# taz.de -- Urteil gegen Abmahnanwalt im Wortlaut: "Wissentlich gegen die Recht… | |
> Im September verurteilte das Amtsgericht Abmahnanwalt Gravenreuth zu | |
> einer Haftstrafe wegen versuchten Betrugs. Nun liegt die | |
> Urteilsbegründung vor, die taz.de dokumentiert. | |
Bild: "Unbedingt erforderlich, mit Freiheitsstrafe auf den Angeklagten einzuwir… | |
Geschäftsnummer: (276 Ds) 63 Js 6608/06 (58/07) (nicht rechtskräftig, | |
Berufung ist eingelegt) | |
In der Strafsache gegen Dipl-Ing. GünterWerner Freiherr von Gravenreuth | |
geborener Dörr ... wegen Betruges | |
Das Amtsgericht Tiergarten hat in der Sitzung vom 11.09.2007 erkannt: | |
Der Angeklagte wird wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von | |
sechs Monaten verurteilt.... | |
§§ 263, 22, 23 StGB. | |
Gründe: | |
Der Angeklagte ist Rechtsanwalt und vorbestraft. Das Landgericht München | |
verurteilte den Angeklagten am 18. April 2000 - 23 Ns 315 Js 19785/95 - | |
wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen zu einer Geldstrafe von 150 | |
Tagessätzen zu je 160,00 DM. | |
Am 3. Mai 2006 erhielt der Angeklagte eine E-Mail von der taz GmbH. Am 4. | |
Mai 2006 forderte er die taz GmbH auf, diese E-Mail Zusendungen zu | |
unterlassen und stellte eine Kostenrechnung über 651,80 Euro. Auf diese | |
Aufforderung reagierte die taz GmbH nicht, so dass der Angeklagte am 19. | |
Mai 2006 zum Aktenzeichen 15 0 346/06 beim Landgericht Berlin eine | |
einstweilige Verfügung auf Unterlassung gegen die taz GmbH erwirkte. Mit | |
Schreiben vom 21. Juni 2006 übersandte der Angeklagte der taz GmbH eine | |
Kostenrechnung in Höhe von 408,80 Euro. | |
Mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 2006 beantragte der Angeklagte selbst, | |
die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf 667,90 Euro | |
festzusetzen. Das Landgericht Berlin erließ einen | |
Kostenfestsetzungsbeschluss am 23. Juni 2006 über eine Summe von 662,90 | |
Euro. Am 29. Juni 2006 überwies die taz GmbH eine Summe von 663,71 Euro, | |
die mit folgendem Zusatz beim Angeklagten auf dem Online Kontoauszug am | |
30.06.2006 erschien: TAZ VERLAGS- UND RNR 150246/06 Datum 23.06.2006 | |
BERTAG 663,71 KTO. 700 | |
Den Kostenfestsetzungsbeschluss erhielt der Angeklagte nach eigenem | |
Empfangsbekenntnis am 1. Juli 2006 zugestellt. Der 1. Juli 2006 war ein | |
Samstag, das Empfangsbekenntnis wurde durch den Angeklagten selbst am 1. | |
Juli 2006 an das Landgericht gefaxt. Am 4. Juli 2006 teilte der Angeklagte | |
durch selbst geschriebenes Schreiben vom 4. Juli 2006 mit, er habe | |
zwischenzeitlich den Zahlungseingang der Kostenrechnung für das | |
Abschlussschreiben vom 21. Juni 2006 verbucht. Er sehe dies als konkludente | |
Abschlusserklärung an. Weiterhin forderte er die taz GmbH auf, den | |
Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin fristgerecht auszugleichen. | |
Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 teilte die taz GmbH dem Angeklagten | |
ausdrücklich mit, dass Zahlungsgrund für den Betrag von 663,71 Euro der | |
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 23.06.2006 nebst | |
anteiliger Zinsen sei. Die Zahlung beziehe sich nicht auf die | |
Abschlusserklärung. Dieses Schreiben faxte die taz GmbH sogleich auch an | |
den Angeklagten, das auch am 10.Juli 2006 beim Angeklagten eingeht. Das | |
Schreiben selbst vom 10. Juli 2006 der taz GmbH trägt beim Angeklagten den | |
Eingangsstempel vom 13. Juli 2006. Das FAX wurde anlässlich einer | |
Durchsuchung der Büroräume des Angeklagten in einem Aktenordner entdeckt, | |
nachdem der Angeklagte zuvor mitgeteilt hatte, er habe kein ein FAX | |
erhalten. | |
Trotz der Zahlung durch die taz GmbH beantragte der Angeklagte selbst einen | |
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg | |
am 13. Juli 2006 hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses des | |
Landgerichts Berlin vom 23.06.2006 zu 150346/06. Mit Schreiben vom 14. Juli | |
2006 teilte der Angeklagte der taz GmbH mit, er habe das Schreiben vom 10. | |
Juli 2006 nicht per FAX vorab erhalten. Weiterhin teilt er Folgendes mit: | |
Die Überweisung enthielt u.a. den Text RNR was wohl Rechnungsnummer sein | |
soll. Rechnungen gab es bisher zwei, nämlich zur Abmahnung (welche infolge | |
des Verfügungsverfahrens auf deren Hälfte zu reduzieren ist) und die | |
Rechnung für das Abschlussschreiben. | |
Aufgrund des am 6. September 2006 ergangenen Pfändungs- und | |
Überweisungsbeschlusses wurden die Nutzungsrechte der Internetdomain der | |
taz GmbH gepfändet. Am 16. Oktober 2006 stellte der Angeklagte einen Antrag | |
beim Amtsgericht auf Verwertung der Internetdomain in Form einer | |
Versteigerung. Eine Verwertung der Internetdomain erfolgte nicht, weil die | |
taz GmbH am 25. Oktober 2006 Vollstreckungsgegenklage und Antrag auf Erlass | |
einer einstweiligen Anordnung zum Landgericht Berlin erhoben hatte. Das | |
Landgericht Berlin hat am 27. Oktober 2006 zu 15.0.849/06 dann die | |
Zwangsvollstreckung vorläufig eingestellt. Mittlerweile hat der Angeklagte | |
den Betrag in Höhe von 697,42 Euro am 12.03.2007 an die taz GmbH | |
zurückgezahlt. | |
Am 23. November 2006 erging dann der Durchsuchungsbeschluss für die | |
Büroräume des | |
Angeklagten. Am 9. Januar 2007 begaben sich die Polizeibeamten S. und P. in | |
die Büroräume des Angeklagten und dieser konnte unverzüglich in der | |
dazugehörenden Akte dann das angeblich nicht erhaltene FAX vom 10. Juli | |
2006 auffinden. | |
Der Angeklagte ließ sich dahingehend ein, dass er keinen Betrug begehen | |
wollte. Er sei zwar selbst für die Kontenverwaltung zuständig und führe | |
diese "online", er sei aber davon ausgegangen, er habe einen Anspruch aus | |
dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Er sei davon ausgegangen, die taz GmbH | |
habe den Kostenfestsetzungsbeschluss noch nicht beglichen. Es sei zu diesem | |
Zeitpunkt recht "chaotisch" in seiner Kanzlei gewesen, daher habe er weder | |
das Fax vom 10. Juli 2006 vorgelegt bekommen noch das Schreiben vom 10. | |
Juli 2006 selbst. Diese Einlassung ist nach Ansicht des Gerichts eine | |
Schutzbehauptung. Der Angeklagte hat wissentlich einen Pfändungs- und | |
Überweisungsbeschluss aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt, | |
dessen Anspruch zu diesem Zeitpunkt erloschen war. | |
Der Angeklagte ist Rechtsanwalt und führt seine Konten und deren Eingänge | |
selbst. Dazu benutzt er das Onlineverfahren. Somit hatte der Angeklagte | |
spätestens am 30. Juni 2006 Kenntnis, dass die taz GmbH auf den | |
Kostenfestsetzungsbeschluss gezahlt hatte. Die Zahlung betraf genau die | |
Summe aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin nebst | |
anteilige Zinsen. Sie erfolgte in unmittelbarer Beantragung des | |
Kostenfestsetzungsbeschlusses durch den Angeklagten. Zwischen dem Antrag | |
seitens des Angeklagten und der Zahlung durch die taz GmbH lagen nur Tage. | |
Der Beschluss erfolgte am 23. Juni 2006 und war ausdrücklich als Datum auf | |
dem Online Kontoauszug sichtbar. Zudem war das Geschäftszeichen 15 0 346/06 | |
als "150346/06" angegeben. Der Angeklagte selbst hielt sich am 1. Juli 2006 | |
in seiner Kanzlei auf, einem Samstag, und sandte zu diesem Zeitpunkt das | |
Empfangsbekenntnis über den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts | |
Berlin an das Landgericht per Fax zurück! An einem solchen Tag herrscht | |
Ruhe in der Praxis und ein Rechtsanwalt unterschreibt nicht einfach etwas, | |
was er nicht gelesen hat. Insoweit hatte der Angeklagte seit einem Tag | |
(30.06.2006) Kenntnis von der Zahlung durch die taz GmbH und erhält einen | |
Tag nach Zahlung (01.07.2006) den Kostenfestsetzungsbeschluss. Hier ist es | |
ausgeschlossen, dass ein im Geschäftsleben stehender Rechtsanwalt diese | |
Zahlung vergessen haben könnte innerhalb von höchstens 30 Stunden. | |
Zudem ging es um eine Streitigkeit gegen die taz GmbH. Bei der taz GmbH | |
handelt es sich nicht um einen kleinen Unbekannten, sondern dieser | |
Zeitungsverlag ist weit über die Grenzen von Berlin bekannt. Es gab nur | |
dieses eine Gerichtsverfahren zwischen der taz GmbH und dem Angeklagten, | |
weitere Geschäftsbeziehungen bestanden nicht. Deshalb ist es | |
ausgeschlossen, dass der Angeklagte sich hier über irgendetwas irrte und | |
kein Interesse am weiteren Gang des Verfahrens hatte. Der | |
Kostenfestsetzungsbeschluss und die Zahlung lagen zeitlich derart eng | |
zusammen, dass dem Angeklagten das Erlöschen der Forderung gemäß § 362 BGB | |
nicht entgangen sein kann. | |
Der Angeklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die taz GmbH auf das | |
Abschlussschreiben vom 21. Juni 2006 gezahlt hatte, denn hier wurde seitens | |
des Angeklagten lediglich eine als Kostenrechnung bezeichnete Summe von | |
insgesamt 408,80 Euro geltend gemacht. Dieser Betrag ist nicht in Einklang | |
zu bringen mit der Zahlung die durch die taz GmbH am 29. Juni 2006 | |
erfolgte, denn der Betrag lautete auf 663,71 Euro. Auch konnte der | |
Angeklagte die Zahlung nicht verwechselt haben mit der vom 4. Mai 2006 | |
geltend gemachten Schadensersatzforderung aufgrund der | |
Unterlassungsaufforderung in Höhe von 651,80 Euro. Denn diesen Betrag | |
durfte der Angeklagte gar nicht mehr in dieser Höhe geltend machen. | |
Aufgrund des durchgeführten einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem | |
Landgericht stand dem Angeklagten lediglich - wenn überhaupt - ein Anspruch | |
auf die Hälfte des Betrages zu (Vorbemerkung 3 Abs.4 S.3 W zum RVG). Dies | |
wusste der Angeklagte auch, er schrieb selbst im Schreiben vom 14. Juli | |
2006 "(welche infolge des Verfügungsverfahrens auf deren Hälfte zu | |
reduzieren ist)". Also war auch hier keine Zuordnung auf diese Rechnung | |
möglich, da die Zahlungshöhe drastisch divergierten. Die Zahlung seitens | |
der taz GmbH deckte sich allein mit der Summe aus dem | |
Kostenfestsetzungsbeschluss. | |
Als der Angeklagte nunmehr trotz Kenntnis der Zahlung aus dem | |
Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckte, hat er einen versuchten Betrug | |
gegenüber der taz GmbH begangen, Vergehen des versuchten Betruges gemäß §§ | |
263, 22, 23 StGB. Zur Vollendung kam es allein nicht, weil die taz GmbH im | |
Oktober 2006 eine Vollstreckungsgegenklage erhob und einen Antrag auf | |
Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragte. | |
Bei der Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, | |
dass es lediglich beim Versuch geblieben ist und die Rückzahlung des | |
Betrages in Höhe von 697,42 Euro an die taz GmbH erfolgt ist. Gegen ihn | |
spricht jedoch, dass er vorbestraft ist und die Vollstreckung mittels | |
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis in den Oktober 2006 betrieben | |
hat, obwohl er wusste, dass er keinen Anspruch aus dem Pfändungs- und | |
Überweisungsbeschluss hatte. Der Angeklagte hat sich uneinsichtig gezeigt | |
und in einem hohen Maße hat er sich wissentlich gegen die Rechtsordnung | |
verhalten und dass, obwohl er Organ der Rechtspflege ist. Trotz der | |
klarstellenden Schreiben seitens der taz GmbH hat er seine ihm bekannte | |
falsche Rechtsansicht mit Vehemenz betrieben, weil er mit aller Gewalt die | |
Internetdomain der taz GmbH versteigern wollte, um der taz GmbH | |
wirtschaftlich zu schaden. Aus diesen Gründen kommt nur eine | |
Freiheitsstrafe in Betracht, die mit sechs Monaten angemessen ist. Diese | |
Freiheitsstrafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, weil das | |
Gericht davon ausgeht, dass der Angeklagte erneut Straftaten dieser Art | |
begehen wird. Er zeigt keine Einsicht und hätte die taz GmbH nicht einen | |
derart guten Rechtsanwalt gehabt, hätte der Angeklagte trotz Kenntnis aller | |
Umstände, die zum Erlöschen der Forderung geführt haben, die Internetdomain | |
verwertet. Es war unbedingt erforderlich, mit Freiheitsstrafe auf den | |
Angeklagten einzuwirken, um auch die Allgemeinheit vor dem Verhalten des | |
Angeklagten zu schützen. | |
6 Nov 2007 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gericht begründet Haftstrafe: Abmahnanwalt "zeigt keine Einsicht" | |
Das Gericht hat die Haftstrafe gegen Abmahnanwalt Gravenreuth mit drohenden | |
weiteren Straftaten begründet. Verbraucherschützer erwarten trotz des Falls | |
kein Ende des Abmahngeschäfts. |