Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm von Shaheen Dill-Riaz: Lohnsklaven in Bangladesch
> "Eisenfresser" von Shaheen Dill-Riaz ist faszinierend und erschreckend
> zugleich. Er zeigt, wie in Bangladesch Schiffe verschrottet werden - und
> wie systematische Ausbeutung funktioniert.
Bild: Filmszene aus Eisenfresser: Saisonarbeiter zerlegen alte Containerschiffe.
Behutsam manövriert der Kapitän das Containerschiff auf den Strand. Die
Bedingungen sind ideal, erklärt der Besitzer des Abwrackunternehmens, ein
optimistisch dreinblickender Mann im Polohemd. Nirgendwo sonst komme man
mit den Tankern so nahe an flach ansteigendes Ufer wie hier in Chittagong,
im Süden von Bangladesch, wo hunderte von Arbeitern bereit stehen, die
Kolosse an Ort und Stelle zu verschrotten. Der Weltmarkt ist hungrig auf
Stahl, jedes ausgemusterte Schiff eine schwimmende Rohstoffquelle. Je näher
an der Werft der Kapitän das Schiff landet, desto besser für den
Werfteigner.
Am Strand zerlegen Schweißer das Schiff in Würfel mit einer Kantenlänge von
dreißig, vierzig Metern. Dann ist es Aufgabe der Tauzieher, armdicke
Stahlseile über den schlammigen Strand bis an den Schiffskörper zu
schleppen. Je länger dieser Weg ist, umso länger müssen sie arbeiten. Je
näher der Kapitän das Schiff an die Werft gebracht hat, desto früher werden
die Tauzieher wieder in ihre Unterkünfte geschickt, desto weniger Lohn
erhalten sie.
Wie Verhältnisse systematischer Ausbeutung entstehen, kann man in Shaheen
Dill-Riaz faszinierender Dokumentation "Eisenfresser" wie im Lehrbuch
studieren. Wie der Strand, der Stahl und die Weltwirtschaft zusammenkommen.
Wie aus ehemaligen Fischern, deren Dörfern der Werft weichen mussten, heute
deren Subunternehmer geworden sind. Sie geben den Zwang weiter, an die, die
nicht von hier stammen.
Zwischen Herkunft und Hierarchie auf der Werft besteht ein Zusammenhang:
Die, die in der Nähe wohnen, bekommen die besseren Jobs. Zum Beispiel
Schweißer. Das ist eine gefährliche Knochenarbeit. Immer wieder sterben
Schweißer, weil in den Öltankern giftige Gase entstehen, weil die Behälter
nicht trocken gelegt werden konnten und ein Funke das Restöl entzündet.
Aber Schweißer werden gut bezahlt. Wer nicht so viel Glück hat, wird
Träger. Die wuchten stundenlang scharfkantige, zentnerschweren Stahlplatten
auf Lastwagen. Die Platten sind dermaßen schwer, dass das Dutzend Männer,
das sie auf den Schultern trägt, nicht aus dem Schritt kommen darf. Das
Lied, das sie singen, hält sie im Takt.
Tauzieher werden die, denen jede andere Arbeit verweigert wird. Es sind
immer die Männer aus dem fernen Norden. Fremde, die den lokalen Dialekt
nicht beherrschen. Sie gelten als "faule Hunde" und "Vollidioten". Dennoch
kommen sie immer wieder, weil die wiederkehrende Hungersnot sie zwingt,
ihre Dörfer zu verlassen. Dann landen sie auf der Werft. Sie kaufen bei den
Dorfbewohnern Lebensmittel auf Pump und können so lange nicht zurückkehren,
bis sie den Kredit zurückgezahlt haben.
Wie eine Abwrackwerft in Südasien aussieht, hat vor drei Jahren auch
Michael Glawoggers "Working Mans Death" gezeigt. Riesige Schiffsleiber, die
ächzend auseinanderfallen. Rostige Ungetüme, auf denen winzige Arbeiter
umherklettern. Solche Bilder hat Dill-Riaz auch gefunden. Aber er schaut
genauer hin: Er interessiert sich für die Einzelnen, geht in die Hütten,
folgt ihren Wegen. Romantisierung liegt ihm fern. Im Gegenteil legt er die
Perfidie eines Systems bloß, dass unter anderem darauf beruht, dass es
keine Solidarität zwischen den Arbeitern zulässt.
Ab und an schaut der alte Besitzer der Werft vorbei. Er hat sie "Peace,
Prosperity and Happiness" getauft, und er meint es ernst damit. Diejenigen,
denen er ein gutes Einkommen verschafft hat, kommen angerannt, um seine
Füße zu berühren. Auf den andern Werften in Chittagong sollen die
Arbeitsverhältnisse noch schlechter sein.
13 Jun 2008
## AUTOREN
Dietmar Kammerer
## TAGS
Bangladesch
Dokumentarfilm
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lieferketten: Mehr Kleidung aus Bangladesch
Jedes fünfte Kleidungsstück kommt mittlerweile aus Bangladesch. Die
dortigen Textilarbeiter*innen streiken derzeit für bessere
Arbeitsbedingungen.
Dokumentarfilm „Bamboo Stories“: Ein Freiraum auf dem Wasser
Shaheen Dill-Riaz’ Dokumentarfilm „Bamboo Stories“ folgt Bambusflößern …
Bangladesch den Fluss hinunter. Er zeigt den Druck, unter dem sie arbeiten.
Grimme-Preis für Dokufilmer aus Bangladesch: "So nah ran wie es geht"
Der Regisseur Shaheen Dill-Riaz über Flut, Armut, Ausbeutung und orthodoxen
Islam in seinen Filme aus Bangladesch und was ihm der Grimme-Preis 2010
bedeutet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.