# taz.de -- Gentechnik-Gesetz: Ein fauler Kompromiss | |
> Experten begrüßen die Haftungsregelungen im Gentechnikgesetz-Entwurf. | |
> Doch sie fürchten Klagen wegen unpräziser Paragrafen. | |
Bild: Früher galt Seehofer als Gentechnik-freundlich, jetzt ist er auf einen K… | |
Ein unmögliches Gefeilsche zwischen den Regierungsfraktionen ist vorerst zu | |
Ende. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) hat sich jetzt mit | |
der SPD auf gemeinsame Regelungen für den Anbau von gentechnisch | |
veränderten Pflanzen geeinigt: Anders als von Umweltschützern und | |
Ökoverbänden im Vorfeld befürchtet, wird das neue Gentechnikgesetz nicht zu | |
weitreichenden Erleichterungen beim Gentechanbau führen. Das neue Gesetz | |
würde in vielen Gebieten Deutschlands sogar zu einem sehr weit gehenden | |
Verzicht auf den Einsatz von grüner Gentechnik führen, erklärte Ulrich | |
Kelber, der für die SPD-Fraktion mit Seehofer den Gesetzentwurf | |
aushandelte. | |
In der Vergangenheit war Landwirtschaftsminister Seehofer wiederholt | |
kritisiert worden, er öffne der Grünen Gentechnik Tür und Tor. Seehofer ist | |
mit dem jetzt der taz vorliegenden Gesetzentwurf auf einen Kompromiss | |
eingeschwenkt. So sollen zum Beispiel die nach Meinung der Gentechindustrie | |
bestehenden, rot-grünen "zu strengen Haftungsregelungen" nicht angetastet | |
werden. | |
"Wir sind zwar froh darüber, dass die Haftungsregelungen nicht weiter | |
verwässert werden", sagte Gerald Wehde von Bioland, "hätten uns aber eine | |
Klarstellung gewünscht." Denn auch aus den derzeitigen Vorschriften geht | |
nicht eindeutig hervor, dass ein Gentechlandwirt auch dann für ein durch | |
Pollenflug verunreinigtes Nachbarfeld Schadensersatz zahlen muss, wenn die | |
Gentechkontamination unterhalb der Kennzeichnungspflicht von 0,9 Prozent | |
bleibt. "So wird erst in langwierigen juristischen Auseinandersetzungen | |
geklärt werden müssen, wie weit das Haftungsrecht wirklich geht", sagt | |
Wehde. "Für den betroffenen Landwirt kann es dabei um die Existenz gehen." | |
In dem Gesetzesentwurf sind bei den Haftungsfragen zwar immer noch die | |
alten, rot-grünen Formulierungen zu finden, doch Seehofer interpretiert sie | |
ganz anders als seinerzeit die rot-grünen Politiker. Seehofer geht davon | |
aus, dass ein Schadensersatz nicht bezahlt werden muss, wenn die | |
Verunreinigung unter dem Schwellenwert von 0,9 Prozent bleibt. Um | |
juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, wäre hier so oder so eine | |
Klarstellung notwendig gewesen. | |
Kritik gibt es auch an den vorgesehenen Abstandsregelungen für Gentechmais. | |
Die SPD hatte in der Vergangenheit gefordert, zwischen Feldern mit | |
Gentechpflanzen und nicht manipulierten Pflanzen müsste ein Mindestabstand | |
von 300 Metern eingehalten werden. Nur so könne die Verunreinigung von | |
Nachbarfeldern ausreichend minimiert werden. Seehofer trat für 150 Meter | |
ein. | |
Herausgekommen ist jetzt: 300 Meter Mindestabstand zu einem ökologisch | |
bewirtschafteten Feld und 150 Meter Abstand, wenn auf dem Nachbaracker | |
konventionell gewirtschaftet wird. "Das ist ein fauler Kompromiss", sagt | |
Heike Moldenhauer vom BUND, die nicht nachvollziehen kann, warum die | |
konventionell betriebene Landwirtschaft weniger vor Kontaminationen | |
geschützt werden soll. | |
In Absprache mit den Nachbarn darf nach Seehofers Kompromiss ein | |
Gentechlandwirt sogar ganz auf einen Sicherheitsabstand verzichten. "Damit | |
werde dann die Umgehung der Koexistenz-Regelung sogar per Gesetz erlaubt", | |
meint Christoph Then von Greenpeace. | |
24 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
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Honig | |
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