# taz.de -- Ausschreitungen in Tibet: Dalai Lama erwägt Rücktritt | |
> Der Friedensnobelpreisträger drängt auf Gewaltlosigkeit und droht bei | |
> einer weiteren Eskalation der Unruhen in Tibet mit dem Rücktritt von | |
> seinen politischen Ämtern. | |
Bild: Sind zwar dicke Freunde, doch der eine klebt an seinem Posten, der andere… | |
BERLIN taz Der Dalai Lama hat am Dienstag in seinem nordindischen Exilort | |
Dharamsala seine tibetischen Landsleute zu absoluter Gewaltlosigkeit | |
aufgefordert und im Falle weiterer Gewalteskalation mit dem Rücktritt von | |
der weltlichen Führung der Tibeter gedroht. Diese Äußerungen des | |
Friedensnobelpreisträgers erfolgten nur wenige Stunden, nachdem Chinas | |
Premier Wen Jiabao ihn für die Gewalt in Tibet verantwortlich machte. | |
Der Dalai Lama wies Wens Vorwürfe zurück und lud chinesische Ermittler nach | |
Dharamsala ein. "Checkt unsere Büros. Sie können meinen Puls fühlen, meinen | |
Urin, meinen Stuhl, alles", sagte er einem Bericht zufolge in der ihm | |
eigenen Art. | |
Da der jetzige 14. Dalai Lama als religiöses Oberhaupt der tibetischen | |
Buddhisten nach deren Glauben die Wiedergeburt seiner Vorgänger ist, kann | |
er von seiner religiösen Funktion nicht zurücktreten. Doch ist er zugleich | |
auch ihr politischer Führer, dabei jedoch kein Politiker im herkömmlichen | |
Sinn. In den letzten Jahren gab er bereits politische Macht an eine von | |
Exiltibetern gewählte - weitgehend machtlose - Exilregierung in Dharamsala | |
ab. Trotzdem blieb er de facto politisch und moralisch der Führer der | |
Tibeter. Auch gestern betonte er wieder, dass er keine Kontrolle über die | |
Menschen in Tibet habe. Doch viele Demonstranten hatten in den letzten | |
Tagen Bilder von ihm getragen und sich auf ihn als ihr Oberhaupt berufen. | |
Neu sei die Rücktrittsdrohung als solche nicht, jedoch in dieser | |
Deutlichkeit gegenüber den internationalen Medien, meint Tsewang Norbu. Der | |
in Berlin lebende Exiltibeter und Mitgründer des Vereins der Tibeter in | |
Deutschland sagte der taz, er fühle sich dabei an Gandhis Drohung mit einem | |
Hungerstreik erinnert: "Die Äußerung ist auch ein Zeichen der Ohnmacht." | |
"Darin drückt sich aus, wie ernsthaft die Situation ist", sagt der | |
Geschäftsführer des Berliner Büros der International Campaing for Tibet, | |
Kai Müller. "Ernst für den Dalai Lama, für die Tibeter, aber auch für die | |
Chinesen. Letztere würden sich vielleicht freuen, wenn er weg ist. Doch das | |
würde ihnen auf die Füße fallen, da sie dann keinen anerkannten | |
Gesprächspartner mehr hätten." | |
Strittig unter den Tibetern ist der angestrebte Status von Tibet. Der Dalai | |
Lama tritt für eine echte Autonomie ein, besonders jüngere Tibeter wollen | |
die Unabhängigkeit. "Bei der Gewaltlosigkeit steht aber eine große Mehrheit | |
hinter dem Dalai Lama", so Norbu. | |
19 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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