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# taz.de -- Der aktuelle Tipp von Berlins Polizeipräsident: „Porsche nicht i…
> Polizeipräsident Dieter Glietsch ist linken Brandstiftern und
> Polizeiübergriffen auf der Spur. Nur von Fußball hat er keine Ahnung.
Bild: Immer vorne mit dabei: Polizeipräsident Glietsch im Kreuzberger Getümme…
taz: Herr Glietsch, was macht Ihnen mehr Sorgen? Die Aktionen der linken
Szene während der Freiraumtage oder die täglichen Jubelarien der
Fußballfans auf dem Ku'damm?
Dieter Glietsch: Auf die Jubelarien sind wir vorbereitet. So lange es
friedlich bleibt, ist das überhaupt kein Problem. Wir sind auch darauf
eingestellt, dass es bei dem Sieg von bestimmten Mannschaften zu
Auseinandersetzungen kleiner Art kommen kann.
Gäbe es ein Partie, die Ihnen Sorgen machen würde?
Nein. Dass wir alles gut im Griff haben, haben wir ja schon bei der
Fußball-WM gezeigt.
Die Freiraumtage hatte die Polizei nicht so gut im Griff. Es gabe eine
Hausbesetzung und reihenweise brennende Autos. Wurden Sie davon überrascht?
Nein. Wir waren ziemlich genau auf das eingestellt, was sich in dieser
Woche ereignet hat. Die Freirraumtage wurden ja intensiv beworben. Welches
Haus besetzt wird und welche Autos angezündet werden, konnten wir
schlechterdings nicht wissen. Die Inbrandsetzung von Fahrzeugen ist
polizeilich nur sehr schwer zu bekämpfen.
Warum ist das so schwer?
Wir haben über eine Millionen Autos auf der Straße, die als Tatobjekte in
Frage kommen. Um vier Uhr morgens ist es dunkel, die Straßen sind
menschenleer. Der Täter bückt sich kurz und legt einen Grillanzünder unter
das Auto. Bevor das qualmt, ist er schon zwei Straßen weiter.
Drei Personen hat die Polizei während der Freiraumtage dann aber doch
festgenommen.
Aus polizeilicher Sicht gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass sie Autos in
Brand setzten wollten. Möglicherweise haben sie das auch bereits getan. Mir
kann keiner erzählen, dass einer nachts mit Einweghandschuhen, Feuerzeug
und Grillanzündern im Brustbeutel rumläuft, nur um spazieren zu gehen. Das
haben die Betreffenden aber behauptet. Unser Problem ist, dass wir die
Täter mehr oder weniger auf frischer Tat ertappen müssen.
In dem Moment, wenn der Zünder drapiert wird?
Richtig. Sonst müssen wir sie wieder entlassen, weil es sich im
strafrechtlichen Sinne noch nicht einmal um eine Versuchshandlung gehandelt
hat. Bei zwei der Festgenommen ist der Tatverdacht noch nicht ganz
ausgeräumt. Bei dem dritten steht fest, es war noch keine Versuchshandlung.
Was raten Sie dem Porsche-Besitzer in Kreuzberg?
Man kann ihm nur abraten, sein Auto nachts auf der Straße zu parken.
Stimmt es, dass die Kripo jetzt Köder aufstellt, also mit Kameras
ausgestattete Nobelkarossen?
Wir nutzen alle Möglichkeiten, die es uns erleichtern, Festnahmen auf
frischer Tat zu machen. Mehr sage ich nicht dazu.
Waren die Freiraumtage eine Renaissance der linken Szene?
Ich habe nie geglaubt, dass der gewaltbereite Teil der linksextremen Szene
in Berlin tot ist. Mit einem Aufflackern bei bestimmten Gelegenheiten ist
auch in Zukunft zu rechnen. Auch Mediaspree könnte so ein Anlass sein.
Gewaltausbrüche gibt es leider auch bei der Polizei. Am 1. Mai hat es zwei
taz-Redakteure getroffen. Haben Sie sich die Polizeivideos von dem Vorfall
angeguckt?
Ja, aber ich kann und will sie noch nicht bewerten. Ich lege großen Wert
darauf, solche Sachverhalte aufzuklären. Aber man wird auch in Zukunft
nicht ausschließen können, dass Polizisten der geschlossenen Einheiten in
einer Stresssituation falsch reagieren.
Ist das eine Entschuldigung?
Nein. Man darf nicht sagen, „wo gehobelt wird, fallen Späne“. Man muss
Konsequenzen ziehen, wenn feststeht, was passiert ist.
Müssten Sie dann nicht die individuelle Kennzeichnung der Beamten
einführen?
Rechtsstaatlich ist es problematisch, wenn die Aufklärung einer Straftat
daran scheitert, dass tatverdächtige Polizisten nicht identifiziert werden
können. Aber die Einzelkennzeichnung wird von den Mitarbeitern sehr
emotional, von den Befürwortern sehr ideologisch geführt. Beides ist nicht
hilfreich für eine sachliche Auseinandersetzung.
Wann könnte ein Einzelkennzeichnung denn schaden?
Rein rational betrachtet: gar nicht. Aber ich muss überzeugende Argumente
haben, wenn ich jetzt noch einen Schritt weiter gehe, als bei der
Gruppenkennzeichnung, die wir vor drei Jahren eingeführt haben.
Vorher hatten je 40 Beamte eine Nummer, nun je zehn.
Genau. Diesen Schritt haben wir im Einnehmen mit der
Beschäftigtenvertretung getan. Wenn ich jetzt weiter gehen will, muss ich
belegen, dass dieser große Schritt nicht gereicht hat, um offenkundig
berechtigte Vorwürfe im Hinblick auf polizeiliche Übergriffe aufzuklären.
Es gab Fälle, die nicht aufgeklärt werden konnten …
… aber ich kenne bisher keinen, bei dem es am Fehlen der Kennzeichnung lag.
Weil meine hausinterne Überprüfung eventuell nicht überzeugt, habe ich
einen Rechtsprofessor gebeten, rund 150 Vorgänge auszuwerten. Er hat noch
keinen Vertrag …
… das läuft noch gar nicht?
Doch, er hat die ersten Akten und muss jetzt sagen, für 150 solcher Akten
brauche ich …
… fünf Jahre?
Nein, nein.
Im November 2006 hatten Sie angeordnet, dass die Beamten des SEK
gekennzeichnet werden. Erst jetzt, anderthalb Jahre später, wurde das
umgesetzt. Gab es da Widerstände?
Natürlich haben die Kollegen nicht begeistert Ja gesagt, aber daran lang es
nicht.
Wurde da verschleppt?
Nein. Erst musste eine praktikable Lösung gefunden werden, dann nimmt das
personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren viel Zeit in Anspruch.
Anschließend gibt es eine Ausschreibung. Dann wird zunächst der falsche
Stoff ausgesucht, bevor man feststellt, dass der Aufnäher nicht an die
vorgesehen Stelle passt. All das führt dazu, dass das länger dauert, als es
einem lieb ist.
Heißt das, Sie werden die Kennzeichnung der geschlossenen Einheiten als
Polizeipräsident nicht mehr erleben, wenn Sie 2011 in Ruhestand gehen?
Ich würde darunter nicht leiden. Aber wenn ich Ende des Jahres das
Gutachten habe, kann auch die Entscheidung über Konsequenzen fallen. Das
muss nicht nochmal zwei Jahre dauern, wenn das Ergebnis für die
Kennzeichnung spricht.
Es geht also schneller als beim SEK?
Man lernt aus solchen Prozessen. Aber ich halte die Kennzeichnung auch
nicht für ein brennendes Problem. Seit Jahren wird den Beamten unser
Einsatzeinheiten auch von politischen Kräften, die der taz nahe stehen,
bescheinigt, dass sie eine ganz tolle Entwicklung durchgemacht haben. Sie
sind nicht mehr die Prügelgarde der Nation. Sie sind in der Lage, vom
Einsatzmittel der Kommunikation viel besser Gebrauch zu machen. Sie
schreiten gezielt ein gegen Gewalttäter. Sie wissen, dass es ganz wichtig
ist, dass man Unbeteiligte nicht in Mitleidenschaft zieht. Und ausgerechnet
nach solch einem Prozess sollen die Berliner als bundesweit erste die
individuelle Kennzeichnung einführen …
… man könnte auch sagen: gerade jetzt!
So würde ich auch argumentieren. Aber das muss nicht jeder teilen.
Wer wird Fußball-Europameister?
Fragen Sie mich nicht sowas! Mich interessiert … Nein, das sag ich jetzt
nicht.
Doch!
Mich interessiert am Sport in erster Linie die Gewaltproblematik. Und das
ist berufsbedingt.
13 Jun 2008
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Plutonia Plarre
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