# taz.de -- Vermessung des Menschen: Biometrische Systeme im Einsatz | |
> Technik aus Science-Fiction-Filmen kommt heute schon zum Einsatz, im Zoo, | |
> im Kriegsgebiet und im Reisepass. Ein Überblick. | |
Bild: Schau mir in die Augen, Kleines. | |
In Science-Fiction-Filmen werden sie oft gezeigt: biometrische Systeme, die | |
der Sicherheit dienen. Iris-Scan und die Stimmanalyse werden eingesetzt, um | |
sich an der Tür zum Sicherheitsbereich zu identifizieren. Beide Hände | |
werden an der nächsten Barriere in eine gelartige Masse gedrückt, um die | |
Abdrücke der Handfläche abzugleichen. Was nach Zukunft aussieht, wird heute | |
oft schon eingesetzt. Das schafft Arbeitsplätze: Deutsche Anbieter liegen | |
im Biometrie-Geschäft weit vorne. | |
Biometrische Merkmale gelten als unverwechselbare Möglichkeiten, einen | |
Menschen zu identifizieren. Welche Merkmale es gibt, steht links im grauen | |
Kasten. Die Merkmale können vermessen, digitalisiert und gespeichert | |
werden. | |
## Zugangskontrolle zum Affenhaus | |
Der [1][Zoo in Hannover] zeigt sich neuer Technik ganz aufgeschlossen und | |
setzt eine Anlage zur automatischen Gesichtserkennung bei | |
Jahreskartenbesitzern ein. Am Drehkreuz halten die Zoo-Fans ihre | |
Jahreskarte im Check-Karten-Format unter ein Lesegerät und blicken dann in | |
einen Spiegel. Die Kamera hinter dem Spiegel nimmt ein Foto auf und | |
vergleicht das Bild mit dem Foto auf der Karte. Dazu werden die Bilddaten | |
digitalisiert und der Gesichtserkennungssoftware als zweidimensionales | |
Muster zur Verfügung gestellt. Auch die erste Aufnahme, die dann auf dem | |
Ausweis gespeichert wird, wird direkt am Eingang aufgenommen - die Besucher | |
müssen dafür nicht in einen bestimmten Bereich gehen. | |
“Wir haben circa 90.000 Jahreskartenbesitzer. Ein Grund, um ein solches | |
System einzuführen. Darunter gibt es lediglich 50 Menschen, die das System | |
nicht nutzen wollen. Und die müssen auch nicht“, erklärt die | |
Pressesprecherin der Zoos, Simone Hagen-Meyer, am Telefon. Wer das System | |
nicht nutzt, muss sich mit dem Personalausweis bei dem Kassenpersonal | |
ausweisen. Eine Jahreskarte kostet 65 Euro für Erwachsene und 45 Euro für | |
Kinder. | |
## 90.000 halten den Kopf hin | |
Das biometrische Erkennungssystem wurde eingesetzt, um die Weitergabe der | |
herkömmlichen Jahreskarten zu vermeiden. Laut Angabe des Zoos funktioniere | |
das System reibungslos - auch bei Kindern, die eine große Anzahl der | |
Besucher ausmachen. Bei ihnen gab es beim Vorläufersystem, bei dem sich die | |
Besucher per Fingerabdruck ausweisen mussten, immer wieder Probleme. | |
Fingerabdruck-Scanner der Birkenfelder Delsy AG wurden bereits im Mai 2001 | |
an den insgesamt fünf Einlasstoren installiert und mit dem Kassensystem | |
verknüpft. Das System erwies sich im Betrieb als nicht sinnvoll: Die Kinder | |
legten ihren Finger nie so exakt in die dafür vorgesehene Mulde, sodass das | |
System die Abdrücke schlecht vergleichen konnte. | |
Im April 2003 ersetzte der Zoo Hannover das System durch die automatische | |
Gesichtserkennung. Das System ZN-Face wurde bei dem damaligen Bochumer | |
Unternehmen ZN Vision Technologies gekauft, das mittlerweile von | |
[2][Viisage] übernommen wurde. Ein Artikel in der c‘t [3][erklärt] die | |
Technik. Ein solches Erkennungssystem wird in keinem weiteren Zoo oder Park | |
in Deutschland eingesetzt. | |
## Iris-Scan im Sektor | |
In den Vereinigten Arabischen Emiraten wird seit März 2003 ein | |
Grenzkontrollsystem mittels Iris-Scanning [4][eingesetzt]. Es ist der | |
größte Einsatz eines Iriserkennungssystems weltweit. Alle einreisenden | |
Passagiere auf allen 17 Flug-, See- und Landhäfen müssen sich einem | |
Iriserkennungstest unterziehen. Diese Systeme wurden von der britischen | |
Firma [5][IrisGuard] installiert und werden von ihrem Personal weiter | |
betreut. Laut einem Vortrag ([6][PDF]) von Elena Filatova und Roman Keller | |
an der Humboldt Universität Berlin wird dabei jede Iris mit 355.000 | |
Einträgen auf einer „Schwarzen Liste“ verglichen, was sich auf 2.3 | |
Milliarden Vergleiche pro Tag beläuft. In dem Skript des Vortrags sind auch | |
die technischen Verfahren genau erklärt. | |
Auch beim Eintritt in die von der US-Armee kontrollierten Schutzzonen im | |
Irak kommt ein Iris-Scan zum Einsatz. Laut einem Artikel in [7][USA today] | |
erstellen die USA eine biometrische Datenbank von irakischen Staatsbürgern. | |
Das Pentagon hat im März einen 168-seitigen [8][Bericht] (PDF) über den | |
Einsatz von Biometrie-Verfahren zur Verteidigung veröffentlicht, in dem auf | |
Seite 113 auch das Vorgehen im Irak erklärt wird. | |
Die Iris besitzt weit über 200 unverwechselbare Merkmale , also rund | |
zehnmal mehr als ein Fingerabdruck. Diese werden bei der Kontrolle mit dem | |
gespeicherten Bild verglichen. Selbst eineiige Zwillinge haben keine | |
identische Irisstruktur . Außerdem kann leicht zwischen dem Auge eines | |
Lebenden und eines Toten unterscheiden werden. | |
## Automatische Grenzkontrolle | |
Am Frankfurter Flughafen wird in einem freiwilligen Pilotprojekt die | |
[9][Automatisierte und Biometriegestützte Grenzkontrolle] (ABG) umfangreich | |
getestet. In einem Registrierungsbüro (Enrolment Center) auf dem Flughafen | |
werden Ausweisdaten sowie die biometrischen Merkmale der Iris in einer | |
Datenbank gespeichert. Der Registrierungsvorgang soll etwa 15 Minuten | |
dauern. Ein Programm sucht in dem digitalen Foto der Iris nach 240 | |
individuellen Irismerkmalen und erzeugt daraus einen 512 Byte kleinen | |
Datensatz als alphanumerischen Code. | |
Wenn polizeilich nichts gegen den Fluggast vorliegt, kann er ab sofort die | |
automatische Schnellkontrolle nutzen. Dafür muss er den Ausweis auf ein | |
Lesegerät legen und in eine Schwarz-Weiß-Kamera blicken, die den | |
handelsüblichen Videokameras ähnlich ist. Die eingesetzte Weitwinkelkamera | |
ist beweglich und findet selbstständig die Iris. Das aktuell erzeugte Bild | |
wird mit dem gespeicherten verglichen. Der Fluggast wird in Sekunden | |
erkannt. | |
## Schneller einchecken | |
Das Verfahren soll vor allem die Wartezeiten für Non-Schengen-Flüge | |
deutlich verkürzen. Otto Schily hatte das Pilotprojekt auf die Beine | |
gestellt. Ursprünglich sollten nur 10.000 freiwillige Fluggäste an dem auf | |
sechs Monate zeitlich begrenzten Projekt teilnehmen. Mittlerweile läuft das | |
Projekt seit drei Jahren und über 20.000 Personen haben ihre Iris scannen | |
lassen. | |
Auch im [10][Casino in Bad Homburg] wird ein biometrisches [11][System] | |
eingesetzt: Spielsüchtige Menschen, die sich selbst schützen wollen, haben | |
sich mit ihrem Gesicht in einer biometrischen Datenbank speichern lassen. | |
Per Überwachungskamera am Eingang werden sie wie alle anderen Gäste | |
gefilmt. Erkennt die Software eine Übereinstimmung mit einem der | |
gespeicherten Gesichter, sendet der Rechner das Foto ohne Angabe eines | |
Namens per Datenfunk an einen Wachposten. | |
Die Privatbank Pictet & Cie in Genf hat ein Zutrittssystem für 1500 | |
Mitarbeiter auf verschiedene Biometrien [12][gegründet]. Die besonders | |
sensiblen Bereiche werden mit den Systemen der Byometric Systems AG | |
abgesichert. | |
## Biometrie-Studien | |
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat mehrere | |
Studien zum Einsatz biometrischer Systeme [13][durchgeführt]. Gegenstand | |
der Projektreihe „BioP“ waren die Verfahren der Fingerabdruck-, Gesichts- | |
und Iriserkennung, die für den praktischen Einsatz für Personaldokumente | |
getestet wurden. Die Vorgehensweise und die Ergebnisse können hier | |
[14][durchgelesen] werden. Der Chaos Computer Club hat die Studien | |
analysiert und [15][ausgewertet] und warnt seitdem noch lauter vor dem | |
Einsatz biometrischer Methoden, wie beispielsweise bei den E-Pässen. Etwas | |
entspannter [16][sieht] man das bei „heise online“. | |
Nach Ansicht der Gesellschaft für Informatik lassen biometrische Daten wie | |
Fingerabdruck, Iris und Gendaten auf den aktuellen Gesundheitszustand | |
schließen wie auch auf Anlagen zu Süchten und Erbkrankheiten, die relative | |
Lebenserwartung und die sexuelle Orientierung von Männern. „Wer diese Daten | |
auswertet, ist in der Lage, Bürger informationell und auch gesundheitlich | |
zu durchleuchten“, [17][befürchtet] die Gesellschaft in einem Artikel in | |
der taz . | |
## Rückschlüsse aus Daten | |
In den [18][FAQs] zu dem Iris-Scan-Verfahren am Frankfurter Flughafen wird | |
versichert, dass solche Schlüsse aus den letztendlich gespeicherten | |
Datensätzen nicht gezogen werden können. Außerdem haben die Teilnehmer die | |
Möglichkeit beim Verlassen des Projekts, die Anonymisierung ihrer Daten zu | |
verlangen. | |
Ein anderes biometrisches Verfahren hat sich bereits durchgesetzt: Der | |
digitale Fingerabdruck. In Deutschland wird im November 2007 die zweite | |
Generation der E-Pässe eingeführt, die dann zusätzlich zum biometrisch | |
vermessenen Passfoto zwei Fingerabdrücke enthält (siehe Artikel E-Pass). | |
Die Fingerabdrücke in den E-Pässen werden bereits in vielen Ländern | |
eingesetzt. Sogar die rund 460 000 Einwohner der chinesischen Region Macao | |
tragen seit Kurzem E-Pässe mit digitalem Fingerabdruck in der Tasche, die | |
in Deutschland von den Münchner Firmen Siemens und Giesecke & Devrient | |
hergestellt wurden. Wie die Fingerabdrücke erkannt werden können, erklärt | |
das BSI [19][hier] (PDF). | |
## Gesichtserkennung in der Masse gescheitert | |
Das Bundeskriminalamt testete von Oktober 2006 bis Januar 2007 in einem | |
Forschungsprojekt die biometrische Gesichtserkennung in der Eingangshalle | |
des Mainzer Hauptbahnhofs. Rund 23.000 Reisende wurden täglich von | |
insgesamt sechs Kameras aufgenommen. 200 Testpersonen, die täglich den | |
Bahnhof besuchen, nahmen an der Studie teil. Ziel des Systems war es, die | |
Testpersonen aus den Menschenströmen des Hauptbahnhofs heraus zu erkennen. | |
Später könnte ein solches System der Personenfahndung, sogar nach | |
unbekannten Personen, dienen. Allerdings zeigte der Testlauf in Mainz, dass | |
die Technik noch nicht ausgereift ist. „Kameras scheitern an Wintermode“, | |
[20][amüsiert] sich die taz nach Bekanntgabe des Abschlussberichtes des | |
BSI, der hier [21][gelesen] werden kann. In der Nacht oder bei viel | |
Sonnenschein hatte das System erhebliche Probleme, Menschen | |
wiederzuerkennen. Auch durch Kleidung wie Hüte, Mützen oder Schals, die | |
tief ins Gesicht gezogen wurden, schlüpften die Gesuchten durch das | |
Überwachungssystem. | |
Die Gesichtserkennung nutzte die individuellen Merkmale des Gesichts, | |
beispielsweise die oberen Ränder der Augenhöhlen oder bestimmte Bereiche | |
der Kieferknochen und des Mundes. Zur Feststellung der Identität wurde die | |
überprüfte Person mit Lichtbildern aus der Datenbank verglichen. Durch | |
Licht und Schatten unterschieden sich die beiden Bilder noch zu oft. Die | |
üblichen Fragen zum Projekt werden [22][hier] beantwortet. Wie | |
Gesichtserkennung funktioniert, hat das BSI [23][hier] (PDF) ausführlicher | |
erklärt. So bleibt vorerst die Beruhigung: Zurzeit ist es noch recht | |
einfach, sich vor Überwachung zu schützen. | |
Zu den weiteren Brennpunkten: [24][Heimliche PC-Durchsuchungen], | |
[25][Überwachte Kommunikation], [26][Ausweise mit biometrischen Daten] und | |
[27][Schnüffelchips in Kleidung]. | |
11 Feb 2008 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zoo-hannover.de/ | |
[2] http://www.l1id.com/ | |
[3] http://www.heise.de/ct/03/09/026/ | |
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/35938 | |
[5] http://www.irisguard.com/ | |
[6] http://www2.informatik.hu-berlin.de/Forschung_Lehre/algorithmenII/Lehre/SS2… | |
[7] http://www.usatoday.com/printedition/news/20070713/1a_lede13.art.htm | |
[8] http://www.acq.osd.mil/dsb/reports/2007-03-Biometrics.pdf | |
[9] http://www.bundespolizei.de/cln_048/nn_256168/DE/Home/08__Service/ABG/ABG__… | |
[10] http://www.spielbank-bad-homburg.de/de/ | |
[11] http://www.bosch-sicherheitssysteme.de/de/systeme/referenzen/badhomburg.htm | |
[12] http://byometric-iriserkennung.de/19_februar_07.html | |
[13] http://www.bsi.de/fachthem/biometrie/projekte/index.htm | |
[14] http://www.bsi.de/fachthem/biometrie/projekte/studien/biop/index.htm | |
[15] http://www.ccc.de/epass/pm20050906 | |
[16] http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/63713&… | |
[17] /pt/2006/04/19/a0080.1/text | |
[18] http://www.bundespolizei.de/cln_048/nn_268798/DE/Home/08__Service/ABG/faq.… | |
[19] http://www.bsi.de/fachthem/biometrie/dokumente/Fingerabdruckerkennung.pdf | |
[20] /digitaz/2007/07/12/a0152.1/text | |
[21] http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/fotofahndung/pdf/fotofahndung_abs… | |
[22] http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/fotofahndung/faq.html | |
[23] http://www.bsi.de/fachthem/biometrie/dokumente/Gesichtserkennung.pdf | |
[24] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/online-durchsuchung/artikel/1/heim… | |
[25] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/vorratsdatenspeicherung/artikel/1/… | |
[26] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/e-pass/artikel/1/zeigt-her-eure-fi… | |
[27] /1/archiv/dossiers/dossier-ueberwachung/rfid/artikel/1/funkende-kleidung/ | |
## AUTOREN | |
Kathrin Giese | |
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