# taz.de -- Schwindel beim "Ohne Gentechnik"-Label: Bahn frei für Genfood | |
> SPD und Union sind sich einig: Auf bestimmten Lebensmitteln dürfen "Ohne | |
> Gentechnik"-Aufkleber prangen - auch wenn genveränderte Stoffe drin sind. | |
Bild: Fruchtloser Protest. | |
BERLIN taz | Nach langer Auseinandersetzung einigten sich am späten | |
Sonntagabend Vertreter der Regierungsfraktionen über ein neues | |
Gentechnikgesetz. Die Koalition will mit dem Gesetz die Regeln zum Anbau | |
von Genmais konkretisieren, die Forschung aber erleichtern. Die neuen | |
Vorschriften sollen schon nächste Woche vom Bundestag verabschiedet werden. | |
Vor allem die Kennzeichnung von "gentechnikfrei" hergestellten Produkten | |
war bis zuletzt umstritten. | |
Die Regelung nun: Künftig dürfen tierische Produkte wie Fleisch, Milch und | |
Eier auch dann einen "Ohne Gentechnik"-Aufkleber bekommen, wenn im | |
Tierfutter gentechnisch hergestellte Zusätze wie etwa Enzyme, Vitamine oder | |
Aminosäuren vorhanden sind - allerdings nur unter bestimmten, strengen | |
Voraussetzungen. | |
Falls gentechnisch veränderte Zusatzstoffe zur Herstellung verwendet | |
werden, müssen sie in der EU-Öko-Verordnung zugelassen sein. Und: Es darf | |
keine Alternative zur Verwendung geben. Auch muss sichergestellt sein, dass | |
in den Zusatzstoffen keine gentechnisch veränderten Mikroorganismen, die | |
als Produktionsstamm genutzt wurden, mehr vorhanden sind. Sie dürfen nicht | |
in das Futter gelangen. | |
Der Anteil an genveränderten Zusatzstoffen darf außerdem 0,9 Prozent nicht | |
übersteigen. Der Umweltverband Greenpeace, der Bund Ökologische | |
Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und der Bundesverband der | |
Verbraucherzentralen (VZBV) begrüßten die neuen Regeln. VZBV-Chef Gerd | |
Billen sagte: "Mit der neuen Kennzeichnung haben Verbraucher künftig die | |
Wahl, Erzeugnisse von Tieren zu kaufen, die ohne gentechnisch veränderte | |
Pflanzen gefüttert wurden." Fast gleichlautende Vorschriften gibt es in | |
Österreich seit längerem. | |
"Eigentlich betrifft uns diese Kennzeichnungsregelung ja nicht", sagte | |
Prinz Felix zu Löwenstein, Vorstandvorsitzender bei BÖLW. Mitglieder seines | |
Verbandes lehnen die Gentechnik ab. Zu Löwenstein: "Es ist auch für den | |
gentechnikfrei produzierenden Biolandwirt wichtig, ob auf dem Nachbarfeld | |
Genpflanzen wachsen." Mit dem Label bekämen konventionell Landwirte einen | |
Anreiz, auf Gentechnik zu verzichten. Viele Verbraucher verschmähen das | |
Gen-Essen. | |
Auch schon heute gibt es ein "Ohne Gentechnik"-Label. Doch die Kriterien | |
sind extrem streng: Denn demnach sind alle gentechnisch veränderten Zusätze | |
im Tierfutter verboten für Bauern, die für ihre Produkte die Kennzeichnung | |
erhalten wollten. | |
Manche Zusatzstoffe, zum Beispiel einige Vitamine, werden in den weltweiten | |
Laboren aber gar nicht mehr ohne gentechnisch veränderte Enzyme | |
hergestellt. Somit war bislang eine "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung | |
praktisch unmöglich. Der Verbraucher bekam gar keine Orientierungshilfe. | |
Das ändert sich nun. | |
Geeinigt haben sich die Koalitionspartner nun auch bei den umstrittenen | |
Abstandsregelungen. Bei Mais sollen zwischen einem gentechnisch und einem | |
ökologisch bewirtschafteten Acker 300 Meter Abstand eingehalten werden, zu | |
einem konventionellen Feld muss der Abstand nur 150 Meter betragen. Ein | |
Gentech-Landwirt darf davon nur mit Zustimmung des Nachbarn abweichen. | |
Dieser muss seine Ernte dann aber auch mit einem Gentechnik-Label versehen. | |
14 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
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EU-Kommission | |
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