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# taz.de -- Doch kein Terror in Braunschweig: Das große Schweigen
> Blamage für Niedersachsens Sicherheitsbehörden: Anschlagspläne auf den
> Braunschweiger Karneval hat es vielleicht nie gegeben – abgesagt wurde er
> trotzdem.
Bild: Schwarzer Tag für bunte Kappen: Am 15. Februar wurde Braunschweigs Karne…
HANNOVER taz | Für Braunschweigs Karnevalisten ist der 15. Februar 2015 ein
schwarzer Tag. Um punkt 12 Uhr und 40 Minuten wollen die Narren die
zweitgrößte Stadt Niedersachsens übernehmen – doch gegen 10 Uhr bekommt der
Zugmeister des Karnevalskomitees, Gerhard Baller, einen Anruf. In der
Leitung ist Polizeipräsident Michael Pientka. „Kommen Sie ins Präsidium“,
sagt Braunschweigs ranghöchster Polizist. Und: „Stellen Sie keine Fragen.“
Gegen 11 Uhr wird klar: Braunschweigs „Schoduvel“ genannter Karneval fällt
in diesem Jahr aus. Der Zug – nach denen in Köln, Düsseldorf und Mainz
immerhin der viertgrößte Deutschlands – wird kurzfristig abgesagt. 250.000
Menschen sollen zu Hause bleiben oder umkehren. Grund dafür ist eine
Terrorwarnung, die viele fünf Wochen nach dem Anschlag auf das französische
Satiremagazin Charlie Hebdo für plausibel halten: Aus „zuverlässigen
Staatsschutzquellen“ sei bekannt geworden, dass „eine konkrete Gefährdung
durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund“ vorliege, lässt
Polizeipräsident Pientka mitteilen.
Drei Monate später aber sind Polizei, Verfassungsschutz und
Staatsanwaltschaft trotz intensivster Ermittlungen in der Defensive: Gut
möglich ist, dass es die angebliche Terrorgefahr nie gegeben hat. „Die
Ermittlungen haben insbesondere nicht ergeben, dass ein Anschlag konkret
geplant war“, muss der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg
Fröhlich, einräumen.
Nach möglichen Tätern gefahndet hat vor allem die seiner Behörde
unterstellte „Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös
motivierten Terrorismus“. Eingebunden war auch Niedersachsens
Landeskriminalamt; „steter Kontakt“ bestand zur Bundesanwaltschaft in
Karlsruhe. „Wir hatten einen Anfangsverdacht, der sich aber nicht erhärten
ließ“, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Fröhlich heute – und verkündet
die Einstellung des Verfahrens „ohne konkreten Tatverdacht“.
Für Niedersachsens Sicherheitsbehörden ist das eine mehr als herbe
Niederlage. Schließlich hatte nicht nur Braunschweigs Oberbürgermeister
Ulrich Markurth, sondern auch Ministerpräsident Stephan Weil und sein
Innenminister Boris Pistorius (alle SPD) die „Schoduvel“-Absage
unterstützt. Von „sehr konkreten, sehr belastbaren Hinweisen“ redete
Minister Pistorius.
Doch offenbar stützte sich die Terrorwarnung nur auf eine einzige Quelle:
Ein „seit Jahren zuverlässiger“ Informant des Verfassungsschutzes soll ein
Gespräch ihm unbekannter Menschen über den möglichen Terroranschlag
mitgehört haben – nach Informationen der Hannoverschen Allgemeinen durch
ein geöffnetes Autofenster.
Ob das wirklich reichte, um eine Massenveranstaltung mit einer
Viertelmillion Menschen abzusagen, will die Staatsanwaltschaft Hannover
nicht beantworten: Nach der Blamage herrscht das große Schweigen. „Über
unsere Presseerklärung hinaus geben wir keine weiteren Erklärungen ab“,
sagt die als Sprecherin fungierende Staatsanwältin Kathrin Söfker.
Unklar bleibt deshalb, wie viele Menschen durch die anschließende
Auswertung von Funkzellendaten ihrer Mobiltelefone überwacht wurden. „Bei
einem Karnevalsumzug können das eine ganze Menge gewesen sein“, heißt es
aus Ermittlerkreisen dazu nur.
Unzufrieden gibt sich auch die Opposition im Landtag, die im Rechts- und
Innenausschuss teilweise vertraulich unterrichtet wurde. „Ob es sich
tatsächlich um einen geplanten Anschlag oder einen Fehlalarm gehandelt
hat“, sagt CDU-Fraktionschef Björn Thümler, „wissen wir noch immer nicht.…
21 May 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Karneval
Braunschweig
Terrorgefahr
Braunschweig
Polizei
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