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# taz.de -- Borneos Palmöl für Europas Biosprit: Klimaschutz statt Orang-Utans
> Für Europas Biospritbedarf fällt anderswo der Regenwald. Das ist unterm
> Strich eher schädlich für die Umwelt. Und für die Affen, die auf Borneo
> "Waldmenschen" heißen.
Bild: Manmal hängt ein Waldmensch im Weg: Orang-Utan auf Borneo.
PONTIANAK/KUMAI taz Ölpalmen rechts, Ölpalmen links - seit Stunden fährt
der Bus nun schon durch eine eintönige Plantagenlandschaft. "Das ist
natürlich eine riesige Chance für uns", sagt Teluk Bogam, ein 20-jähriger
Student aus Pontianak im Westen Borneos. Früher gab es hier keine Straße.
"Seit die aber bis hinüber nach Malaysia führt, haben wir hier dank der
Palmölnachfrage einen richtigen Wirtschaftsboom", sagt Bogam.
Mit der Straße kamen Arbeitsplätze und mit den Arbeitsplätzen hielt ein
bescheidener Wohlstand in die zu Indonesien gehörende Provinz Kalimantan
Einzug.
Eine halbe Million Hektar Ölpalmenplantagen gibt es schon in Kalimantan,
fünfmal so viel sollen es nach dem Willen des Gouverneurs werden.
Hauptabnehmer waren bis in die 90er-Jahre die Lebensmittel- und
Kosmetikindustrien. Seit aber Europa und Amerika Biotreibstoffe als
Alternative zum Erdöl entdeckt haben, läuft das Geschäft auf Hochtouren. In
den letzten zehn Jahren hat sich der weltweite Palmölverbrauch auf über 30
Millionen Tonnen im Jahr mehr als verdoppelt.
100 Früchte sind das Soll
Nur langsam kommt der Bus auf der Piste vorwärts, immer wieder muss er
Laster überholen, die die kindskopfgroßen Fruchtstände der Ölpalme
transportieren. "Die Arbeiter tragen die Früchte an die Straße, 100 Stück
sind Soll am Tag", erzählt Teluk Bogam. Wer mehr schafft, bekommt Extrageld
- und momentan kann es gar nicht genug "mehr" sein. Die Nachfrage ist
zuletzt geradezu explodiert, vor allem China versucht sich neue
Ressourcenquellen zu erschließen. Auch Europa ist wie ein gieriger
Ölschlund: Die EU-Kommission hat beschlossen, bis 2020 den Anteil von
Agrodiesel im Dieseltreibstoff auf 10 Prozent zu erhöhen.
Europa hat aber nicht genug Ackerflächen, um ausreichend Raps anzubauen.
Deshalb wird überall in Indonesien Regenwald gerodet, um stattdessen die
ursprünglich aus Afrika stammende Ölpalmen zu pflanzen.
Teluk Bogam, der in Westkalimantans Hauptstadt Pontianak lebt, war gerade
eine Woche in Malaysia. "Urlaub machen", wie er sagt. "Meine Eltern konnten
sich so was früher nie leisten", so der Student. 10 Euro kostete die
Busfahrt in die Glitzerwelt Malaysias, und Bogam ist begeistert vom
Reichtum des Nachbarlandes. "So zu leben - ein Traum!" Den er aber nicht
nur träumen will: Auf Öltechnik will sich der 20-Jährige spezialisieren,
"denn das wird hier absehbar ein Boomsektor bleiben".
Das fürchtet auch der World Wide Fund for Nature (WWF). "Die Europäer
wollen umweltfreundlicher werden, aber viele machen sich nicht klar, dass
damit die Natur in Indonesien zerstört wird", sagt der indonesische
WWF-Experte Iwan Wibisono. Für Palmölplantagen werde überall im Inselstaat
Regenwald abgeholzt, der Regenwald sei vom Aussterben bedroht. Sein Kollege
Purwo Susanto ergänzt: "Auf Sumatra ist der meiste Wald schon abgeholzt,
und alle Flächen sind mit Plantagen zugepflastert. Jetzt richtet sich das
Augenmerk auf Kalimantan."
Nur einzelne Waldinseln
Indonesiens Pläne sind tatsächlich gigantisch: 5,4 Millionen Hektar waren
2004 im Inselreich mit Ölpalmen bepflanzt. Laut Regierungsbeschluss sollen
in diesem Jahr 8,4 Millionen Hektar erreicht werden - der größte Teil des
Zuwachses soll in Kalimantan erreicht werden. Auf Satellitenaufnahmen sieht
die Landschaft schon jetzt aus wie ein Flickenteppich - kleine Waldstücke
stehen wie einsame Inseln in teils riesigen Öden. Für mindestens 20
Millionen Hektar Ölpalmenplantagen soll es in Indonesien schon Verträge
geben - eine Fläche, die fünfmal so groß ist wie die Schweiz.
Der UN-Klimarat IPCC hat ermittelt, dass 20 Prozent des Kohlendioxids
weltweit durch die Entwaldung verursacht werden. Damit ist das Abbrennen
oder Roden der Wälder die zweitgrößte Emissionsquelle auf der Welt - nach
der Energiewirtschaft. Zwar hat sich auf Antrag der Regenwaldländer
Brasilien, Indonesien und Papua-Neuguinea die Klimakonferenz der UNO auf
Bali auch mit der Entwaldung befasst - ohne allerdings irgendwelche
nennenswerten Beschlüsse zu fassen.
Palmöl ist teurer als Diesel
In das Herz Borneos, nach Zentralkalimantan, gelangt man aus Pontianak nur
mit dem Flugzeug. Flüsse, traditionell die Verkehrswege auf Borneo, fließen
nicht von West nach Ost, sondern von Nord nach Süd, und Straßen gibt es
noch nicht. Trotzdem gleicht Borneo aus der Luft einem Schachbrett:
Tausende Palmölplantagen reihen sich aneinander, und mit den Plantagen
kommen auch die Straßen.
Kumai ist eine kleine Hafenstadt in Südkalimantan. An der Tankstelle stehen
Dutzende Autos in der Warteschlange - verlassen. Diesel gibt es erst in der
nächsten Woche, und es ist wichtig, einen guten Ausgangsplatz in der
Schlange zu haben. Denn niemand weiß, wie viel Diesel geliefert wird. Auf
der Reede vor Kumai liegen etliche voll beladene Palmöltanker. Könnten die
Autofahrer von Kalimantan sich nicht selbst helfen, zum Beispiel mit
Palmöl? "Nein", sagt Danny, der als Fremdenführer in Kumai arbeitet, "das
Palmöl ist dreimal teurer als unser Diesel."
Das allerdings könnten sich nur die reichen Europäer leisten. Für Danny
sind reiche Europäer ein Segen: Er verdient sein Geld mit Ausflügen ins
nahe gelegene Orang-Utan-Reservat Camp Leakey. Der Palmölboom hat die
"Waldmenschen", wie die Orang-Utans in der Sprache der Ureinwohner Borneos
heißen, nahezu ausgerottet. Danny verdient an den Touren ins Reservat so
gut, dass er sich auch ab und zu Diesel auf dem Schwarzmarkt kaufen kann.
24 Feb 2008
## AUTOREN
Nick Reimer
## TAGS
Regenwald
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