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# taz.de -- Mit wildem Spargel: Frischer Fisch statt Cevapcici
> Istrien setzt auf nachhaltigen Qualitätstourismus. Die Halbinsel
> vermarktet sich kleinteilig. Eine Rundfahrt zu romantischen Dörfern und
> sanften Hügeln.
Bild: Rovinj an der Adriaküste, Istrien
Das Emblem des Tourismusverbandes Istriens ist eine blau-grüne Ziege. Das
Blau steht für das Meer, das die kroatische Halbinsel im Norden der
Adriaküste umspült; das Grün für die reichliche und abwechslungsreiche
Pflanzenwelt. Ozren Grbavcic ist Marketingdirektor des Verbandes und seit
15 Jahren im Geschäft. Er spricht die drei in der Branche verlangten
Sprachen Kroatisch, Italienisch und Deutsch, außerdem Englisch, Französisch
und Suaheli. Der schlanke Mann mit den kurzgeschnittenen schwarzen Locken
und grünen Augen hat eine Vision: Er will Istrien, das etwa halb so groß
wie Kreta ist, als Markenname im internationalen Tourismus etablieren.
Dabei setzt er weniger auf Masse als vielmehr auf Qualität - bei
gleichzeitiger Bewahrung der regionalen Traditionen.
Grbavcic, der in Kenia geboren wurde und dort die erste Zeit seines Lebens
verbrachte, überschlägt sich schier vor Begeisterung, wenn er über sein
Istrien spricht: die saubere Luft, das klare Wasser, die malerischen
Küstenstädtchen oder die mittelalterlichen Dörfer, die im Inland zum Schutz
gegen Eroberer hinter dicken Mauern auf den Bergkuppen hocken und einen
Blick auf eine liebliche und fruchtbare Hügellandschaft bieten. Alles ist
am Schönsten und Besten: die Küche mit frischem Fisch an der Küste, wildem
Spargel, hausgemachter Pasta mit Trüffeln oder Wild im Hinterland, der
istrische Qualitätswein, der weiße Malvasier oder der kräftige rote Teran -
Grbavcic ist nicht zu bremsen. Slaven, Römer, Franken, Veneter,
Österreicher, Italiener, und Deutsche haben ihre Spuren in der Sprache, der
Architektur und Kunstgeschichte hinterlassen.
Zum Beispiel Rovinj, ein Küstenstädtchen mit 14.000 Einwohnern, dessen
Geschichte bis in die Antike zurückreicht. Schmale vierstöckige Häuser in
warmen Pastellfarben von Ocker über Siena bis hin zu kräftigem Englischrot
säumen die Sträßchen in der verkehrsberuhigten Altstadt um das Hafenbecken,
in dem kleine Fischerboote liegen. An der Uferpromenade locken Cafés und
Eisdielen einheimische und Besucher. Am Balbitor, das 1679 errichtet wurde,
prangt der Markuslöwe der Serenissima. Entlang der blitzsauberen Gässchen
aus hellem, über die Jahrhunderte hinweg abgetretenem Stein finden sich
kleine Geschäfte, die Keramik, aus Holz geschnitzte Reliefs, Aquarelle und
Ölgemälde anbieten, aber auch Dinge für den täglichen Gebrauch.
An diesem Spätnachmittag sonnt sich die Jugend des Ortes auf den Kalkfelsen
am Wasser, Pärchen haben sich bei einem Aperitif vor winzigen Bars
niedergelassen. Leben und leben lassen im heutigen Istrien. „Lateinisches
Flair, germanische Ordnung und kroatisches Gemüt“ umreißt Zupanija
Istarska, Stadtführerin in Pula an der Südspitze der Halbinsel, die
Lebensart ihrer Landsleute.
Bei der Fahrt durch die istrische Halbinsel zeigt sich, dass
Marketingdirektor Grbavcic nicht nur eine Vision, sondern auch durchaus
einen kritischen Blick hat. Geradezu ein Gräuel sind ihm Billigrestaurants,
die Cevapcici und Pizza anbieten, oder Souvenirstände an der Küste, die
importierte Ramschware aus China wie Muschelketten oder Plastikschlappen
aushängen. Selbst das Schaufenster eines Juweliers, in dem auch
Korallenschmuck angeboten wird, findet nicht wirklich Gnade vor seinen
Augen. „Hier muss istrische Küche und istrisches Kunsthandwerk angeboten
werden“, verlangt er kategorisch. Und er fügt hinzu: „In Istrien gibt es
keine Korallen.“
Ganz besonders regt er sich aber über weißgetünchte Neubauten auf, die in
den historischen Zentren der Küstenstädte oder in der unmittelbaren Nähe
der alten Dörfer im Hinterland aus Beton hochgezogen wurden. Das zerstört
den Blick. Er beharrt auf der traditionellen Steinbauweise, auch wenn das,
wie er zugibt, teurer ist. Ist seine Behörde also auch eine Art
Kulturpolizei? „Wir sind keine Polizei und können nichts verbieten“,
entgegnet er. „Aber wir können etwas fördern oder eben auch nicht.“
Im Vergleich zu einem früheren Besuch in Istrien im April 1992 lässt sich
ermessen, wie viel sich bereits geändert hat. Damals wurden der
Journalistengruppe große, leer stehende Hotelkomplexe vorgeführt, und als
kulinarischen Höhepunkt gab es mittags und abends in den unterschiedlichen
Etablissements jeweils die gleiche „jugoslawische Grillplatte“. Von
angepasstem Tourismus, Ferienwohnungen in Privathäusern oder regionalen
Produkten keine Spur, kein Gedanke. Es war freilich auch die Zeit der
Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Istrien nahm viele Vertriebene und
Flüchtlings aus anderen Teilen Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas auf, die
in Hotels und öffentlichen Gebäuden untergebracht wurden. Doch Schüsse
fielen hier nicht, und nach dem Krieg war der Wiederaufbau zerstörter
Ortschaften nicht die dringlichste Aufgabe. Allerdings mussten die
Unterkünfte der Flüchtlinge, in denen teilweise ganze Familien jahrelang in
einem Zimmer lebten, restauriert werden. Siebzig Prozent dieser Gebäude
sind mittlerweile wieder in Stand gesetzt.
Istrien ist seither durchgestartet. Der Tourismusverband hat die Halbinsel
in sieben Regionen mit eigenen Entwicklungsplänen und Budgets aufgeteilt
und jeder Region ein besonderes Charakteristikum zugeschrieben. Während
Rovinj das Attribut „romantisch“ verliehen wurde, steht die Küstenstadt
Pula mit ihrem Amphitheater aus dem 1. Jahrhundert für Geschichte, Kultur
und Sport, oder das nahe gelegene Dorf Faþana, früher nur Anlegestelle für
die Fähren zur Insel Brijuni, für Sardellen. Im Hinterland wurden eine
Wein- und eine Ölstraße angelegt, es gibt Wander- und Radwege, Bed & Bike,
Familienurlaub auf dem Bauernhof und seit 1996 auch Agrotourismus. Damit
soll eine Abwanderung an die Küste und das Ausstreben der Dörfer verhindert
werden. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa acht Prozent. Mit alternativen
Angeboten zu Badeurlaub und Wassersport soll die Saison verlängert werden.
Hochsaison ist in den Monaten Juli und August. Wer sich auf dieses Konzept
einlässt, etwa Ferienwohnungen ausbauen oder in den Agrotourismus
einsteigen möchte, kann auf Beratung, Schulung und günstige Kredite hoffen.
Das Konzept scheint aufzugehen. Im vergangenen Jahr hatte Istrien 17
Millionen Übernachtungen zu verzeichnen, davon 23,9 Prozent Deutsche. Damit
erreichte die Halbinsel erstmals wieder den bisherigen Spitzenwert aus dem
Jahr 1987.
Doch für Grbavcics Vision, Istrien als internationalen Markennamen
durchzusetzen, muss der Konkurrenz begegnet werden: Italien, Frankreich und
dem ebenfalls zu Kroatien gehörenden Dalmatien mit seiner langen Küste, wo
es im Unterschied zu Istrien auch Hotels und Ferienwohnungen direkt am Meer
gibt. Deshalb, so das nächste Großprojekt, muss jetzt eine „istrische
Riviera“ zwischen Pula und Porec her. Vor dem inneren Auge der Zuhörerin
entsteht eine zubetonierte Küste mit Pflanzenkübeln, Hotelanlagen,
Animation am Pool. „Nein, nein“, protestiert Grbavcic auf eine
entsprechende Frage und fuchtelt abwehrend mit den Händen. „Das wollen wir
hier nicht. Die Gebäude müssen an die Landschaft angepasst sein und dürfen
die Baumwipfel nicht überragen.“
Begriffe wie „istrische Riviera“, „istrisches St.Tropez“ (Pula) oder
„istrische Toskana“ für das Hinterland mag Ozren Grbavcic überhaupt nicht,
obwohl er sie gelegentlich selbst verwendet. „Das hier ist nicht
französisch oder italienisch“, beteuert er. „Das ist istrisch. Istrisch!“
Die Reise wurde ermöglicht von dem Ferienhausanbieter Novasol in
Zusammenarbeit mit der Kroatischen Zentrale für Tourismus
24 Dec 2007
## AUTOREN
Beate Seel
Beate Seel
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Reiseland Kroatien
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