# taz.de -- Finanzguru über Eurokrise: Ein Kollaps wird kommen | |
> Der Finanzanalyst Martin Armstrong sagt den Crash des Euro voraus. | |
> Passend zum Start von „The Forecaster“, einer Doku über sein Leben. | |
Bild: Die Struktur des Euro sei von vornherein falsch angelegt gewesen. | |
TÜBINGEN taz | Noch fünf Monate bis zum großen Crash des Euro: Im Oktober | |
2015 wird die europäische Gemeinschaftswährung kollabieren. Das zumindest | |
sagt Martin Armstrong voraus, ein umstrittener amerikanischer Börsenexperte | |
und Finanzmarktanalyst aus New Jersey, USA, und Filmstar: Armstrong reist | |
derzeit durch Europa und stellt den Film „The Forecaster“ vor – eine | |
Dokumentation über sein Leben und Arbeiten. | |
Was ist dran an seiner Vorhersage? In der Finanzwelt wird er von seinen | |
Anhängern gefeiert. Die amerikanische Regierung habe ihn, so behauptet er, | |
bekämpft, wegen angeblichen Betrugs musste er ins Gefängnis. Armstrong hat | |
ein Computersystem entwickelt, mit dem er angeblich Ereignisse auf dem | |
Finanzmarkt voraussagen kann. In vielen Berichten heißt es, er habe den | |
Kollaps des japanischen Börsenindex Nikkei 1989 oder die Russlandkrise 1998 | |
prognostiziert. Nachprüfen lässt sich das schwer. Die Wirtschaftswoche hat | |
ihn nicht unironisch als „Crash-Propheten“ bezeichnet. | |
Trifft man Armstrong persönlich, wird schnell klar, dass er solche | |
Zuschreibungen nicht mag: „Ich habe keine Visionen in der Nacht“, sagt er | |
am Rande einer Konferenz in Tübingen. Er spricht leise, wirkt | |
zurückhaltend, seine Welt ist eine voller komplexer Theorien. Seine | |
Voraussagen hätten nichts mit persönlicher Fähigkeit oder Begabungen zu | |
tun, sondern mit Fleißarbeit und der Überzeugung, dass die Wirtschaft einem | |
unausweichlichen Auf und Ab unterliegt. | |
„Das haben schon andere gesagt, Keynes, Marx. Und schon Joseph sagte in der | |
Bibel: Es wird sieben fette Jahre und sieben dürre Jahre geben“, sagt | |
Armstrong. Die Wirtschaft und Regierungen weigerten sich, dieses Gesetz des | |
Auf und Ab anzuerkennen. In einer Krise verfielen alle Akteure in | |
Aktionismus, zögen voreilige Schlüsse, und keiner stelle die Frage: Hat das | |
schon jemand ausprobiert, was wir jetzt gegen die Krise tun, und wie hat es | |
funktioniert? | |
## Prognosen per Computerprogramm | |
Seit 7. Mai ist der Film des Tübinger Regisseurs Marcus Vetter in den Kinos | |
– und ausgerechnet jetzt lanciert Armstrong seine Voraussage zum | |
Euro-Crash. Ein PR-Coup? „Wir haben das schon 1997 gesagt“, sagt Armstrong. | |
Die Struktur des Euro sei von vornherein falsch angelegt gewesen. Er habe | |
zur Vergemeinschaftung der Schulden geraten, weil sonst das System | |
scheitern werde. Europa-Politiker hätten ihm vor der Einführung des Euro | |
gesagt, dass er durchaus recht habe. Sie hätten aber befürchtet, dass die | |
politische Unterstützung für den Euro schwinde, wenn die Gemeinschaft | |
Staatsschulden von zum Beispiel Griechenland mittragen müsse. Sein Vorwurf: | |
Die Politik habe den Euro gegen besseres Wissen durchgedrückt. | |
Seine Prognosen entspringen einem Computerprogramm, das er in den 80er | |
Jahren geschrieben hat – und noch heute spricht er täglich mit ihm. Seinen | |
Code knacken kann, so sagt er, niemand: Er läuft auf einem Netzwerk von | |
rund 60 Computern weltweit; sobald einer entfernt werde, lösche er seinen | |
Inhalt. | |
Armstrong stellt dem System Fragen – und er erhalte aufsehenerregende | |
Antworten, sagt er. Er sieht sich als Edward Snowden der Finanzbranche. In | |
den USA saß er ab 1999 wegen angeblichen Betrugs zwölf Jahre in Haft – mit | |
einem Schneeballsystem soll er Kunden seiner Beratungsfirma um Millionen | |
Dollar gebracht haben. Verurteilt wurde er aber nie. Regisseur Vetter und | |
die Journalistin Karin Steinberger haben für den Film Armstrongs Geschichte | |
aufgearbeitet. Ihr Film ist zu einer Rehabilitierung geworden, ohne dass | |
sie als solche angelegt gewesen sei, sagt Vetter. Das ist für Armstrong | |
auch nicht wichtig: Entschädigung für seine Jahre im Gefängnis hat er nie | |
gefordert. „Geld wird das Leben nicht verändern“, sagt er. | |
20 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
## TAGS | |
Finanzmarkt | |
Griechenland | |
Eurokrise | |
Griechenland-Hilfe | |
Staatsbankrott | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Griechische Staatsfinanzen: ESM warnt vor Pleite | |
Der Chef des Rettungsschirms ESM warnt vor einer griechischen Staatspleite. | |
Nur bei einer Einigung mit den Gläubigern könnten die Milliardenhilfen | |
fließen. | |
Griechenland droht mit Zahlungsstopp: Pokern mit leerer Staatskasse | |
Athen setzt auf Zeit und droht: Wenn bis zum 5. Juni keine Einigung über | |
das Reformprogramm erfolgt sei, werde es auch keine Rückzahlungen an den | |
IWF geben. |