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# taz.de -- Bio-Siegel: Optionen für den Verbraucher
> Bio wird übersichtlich: Ab 2009 haben Öko-Lebensmittel ein
> Einheits-Siegel. Bioland-Chef Thomas Dosch über Mindeststandards und
> billig-Bio.
Bild: Die erste Bioland-Currywurstbude wurde 2003 standesgemäß eingeweiht. Ob…
taz: Herr Dosch, das Nachrichtenmagazin Focus titelte diese Woche: "EU
duldet Gentech in Biokost". Die EU-Kommission sagt dagegen, Gentech in Bio
war schon vorher erlaubt. Was stimmt denn nun?
Thomas Dosch: Gentechnik war und ist im ökologischen Landbau nicht erlaubt.
Wenn aber technisch unvermeidbare oder zufällige Einträge von Gentechnik in
Bioprodukte kommen, gelten künftig die Kennzeichnungsregeln für Gentechnik.
Das bedeutet, dass bis zu 0,9 Prozent unvermeidbare Verunreinigung nicht
gekennzeichnet werden müssen.
Die EU-Kommission will die Marktchancen von Bio auch dadurch erhöhen, dass
sie nicht strengere Anforderungen stellt als bei konventionellen
Lebensmitteln. Ist das richtig?
Wenn die Kommission - wie von vielen Umweltverbänden gefordert - für
Bioprodukte einen Schwellenwert von 0,1 Prozent Verunreinigung einführen
würde, während konventionelle Produkte erst ab 0,9 Prozent gekennzeichnet
werden müssen, würde das Problem allein auf die Biobauern abgewälzt. Wir
wollen eine strenge Prozesskontrolle und einheitliche niedrige
Kennzeichnungsschwellen für alle Produkte, einschließlich der
konventionellen Futtermittel.
Wo sind die Schwächen des neuen EU-Ökosiegels?
Die Mindeststandards sind sehr schwammig formuliert. Vor allem wird die
Möglichkeit geschaffen, dass einzelne Länder in Ausnahmefällen die
Richtlinien unterschreiten können. Das wird zu Wettbewerbsverzerrungen
führen. Ein Beispiel: Auf Grund einer vorgeblichen Futterknappheit hat
Österreich seinen Biobetrieben erlaubt, bis zu 40 Prozent konventionelles
Futter pro Tagesration zu verfüttern. Das stellt diese Bauern besser als
die Konkurrenz. Wir können nur hoffen, dass solche Ausnahmen streng
beschränkt werden. Wir fordern ein Schwarzes Brett im Internet, wo
einsehbar ist, wer die Richtlinie aus welchen Gründen nicht einhalten will.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Zusatzstoffe.
Wenn ein bestimmtes Vitamin oder Enzym nicht mehr vorhanden ist, dann soll
auch ein durch Gentechnik erzeugter Ersatz verwendet werden können.
Sie sind auch nicht glücklich über die Regelungen zur Herkunftsbezeichnung?
Vordergründig verfolgt die Kommission das hehre Ziel, dass der Verbraucher
immer weiß, wo die Produkte herkommen, die er isst. Das wird aber nur für
Bioprodukte aus Europa vorgeschrieben, für Bioimporte und konventionelle
Lebensmittel gilt die Vorschrift nicht. Wenn ein Hersteller von Biojoghurt
100 Prozent Andechser Biomilch verwendet und Mango-Extrakt hinzugibt, darf
er den Becher nicht mehr als bayerisches Produkt etikettieren. Das ist
Verbraucherverwirrung.
Es gibt ja derzeit eine große Diskussion darüber, ob nur ein regionales
Produkt ein echtes Bioprodukt ist
Es gibt sehr gute Betriebe in Tschechien, die Bioland sofort aufnehmen
würde. Es gibt aber auch Biobetriebe in Deutschland, die wir nie
akzeptieren würden. Mit diesem Konsumpatriotismus ist man nicht immer auf
der richtigen Seite.
Bioland hat ein eigenes Siegel, das für strengere Produktkontrolle und
strengere Schwellenwerte steht. Wie halten Sie das ökonomisch durch?
Auch der Biomarkt ist gespalten. Es gibt Kunden, die wollen billige
Produkte, die gerade noch die Mindeststandards erfüllen. Andere wollen
Premiumqualität und bezahlen dafür mehr. Ein Beispiel: Sie können einen
Apfelsaft aus biologischem Konzentrat, mit Wasser aufgemischt, im Tetrapak
für unter einem Euro kaufen. Ich kann Ihnen aber auch einen Apfelsaft von
einer Bioland-Streuobstwiese anbieten, in einer Kelterei verarbeitet, da
können wir gemeinsam die Äpfel reinkippen. Der Saft kommt in eine schöne
Flasche mit einem schönen Etikett und kostet 1,70 Euro. Beides findet seine
Kunden am Markt. Es geht nicht um eine moralische Bewertung, sondern um
Optionen.
Wenn es bei Bioland zu messbaren genveränderten Einträgen kommt, müssen Sie
manchmal eine ganze Ernte oder eine ganze Lieferung weit unter Preis an den
konventionellen Landbau verkaufen. Wer bezahlt Ihnen den Schaden?
Wir versuchen in unserer ganzen Produktionskette von der Saat über die
Futtermühle bis zum Endprodukt Genverunreinigungen zu vermeiden. Wenn wir
sie dennoch feststellen, lässt sich meist kein Schuldiger ermitteln. Wir
haben eigene Anbauflächen in Oberitalien, eigene Lager und eigene
Transportlaster. Trotzdem hatten wir neulich 0,3 Prozent Gen-Verunreinigung
in unserem Soja und haben es nicht verwendet. Das kostet ein Heidengeld.
Eine solche Entscheidung muss aber dem Betrieb überlassen bleiben. Wenn per
Gesetz geregelt wird, dass ein Schwein, das versehentlich zwei Wochen lang
Genfutter gefressen hat, sein Biolabel verliert, sind die Züchter pleite.
Wie sieht die Haftungsregelung in Deutschland aus?
In Deutschland bekomme ich ja derzeit erst Entschädigung, wenn die Ware
mehr als 0,9 Prozent GVO enthält. Dabei ist schon konventionelle Ware mit
einem Anteil von 0,7 Prozent nicht mehr verkäuflich, weil in der weiteren
Produktionskette leicht noch was dazukommen kann und der Endverkäufer die
Ware dann als Genfood kennzeichnen müsste.
Die EU-Kommission hat die Regelung des störungsfreien Nebeneinanders von
genverändertem und traditionellem Anbau den Mitgliedstaaten überlassen. Ist
das ein Zeichen von Konfliktscheu?
Absolut. Die Kommission hat durchgesetzt, dass kein Land Gentechnik
verbieten darf. Österreich oder Polen können so nicht ausscheren. Die
Kommission bietet keinen wirksamen Schutz für Produzenten an, die keine
Gentechnik verwenden wollen. Natürlich sind die klimatischen Bedingungen in
Finnland anders als in Italien. Aber eine einheitliche EU-Ökoverordnung war
ja auch möglich.
THOMAS DOSCH, 46, stammt von einem kleinen Bauernhof in Süddeutschland und
ist Vorsitzender des Bioland-Verbandes
12 Jun 2007
## AUTOREN
Daniela Weingärtner
## TAGS
EU-Kommission
Malta
EU
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