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# taz.de -- Online-Politik: Computerfreak als Lobbyist
> Aus Ärger über geplante Onlinedurchsuchungen begann ein IT-Spezialist
> Politikern sein Wissen anzubieten. Er rät Computerspezialisten, aktiv zu
> werden.
Bild: Onlinedurchsuchungen? Datenschutz ist ein Standortfaktor in Deutschland, …
Um terroristischen Anschlägen in Deutschland vorzubeugen müssen die
Ermittler dahin, wo die Pläne geschmiedet werden: in die Computer
potenzieller Terroristen. Das findet zumindest Bundesinnenminister Wolfgang
Schäubles und fordert eine gesetzliche Grundlage für Online-Durchsuchungen.
Dem Hamburger IT-Fachmann Hanno Zulla passt das gar nicht. Er griff zum
Telefon, rief Politiker an und bot sich ihnen als qualifizierter
Gesprächspartner zur Überwachungsinitiative an.
"Ich war als Informatiker und als Bürger genervt, dass Politiker über
Informatik wenig wissen", erklärt Zulla seine Motivation. Sich nur zu
beschweren anstatt zu handeln war ihm zu wenig. Er kontaktierte
Bundestagsabgeordnete aus Hamburg und bot sein Expertenwissen an - mit
Erfolg. Termine mit den Abgeordneten zu bekommen stellte sich als
erstaunlich leicht heraus: "Zu meiner Überraschung antwortete der erste
nach weniger als 15 Minuten persönlich auf meine Mail", schreibt
Informatiker Zulla in seinem Weblog.
Ein lokaler Abgeordneter habe ihm gesagt, dass Ingenieure und Informatiker
sich nur selten in der Politik äußern. Das will der Hamburger Unternehmer
ändern, indem er wie ein klassischer Lobbyist den Dialog mit Politikern
sucht und mit den Abgeordneten diskutiert. Besonders das direkte Gespräch
sei daher wichtig, meinte der. Denn Massenbriefe und Emails würden oft
ignoriert - viel wirkungsvoller sei es, wenn IT-Leute direkt an ihre
Politiker herantreten würden.
Zulla hat sich hochgearbeitet - sprach er zunächst vor allem mit lokalen
Abgeordneten, ist er heute bis zu namenhaften Bundespolitikern
vorgedrungen. Bei seinen Besuchen habe er mit den Politikern über eine
ganze Reihe von Themen gesprochen, von der Online-Durchsuchung über
Wahlcomputer bis hin zu Killerspielen. Seine Gesprächspartner hatte er
dabei sorgfältig ausgewählt, sie sind allesamt Mitglieder relevanter
Ausschüsse von Technikfolgeabschätzung bis Fernmeldegeheimnis.
Häufig traf Zulla auf Abgeordneten, die seinen Argumenten offen gegenüber
standen, manchmal waren sie kritisch, in einigen Fällen schienen sie mit
der jeweiligen Thematik überfordert. "Viele Politiker geben gerne zu, dass
sie von dem Thema wenig Ahnung haben, da sie ihre Experten haben, auf die
sie sich verlassen", fasst der Informatiker seine Erfahrungen zusammen.
Doch Zulla hat auch eine gesunde Selbsteinschätzung bei der Wirksamkeit
seiner Bemühungen: Es gebe zwar Politiker, die die Meinung ihrer
innerparteilichen Experten hinterfragen - doch es sei schwer, gegen die
Fraktionsdisziplin anzuarbeiten.
Dabei meint Zulla, dass einige IT-relevante Ideen der Bundesregierung
schlichtweg unpraktikabel sind. "Meiner Meinung nach wird die
Online-Durchsuchung nicht funktionieren. Was die Union mit der
Online-Durchsuchung verfolgt, ist ein Sicherheitstheater", sagt er.
Schäubles Maßnahmen dienten in erster Linie dazu, das subjektive Gefühl von
Sicherheit zu stärken, obwohl sie die Sicherheit selbst nicht wirklich
erhöhen. Unter Experten gilt die Überwachung privater Computer als
ineffizient und leicht zu umgehen.
Als Unternehmer hat Zulla auch wirtschaftliche Bedenken angesichts von
Schäubles Plänen. Datenschutz sei ein wirtschaftlicher Standortfaktor für
Deutschland, der Kunden und Investoren nach Deutschland bringt. Werde der
Datenschutz untergraben, schade das dem Land nicht nur politisch, sondern
auch wirtschaftlich, so Zulla: "Ich bin der Meinung, dass die CDU mit ihrem
Kurs die Bürgerrechte und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland
gefährdet."
Falls der Innenminister seinen Willen bekommt, wären auch die Einschnitte
in den Schutz der Privatsphäre enorm: "Auf den Computern von jungen
Menschen findet sich mehr Privatsphäre als in den Schlafzimmern unserer
Eltern", so Markus Beckedahl, der im Weblog Netzpolitik.org über
Bürgerrechte im digitalen Raum schreibt. Für unsere Elterngeneration sei es
noch unvorstellbar gewesen, dass der Staat in ihre Schlafzimmer schaut,
fasst er den Generationenkonflikt zusammen. Auch Beckedahl sucht regelmäßig
das Gespräch mit Politikern und bestätigt: "Wir brauchen hier mehr
Medienkompetenz für Politiker."
Die Aktion des Hamburgers Zulla unterstützt Beckedahl - und ruft in seinem
Weblog zum Mitmachen auf: "Macht es nach! Wir brauchen noch viel mehr
Menschen, die mithelfen, bei Politikern das notwendige Bewusstsein für die
digitale Welt zu schaffen. Es kostet auch nichts, außer etwas Zeit."
Zulla indes warnt, dass auch das Argumentieren mit Politikern gelernt sein
will. Schlecht vorbereitete Treffen können leicht nach hinten losgehen:
"Nach vielen Politikerbesuchen wird man selbst langsam zum Phrasendrescher.
Ich habe inzwischen eine Reihe vermeintlich guter Argumente parat, die ich
auf Stichwort hin abspulen kann. Leider musste ich dann lernen, dass diese
Taktik eher schädlich ist." Und er gibt seinen Mitstreiter auf seiner
Website noch einen Tipp mit auf den Weg: "Denke bei Deinem Besuch daran: Du
bist ein Fachidiot."
20 Jul 2007
## AUTOREN
P. Bihr
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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