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# taz.de -- Grimme-Preis für Dokufilmer aus Bangladesch: "So nah ran wie es ge…
> Der Regisseur Shaheen Dill-Riaz über Flut, Armut, Ausbeutung und
> orthodoxen Islam in seinen Filme aus Bangladesch und was ihm der
> Grimme-Preis 2010 bedeutet.
Bild: "Ich versuche immer neue Blickwinkel zu entdecken."
taz: Herr Dill-Riaz, warum sollte sich ein deutsches Publikum für Filme aus
Bangladesch interessieren?
Shaheen Dill-Riaz: Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen sich
grundsätzlich für andere Menschen interessieren, egal in welchem Land sie
leben. Meine Filme zeigen Geschichten, die über Bangladesch hinaus Relevanz
haben. Es geht um Themen, die auch in Deutschland interessieren.
In Ihren Filmen geht es um Flut und Armut, um Ausbeutung und den orthodoxen
Islam. Sind sie interessant, weil sie genau von den Klischees erzählen, die
es in Deutschland über Bangladesch gibt?
Für mich existieren diese Themen auch reell. Aber es gibt durchaus die
Gefahr, dass man mit Filmen darüber Klischees bedient. Ich versuche deshalb
neue Blickwinkel zu entdecken und differenziertere Ansichten zu
transportieren. Bei "Eisenfresser" brauchte ich selbst zwei Monate um die
Zusammenhänge zwischen Arbeiter, Vorarbeiter und Firmenbesitzer zu
verstehen und war überrascht was für ein globaler Druck sich dort auf der
Werft entlädt. Dort trifft eine globale Marktwirtschaft auf Arbeiter am
Rande der Existenz. Die Ausbeutung ist vorprogrammiert. Gleichzeitig haben
die Arbeiter selbst ein sehr fragwürdiges, fatalistisches Weltbild.
Sie werden aber immer wieder genau auf die Klischees angesprochen, die sie
aufbrechen möchten. Fühlen Sie sich missverstanden?
Nein, die meisten Zuschauer sagen, dass sie mit einem differenzierterem
Bild aus dem Kinosaal kommen. Es gibt trotzdem genügend Leute, die in
meinen Filmen nur die Klischees über Bangladesch wiederfinden.
Sie leben inzwischen seit 18 Jahren in Deutschland. Hat sich ihr Blick auf
Bangladesch geändert?
Ja, ich bin distanzierter geworden, die Geschichten gehen mir nicht mehr so
Nahe und ich sehe sie in anderen Zusammenhängen. Gleichzeitig kann ich mich
dort frei bewegen. Dadurch komme ich besonders nahe an die Menschen heran,
kann aber auch relevante Fragen stellen, die sonst nicht gefragt werden.
Auf der Werft zum Beispiel, wurde mir klar, dass sowohl die Arbeiter als
auch die Vorarbeiter sich gegenseitig überfordern. Die Arbeiter sind
Bauern, die in ein industrielles Milieu eintauchen und es nicht verstehen.
Genauso verstehen die Vorarbeiter ihre Untergebenen nicht.
Wie kommen Ihre Filme in Bangladesch an?
Leider zu wenig. Dort gibt es weder bei den Verleihen noch bei den
Kinobetreibern Interesse an Dokumentarfilmen. Allerdings ist "Eisenfresser"
in einem Prozess gegen die Schiffabwrackindustrie eingesetzt worden, soweit
ich weiß hat ihn sogar der Richter im Obergericht angeschaut. Daraufhin
mussten alle Werften, die kein Umweltzertifikat hatten, vorübergehend
schließen. Darauf war ich richtig stolz, da es zeigt, das die Filme nicht
nur für ein deutsches Fernsehpublikum interessant sind.
Ihre Filme sind für das Kino gedreht, werden aber vor allem im Fernsehen
gezeigt. Der aktuelle Grimme-Preis für "Eisenfresser" ist auch ein
Fernsehpreis. Sind Sie nun Kinoregisseur oder Fernsehregisseur?
Meine Filme müssen bestimmen wohin ich gehöre. Aus wirtschaftlichen Gründen
muss ich aber sowohl das Fernsehen als auch das Kino bedienen. Im Falle von
"Eisenfresser" haben sich drei Sender und etliche Filmförderungen
beteiligt. Wir hatten das Ziel einen Kinofilm zu produzieren, der auch im
Fernsehen funktioniert. Die Würdigung mit dem Grimme Preis beweist für
mich, dass diese ästhetische Herausforderung gelungen ist.
Ihr neuestes Projekt ist ein Dokumentarfilm zum Klimawandel "The Drowning
World". Worum geht es da, außer das Bangladesch bald im Meer untergehen
soll?
Ich möchte die Geschichten der Menschen erzählen, die besonders betroffen
sind. In Südbangladesch versalzen die Flüsse durch den steigenden
Meeresspiegel, im Norden werden Dürren und Überflutungen heftiger. Es gibt
eine massive Landflucht, die sich auch internationale Auswirkungen hat:
Viele Menschen wandern aus, in den Bergregionen besetzen Bengalen das Land
der dort wohnenden Ethnien, mit Myanmar gibt es Streit über die
Flüchtlinge, die keiner der beiden Staaten als Bürger akzeptieren will.
Auch hier möchte ich so nah an die Betroffenen heran, wie es geht.
25 Mar 2010
## AUTOREN
Lalon Sander
Lalon Sander
## TAGS
Dokumentarfilm
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wie systematische Ausbeutung funktioniert.
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