# taz.de -- Initiatoren der Berliner Freiraumaktionstage: "Ich will eine Stadt … | |
> Demos, eine Hausbesetzung, Workshops und brennende Autos: Sechs Tage lang | |
> organisierten linke Gruppen "autonome Aktionstage". Welche Bilanz ziehen | |
> die Aktivisten und wie soll's weitergehen? | |
Bild: Demonstration gegen Umstrukturierung am Sonntag in Prenzlauer Berg | |
taz: Ihre Aktionstage haben in der vergangenen Woche für viel Wirbel | |
gesorgt. Sind Sie zufrieden? | |
Anne: Ich fand die Aktionstage einen Erfolg, weil wir damit die | |
Umstrukturierung in der Stadt stärker ins Bewusstsein gerückt haben. Selbst | |
in den bürgerlichen Medien stand plötzlich etwas über steigende Mieten und | |
die Vertreibung der Bewohner. Und schließlich wollten wir zeigen, dass | |
Berlin auch anders sein könnte. | |
Wie denn? | |
Markus: Ich will eine Stadt, wo es nicht darauf ankommt, wie viel Geld | |
einer hat; wo jeder am Leben in der Gesellschaft teilhaben kann, egal ob es | |
um Kultur oder Sport oder Bildung geht. | |
Nico: Ich will eine Stadt mit besetzten Häusern und ohne Bullen. | |
Gundula: Die verschiedenen Gruppen, die die Tage organisierten, haben ganz | |
vielfältige Utopien. Viele davon haben etwas damit zu tun, dass wir | |
nichtökonomisierte Räume schaffen wollen, wo also Einkommen und Vermögen | |
keine Rolle spielt. | |
Und dieses Ziel soll jetzt nach den Aktionstagen näher gerückt sein? | |
Markus: Wir haben schon ein massives Zeichen an die Investoren gesetzt: Wer | |
auf Kosten der Menschen in dieser Stadt Profit machen möchte, muss mit | |
Widerstand rechnen. Das zweite Zeichen ging an die Betroffenen: Es sind | |
auch Alternativen möglich. Die Besetzung des seit zehn Jahren leer | |
stehenden ehemaligen Gewerkschaftshauses am Michaelkirchplatz war auch | |
sicher nicht die letzte Besetzung. Und die Umstrukturierung geht weiter, | |
wenn man sich allein Mediaspree anschaut. Wie störend allein die Werbetafel | |
für die O2-Arena ist! | |
Gundula: Das Problem mit dieser Halle ist, dass sie zu hässlich ist, um sie | |
zu besetzen. Da will doch niemand drin wohnen! | |
Aber die Menschen, um die es gehen soll, die von Kultur und Bildung | |
ausgeschlossen sind, kann man doch über Besetzungen nicht erreichen. | |
Cora: Wir diskutieren auch darüber, wie wir es schaffen, dass wir nicht in | |
unserem eigenen Sumpf versumpfen. Aber mein Eindruck war schon, dass zu den | |
Veranstaltungen auch ein paar Leute kamen, die sonst nicht bei uns | |
auftauchen. Uns ist aber auch klar, dass die typischen Sozialhilfeempfänger | |
nicht an den Workshops teilgenommen haben. | |
Und Sozialhilfeempfänger finden es sicher nicht sympathisch, wenn man ihre | |
Autos anzündet. | |
Markus: Es haben ja nicht willkürlich irgendwelche Autos gebrannt, sondern | |
das waren entsprechende Luxuskarrosen. | |
Matthias: Die Anwohner sehen ja, was für Autos da brennen. Wenn plötzlich | |
Porsches im Kiez parken und die Wohnungen zu Luxuslofts ausgebaut werden, | |
dann wissen die Anwohner, dass sie hier vertrieben werden sollen. Da gibt | |
es schon eine klammheimliche Sympathie mit denen, die die Autos anzünden. | |
Wenn da aber auch mal eine Familienkarrosse brennt, finden wir das nicht | |
gut. Solche Aktionen werden aber nicht zentral geplant, da hat niemand | |
einen Überblick - da sind Einzelne am Werk, die das dann selbst in den | |
Zusammenhang mit den Aktionstagen stellen. | |
Gundula: Man muss auch einmal grundsätzlich kritisieren, dass sich die | |
Medien so auf die brennenden Autos stürzen. Wenn es um beschädigtes | |
Eigentum geht, schreien alle gleich auf. Aber wo bleibt die Empörung | |
darüber, wenn es Polizisten gibt, die Demonstranten zusammenschlagen? Da | |
sollte man mal drüber sprechen, und nicht über diese Sachschaden-Lappalien. | |
Edgar: Die Medien reagieren doch eh immer nur auf bestimmte Stichworte, zum | |
Beispiel auf brennende Autos. Unsere Inhalte müssen wir dann selbst | |
herüberbringen, durch Demos und die Aktionen. | |
Welche Aktionen kommen denn als nächstes? | |
Matthias: Sobald der Flughafen Tempelhof dicht ist, gehen wir dort rein und | |
werden ihn besetzen. Tempelhof wird von uns allen finanziert, also soll es | |
auch allen gehören. Wir wollen ein breites Bündnis aufbauen mit Kiezläden, | |
Mieterverbänden oder der Initiative "Mediaspree versenken". | |
Gundula: Das sehe ich anders. Ich finde, wir sollten nicht mit Gruppen | |
kooperieren, die mit dem Staat zusammenarbeiten - schließlich geht der | |
Staat mit Gewalt gegen uns vor. Da sollten wir die Gewaltfrage einmal in | |
die andere Richtung stellen. | |
So ein Bündnis wird ohnehin nicht klappen. Denn die potenziellen Partner | |
werden wahrscheinlich nur mit Gruppen kooperieren, die sich von Gewalt | |
distanzieren. | |
Edgar: Dann müssen wir die Gewaltfrage mit denen eben neu diskutieren. | |
Matthias: Bei den Castor-Protesten beteiligen sich ganz normale Anwohner | |
daran, Straßen zu blockieren und Widerstand gegen den Staat zu leisten. Das | |
zeigt, dass es über die persönliche Betroffenheit schon klappen kann, die | |
Anwohner zu gewinnen. | |
Markus: Wenn wir das Bethanien nicht besetzt hätten, würde es jetzt einem | |
privaten Investor gehören. Stattdessen wird es nun selbstverwaltet - das | |
zeigt doch, das man mit radikalen Aktionen Erfolg haben kann. | |
3 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
Lukas Dubro | |
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