# taz.de -- Journalistenverband bangt um Datenschutz: Informantenschutz in Gefa… | |
> Eine Online-Durchsuchung würde die Arbeit vieler Journalisten bedrohen, | |
> sagt Hendrik Zörner im Namen des Deutschen Journalistenverbandes. | |
Bild: Gab sich erst mit 91 als Informant "Deep Throat" zu erkennen: Mark Felt. | |
Herr Zörner, derzeit verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe | |
über die Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen. Welches Urteil sollten | |
sich Journalisten wünschen? | |
Zörner: Die komplette Ablehnung der Online-Durchsuchung natürlich. Denn | |
dann wäre es für Wolfgang Schäuble schwierig bis unmöglich, die | |
Online-Durchsuchung als Bundesgesetz durchzusetzen. | |
Was haben Journalisten zu verbergen? | |
Jeder Journalist hat etwas zu verbergen. Er ist verpflichtet die Anonymität | |
seiner Informanten zu schützen. Und seine Recherchen sollten keine Quelle | |
für Ermittlungsarbeit sein. Kommt die Online-Durchsuchung, besteht genau | |
diese Gefahr. | |
Inwiefern? | |
Wir haben schon erlebt, dass staatliche Organe versucht haben, Journalisten | |
als Quellen anzuzapfen, denn oftmals besitzen sie interessante | |
Informationen. Stellen Sie sich vor, ein Journalist recherchiert im | |
islamistischen Millieu. Ermittler wollen an sein Wissen und an seine | |
Informanten herankommen. Also lassen sie heimlich ein Spähprogramm | |
installieren, das unbemerkt Informationen von der Festplatte sendet. | |
Beträfe das nicht nur wenige investigative Journalisten? | |
Nein. Wir haben derzeit zwei aktuelle Beispiele, bei denen Lokalzeitungen | |
von staatlicher Überwachung betroffen sind. Dabei geht es sowohl im Falle | |
der Dresdener Morgenpost als auch im Fall der Wolfsburger Allgemeinen | |
Zeitung nicht um bundesweite Skandale, sondern um regionale oder lokale | |
Korruption. Im Falle der Morgenpost ließ die Staatsanwaltschaft Chemnitz | |
die Verbindungsdaten eines Reporters erheben, um an seine Quellen zu | |
kommen. Diese Fälle zeigen, dass alle Medien und Journalisten von Schäubles | |
neuen Sicherheitsgesetzen betroffen sein können. | |
Wir reden jetzt über zwei verschiedene Maßnahmen. Einerseits die so | |
genannte Vorratsdatenspeicherung, andererseits die Online-Durchsuchung. | |
Sind beide noch zu verhindern? | |
Bei der Online-Durchsuchung - der heimlichen Staatsspionage in Computern - | |
bin ich recht zuversichtlich, dass Karlsruhe diese stoppt. Anders sieht es | |
im Fall der Vorratsdatenspeicherung aus, nach diesem Gesetz sollen | |
Telekommunikationsunternehmen künftig ein halbes Jahr lang speichern wer, | |
wann mit wem per Internet oder Telefon kommuniziert. Das beruht auf einer | |
EU-Richtlinie und der Bundestag muss diese in nationales Recht umsetzen. | |
Allerdings hat der Gesetzgeber Spielräume. Und die nutzt die Große | |
Koalition derzeit nicht. | |
Was sollten SPD und Union tun? | |
Sie müssen Journalisten ebenso wie Mediziner und Anwälte von der | |
Vorratsdatenspeicherung ausnehmen. Tun sie das nicht, wird auch hier der | |
Quellenschutz weiter ausgehöhlt. Wenn Ermittler nachsehen können, wann ein | |
Journalist mit wem telefoniert hat, kann der seinen Quellen keine | |
Anonymität mehr zusichern. | |
Bürgerrechtler sagen, die Journalisten- und Verlegerverbände träten nicht | |
öffentlichkeitswirksam genug gegen Schäubles Gesetzesideen auf. | |
Unsinn. Wir haben unsere Bedenken seit langem öffentlich gemacht. Wir | |
sitzen als Experten in den Anhörungen des Bundestages und formulieren dort | |
sehr deutlich unsere Kritik. Die Verleger tun ebenfalls ihr Bestes. | |
Warum rufen Sie nicht zu Protesten auf. | |
Was würde das bringen? Bei der letzten Demonstration gegen die | |
Überwachungsgesetze in Berlin gingen maximal 15.000 Menschen auf die | |
Straße. Das Thema interessiert die Leute nicht so, wie es angemessen wäre. | |
Mit Lobbyarbeit im Bundestag erreichen wir mehr. | |
Es ist doch aber auffällig, dass sich 2003 fast alle bedeutenden Zeitungen | |
in Deutschland zu einer Kampagne gegen das Verstümmeln von Interviews | |
zusammenfinden konnten, etwas Ähnliches bei sehr viel tiefer gehenden | |
Einschnitten aber nicht zustande kommt. | |
Ich kann nur wieder fragen, was das Ergebnis dieser Kampagne war. Das Thema | |
lief eine Woche lang in den Medien und danach sprach nie wieder jemand | |
darüber. Ergebnisse gab es nicht. | |
Journalisten könnten doch zumindestens häufiger über Schäubles neue Gesetze | |
berichten. Haben sie Angst davor, Partei zu ergreifen? | |
Es gibt in Deutschland die schlechte Tradition der vornehmen Zurückhaltung, | |
wenn ein Thema Journalisten direkt betrifft. Man berichtet nicht gerne über | |
die eigene Zunft. Dabei haben die Bürger das Recht, zu erfahren, was sich | |
in ihren Medien verändert. Und egal ob ein Journalist konservativ oder | |
linksliberal ist - er kann kein Interesse an solch massiven Einschränkungen | |
der Pressefreiheit haben wie sie geplant sind. Denn die Folgen treffen | |
alle. | |
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ | |
10 Oct 2007 | |
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