaufen. Betrunken und still schauen wir
zu, wie Konfetti fliegt, wie der polierte Silberpokal in die Höhe gereckt
wird – von den Rot-Blauen.
P. ist noch auf Party aus: „Ziehen wir noch weiter?“ Ich lasse den Abend
später zu Hause ausklingen. Vor dem Laptop – es läuft die Frauen-WM.
7 Jun 2015
## AUTOREN
Jens Uthoff
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Fußball
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