# taz.de -- Gericht begründet Haftstrafe: Abmahnanwalt "zeigt keine Einsicht" | |
> Das Gericht hat die Haftstrafe gegen Abmahnanwalt Gravenreuth mit | |
> drohenden weiteren Straftaten begründet. Verbraucherschützer erwarten | |
> trotz des Falls kein Ende des Abmahngeschäfts. | |
Bild: "Unbedingt erforderlich, mit Freiheitsstrafe auf den Angeklagten einzuwir… | |
BERLIN taz Seine Gegner nennen ihn den "Abmahn-Vampir". Fest steht: Der | |
Münchner Anwalt Günter Freiherr von Gravenreuth ließ wenig aus, um Menschen | |
gegen sich aufzubringen. Er klagte gern. Und er klagte oft. Bis er | |
vergangenes Jahr auf sein vorerst letztes Opfer traf: die taz. | |
Im September verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Gravenreuth zu | |
sechs Monaten Freiheitsstrafe - wegen versuchten Betrugs an der taz. Doch | |
erst jetzt veröffentlichte Richterin Nissing die schriftliche Begründung. | |
Darin heißt es: "Er zeigt keine Einsicht und hätte die taz GmbH nicht einen | |
derart guten Rechtsanwalt gehabt, hätte der Angeklagte trotz Kenntnis aller | |
Umstände, die zum Erlöschen der Forderung geführt haben, die Internetdomain | |
verwertet. Es war unbedingt erforderlich, mit Freiheitsstrafe auf den | |
Angeklagten einzuwirken, um auch die Allgemeinheit vor dem Verhalten des | |
Angeklagten zu schützen." | |
Trotz dieser klaren Begründung rechnen Verbraucherschützer nicht mit einem | |
Ende des Abmahngeschäfts. Gravenreuth sei ohnehin nicht mehr "die zentrale | |
Gestalt" unter den Abmahnern, sagt Ronny Jahn, Jurist der | |
Verbraucherzentrale Berlin. Was in den letzten zwei Jahren etwa bei ebay | |
und anderen shop-Betreibern los war, sei kein Vergleich zu Gravenreuth. | |
Außerdem sei er im Streit mit der taz ja nicht wegen Abmahnungen verurteilt | |
worden. "Der Fall hat keine besondere Strahlkraft, um andere | |
abzuschrecken", so Jahn. | |
Eine besondere Gemeinheit war es schon: Im Mai 2006 erhielt die taz eine | |
Abmahnung, weil sie Günter Freiherr von Gravenreuth angeblich | |
unaufgefordert eine Bestätigungs-Mail für den taz-Newsletter geschickt | |
hatte. Für diese Belästigung erwirkte Gravenreuth eine einstweilige | |
Verfügung und forderte von der taz 662,90 Euro für die Kosten des | |
Verfahrens. Die taz zahlte den Betrag einschließlich Zinsen, worüber sie | |
Herrn Gravenreuth per Fax informierte. Der behauptete aber, die Zahlung sei | |
nie bei ihm eingegangen. Also machte er kurzen Prozess, pfändete die Domain | |
taz.de und plante bereits ihre Versteigerung. Daraufhin verklagte die taz | |
Gravenreuth wegen versuchten Betrugs. Und bekam recht. | |
Erst bei einer Durchsuchung der Büroräume fand sich das Fax in einem | |
Aktenordner. Im Prozess versteifte sich Gravenreuth darauf, es sei zu | |
diesem Zeitpunkt in seiner Kanzlei so "chaotisch" zugegangen, dass er das | |
Schreiben nie vorgelegt bekommen habe, was das Gericht für eine | |
"Schutzbehauptung" hält. "Bei der taz GmbH handelt es sich nicht um einen | |
kleinen Unbekannten, sondern dieser Zeitungsverlag ist weit über die | |
Grenzen von Berlin bekannt. Es gab nur ein Gerichtsverfahren zwischen der | |
taz GmbH und dem Angeklagten, weitere Geschäftsbeziehungen bestanden nicht. | |
Deshalb ist es ausgeschlossen, dass der Angeklagte sich hier über | |
irgendetwas irrte." | |
Da Gravenreuth durch eine frühere Verurteilung wegen Urkundenfälschung in | |
60 Fällen vorbestraft war, hielt das Gericht eine Geldstrafe nicht mehr für | |
ausreichend. "Eine Freiheitsstrafe kann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt | |
werden, wenn das Gericht davon ausgeht, dass der Angeklagte erneut | |
Straftaten dieser Art begehen wird." | |
Die Internetgemeinde jubelte. Nach der Verkündung des Urteils führten die | |
User von taz.de verbale Freudentänze auf: "Schaut bitte, dass der Wärter | |
den Schlüssel 'zufällig' abbricht, verliert, verbrennt oder sonstwas", | |
konnte man da lesen. Oder: "Danke liebe taz. Lange habe ich diesen Tag | |
schon herbeigesehnt, und heute ist es endlich soweit. Ihr habt, indem ihr | |
eure Integrität geschützt habt, einem der schlimmsten Individuen der | |
heutigen Zeit gezeigt, wo seine Grenzen sind und dass er diese Grenzen | |
überschritten hat." | |
Die Euphorie ist nicht überraschend. "Rainbow", "Tricon", "Ballermann", | |
"Explorer", aber auch Einzelpersonen bekamen Post von Gravenreuth, in der | |
er zum Teil horrende Summen forderte. Wenn er nicht gerade Abmahnungen | |
verfasste, feilte er an seinem Image - gerne mit juristischen Mitteln. | |
Etwa, als er das Landgericht München dazu bringen wollte, die Nennung | |
seines Geburtsnamens zu verbieten. Früher hörte der Freiherr noch auf den | |
schnöden Namen Günter Dörr. Im zarten Alter von 31 Jahren beschloss er | |
jedoch, sich rückwirkend zu adeln und nahm den Mädchennamen seiner Mutter | |
an. "Scheinadeligkeit", nennen das diejenigen, die schon als "Von und Zu" | |
zur Welt kamen. | |
6 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Sarah Stricker | |
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