# taz.de -- Vorratsdatenspeicherung ausgebremst: Karlsruhe stoppt Datensammler | |
> Das Verfassungsgericht hat den Sicherheitsbehörden den massenhhaften | |
> Zugriff auf Verbindungsdaten untersagt. So bekommt die Bundesregierung | |
> schon wieder die Gelbe Karte gezeigt. | |
Bild: Verbindungsdaten gehen die Behörden nur im Einzelfall etwas an, meinen d… | |
KARLSRUHE taz Derzeit kommt in Karlsruhe kein Sicherheitsgesetz ungeschoren | |
davon. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht erneut zugeschlagen und | |
eine einstweilige Anordnung gegen die seit Jahresbeginn laufende | |
Vorratsdatenspeicherung erlassen. Der Eilbeschluss hat zunächst zwar | |
überwiegend symbolische Bedeutung, ist aber - gerade weil mit ihm nicht | |
gerechnet wurde - ein starkes Signal gegen den Ausbau des | |
Überwachungsstaats. | |
"Ein solches Stakkato von bedenklichen Sicherheitsgesetzen ist einmalig in | |
der deutschen Geschichte", sagte der Datenschutzbeauftragte des Bundes, | |
Peter Schaar, der taz. Der Arbeitskreis Vorrat, eine Klägergruppe gegen die | |
Datensammlung, forderte am Mittwoch den Rücktritt der zuständigen | |
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). | |
Seit Jahresbeginn müssen die Telefonfirmen sechs Monate lang speichern, wer | |
mit wem wie lang telefoniert. Bei Handys wird auch der ungefähre Standort | |
während des Telefonats gespeichert. Ab 2009 müssen zusätzlich die | |
Internet-Provider registrieren, wer wem wann eine E-Mail schreibt und wer | |
mit welcher IP-Adresse ins Internet geht. Zugriff hat die Polizei bei | |
Verdacht auf schwere Straftaten oder Telekommunikationsdelikte. Die Inhalte | |
der Gespräche, der E-Mail und der angesehenen Webseiten werden nicht | |
gespeichert. | |
Gegen diese im Wesentlichen auf einer EU-Vorgabe beruhende | |
Vorratsdatenspeicherung haben einige FDP-Politiker um Burkhard Hirsch sowie | |
acht Bürgerrechtler aus dem AK Vorrat geklagt. Der AK Vorrat hat Ende | |
Februar außerdem die Klagen von 34.000 Bürgern nachgereicht - die größte | |
Verfassungsbeschwerde aller Zeiten. Gestern wurde über den Eilantrag der | |
AK-Vorrat-Kläger entschieden. Die FDPler hatten keinen Eilantrag gestellt. | |
Der AK Vorrat wollte erreichen, dass die Vorratsdatenspeicherung bis zur | |
eigentlichen Karlsruher Entscheidung, mit der frühestens nächstes Jahr | |
gerechnet wird, sofort gestoppt wird. Dieses Ziel wurde verfehlt. Karlsruhe | |
lässt die Zwangsspeicherung der Daten bei den Telefonfirmen unvermindert | |
weiterlaufen. Allerdings hat das Gericht die Nutzung dieser Daten durch die | |
Polizei beschränkt. Die Polizei kann auf diese Daten ab heute nur noch | |
zugreifen, wenn sie ein schweres Verbrechen aufklären will. | |
Für Straftaten, die mittels Telefon und Computer begangen wurden - zum | |
Beispiel illegale Musikdownloads -, kann die Polizei nur ein Einfrieren der | |
Daten verlangen. Die eingefrorenen Daten stehen der Polizei aber frühestens | |
nach Ende des Karlsruher Verfahrens zur Verfügung. IP-Adressen sind davon | |
derzeit noch nicht betroffen, weil die Vorratsdatenspeicherung von | |
IP-Adressen erst ab 2009 vorgeschrieben ist. Es spricht aber viel dafür, | |
dass Karlsruhe die Nutzung der Vorratsdaten zur Überführung von | |
Musikpiraten im Haupturteil generell verbieten wird (siehe Text unten). | |
Die Karlsruher Einschränkung für die Polizei hält sich in Grenzen. Denn sie | |
kann weiterhin auf alle Daten zugreifen, die bei den Providern zu | |
Abrechnungszwecken gespeichert sind. Mit diesen Daten darf sie auch | |
Musikpiraten verfolgen. Vermutlich wird sie dabei aber wenig Erfolg haben, | |
weil wohl fast alle Musikpiraten eine Internet-Flatrate nutzen und hier | |
IP-Adressen nur wenige Tage gespeichert werden dürfen. | |
Die einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts gilt sechs Monate, kann | |
aber bis zum Urteil in der Hauptsache mehrfach verlängert werden. | |
Die Rücktrittsforderung des AK Vorrat an der Justizministerin bezieht sich | |
darauf, dass sie die EU-Richtlinie mit ausgehandelt und ihr zugestimmt | |
habe. Außerdem habe sie das deutsche Umsetzungsgesetz vorbereitet, das noch | |
über die EU-Vorgaben hinausgehe, vor allem bei der Verfolgung von | |
Musikpiraten. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, | |
wies die Rücktrittsforderung zurück, Karlsruhe habe die Vorratsspeicherung | |
ja weiterhin erlaubt. | |
Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, sagte zur taz: "Die | |
verantwortlichen Politiker haben viele Warnungen in den Wind geschlagen. | |
Datenschützer und Bürgerrechtler wurden als Ahnungslose lächerlich gemacht. | |
Doch die Antwort auf das Stakkato an bedenklichen Sicherheitsgesetzen | |
zeigt, dass wir in einem funktionierenden Rechtsstaat leben." | |
19 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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