# taz.de -- Reform des Bundeswaldgesetzes: "Waldpolitik findet nicht statt" | |
> Klimawandel und Kahlschlag machen's möglich: Ein Großteil des Waldes in | |
> Deutschland ist geschädigt, Arten sterben aus. Und was macht die Große | |
> Koalition? Streiten. | |
Bild: Kann so schön sein: Wald mit Förster | |
BERLIN taz In der großen Koalition ist ein Streit über die Reform des | |
Bundeswaldgesetzes entbrannt. Die SPD will der Forstwirtschaft viel, die | |
Union will ihr nur wenig vorschreiben. Dabei mahnen Umweltverbände dringend | |
eine Novelle an: Der Klimawandel und eine hohe Holznachfrage stellten das | |
Gesetz von 1975 vor neue Herausforderungen. Es schränke die Nutzer des | |
Waldes zu wenig ein. Derzeit sinke die Artenvielfalt, der größte Teil des | |
Waldes sei geschädigt. | |
Union und SPD hatten auf Druck der Sozialdemokraten im Koalitionsvertrag | |
von 2005 vereinbart, das Bundeswaldgesetz zu überarbeiten. Die geltende | |
Regelung schreibt zwar eine nachhaltige Nutzung vor. Was das aber genau | |
bedeutet, bleibt weitgehend offen. "Die Inhalte einer nachhaltigen | |
Waldbewirtschaftung sollen im Gesetz klarer gefasst" werden, heißt es | |
deshalb im Koalitionsvertrag. | |
Ein Vorschlag des zuständigen Agrarministers Horst Seehofer (CSU), über den | |
die Ressorts seit vergangenem Jahr streiten, enthalte nur wenige | |
Änderungen, sagt Ulrich Kelber, stellvertretender | |
SPD-Fraktionsvorsitzender. Kelber fordert stattdessen sehr konkrete Regeln: | |
"Man muss zum Beispiel festlegen, dass es auf maximal so und so viel | |
Prozent eines Gebiets Kahlschlag geben darf." Auch solle der Gesetzgeber | |
Mindestquoten für ursprüngliche Baumarten vorgeben. Zudem könnte der Bund | |
verlangen, dass in bestimmten Zeiten keine Bäume gefällt werden dürfen. Für | |
private Gesellschaften, die immer mehr Wald kauften, sei ein schwaches | |
Gesetz dagegen eine Einladung, den Forst auszubeuten. "Wir haben im | |
Koalitionsvertrag vereinbart, die nachhaltige Bewirtschaftung | |
klarzustellen. Es kann nicht sein, dass wir uns nicht mehr daran halten", | |
sagt Kelber. | |
"Das mag schon sein", antwortet seine Kontrahentin bei der CSU, Marlene | |
Mortler. "Aber unserer Meinung nach ist die nachhaltige Bewirtschaftung | |
schon in den Ländergesetzen ausreichend geregelt." Beispiel Bayern: Der | |
Freistaat habe bereits vorgeschrieben, dass Kahlschläge zu vermeiden und | |
Mischwald zu fördern seien. Auch die anderen Länder hätten da geeignete | |
Vorschriften. "Da brauchen wir keine neuen oder schärferen Gesetze", meint | |
Mortler. | |
Sie will lediglich Details ändern, etwa für Äcker, auf denen schnell | |
wachsende Agroforstpflanzen wie Pappeln für die Agrarenergieproduktion | |
angebaut werden: Diese Flächen sollen künftig rechtlich nicht als Wald, | |
sondern als Felder behandelt werden. Das hätte den Vorteil für die Bauern, | |
dass sie die Fläche später wieder landwirtschaftlich nutzen könnten, was | |
bei Waldflächen nicht so leicht ist. Im Übrigen verweist die Union auf eine | |
lange Tradition des privaten Waldbesitzes und betont, Waldbesitzer seien | |
nicht an kurzfristigen Profiten interessiert. Sie wollten ihre Bäume für | |
nachfolgende Generationen erhalten. | |
Eine Einigung der Kontrahenten ist bei so gegensätzlichen Positionen nicht | |
in Sicht. "Waldpolitik findet in der großen Koalition einfach nicht statt", | |
beklagt deshalb die grüne Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm. Auch ihre | |
Partei fordert ökologische Mindeststandards, zum Beispiel ein klares Verbot | |
von Kahlschlägen. Die Grünen setzen sich dafür ein, Dauerwälder aufzubauen, | |
in denen Waldarbeiter nur einzelne Bäume abholzen. Auch Monokulturen solle | |
es in einer nachhaltigen Waldwirtschaft nicht mehr geben: Das neue | |
Waldgesetz müsse Eigentümer verpflichten, vorwiegend naturnahe Mischwälder | |
aus heimischen Baumarten aufzubauen. | |
Damit beißt Behm bei den privaten Waldeigentümern - ihnen gehören 44 | |
Prozent der deutschen Waldfläche - auf Granit. Sie sind gegen bundesweite | |
Regelungen. "Vor Ort haben die Leute den Umgang mit ihrem Wald seit | |
Jahrzehnten erlernt", so Sabine Bresemann, Geschäftsführerin der | |
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände. Gerade die | |
unterschiedlichen Interessen von über 2 Millionen Waldbesitzern | |
garantierten eine Nutzungsvielfalt. Schließlich seien die Waldbesitzer am | |
langfristigen Erhalt ihres Besitzes interessiert. | |
Allerdings schneiden Privatwälder bei der Bundeswaldinventur schlechter ab | |
als der Staatsforst: Sie sind weniger naturnah und haben weniger | |
abgestorbene Bäume, die Lebensraum für Käfer und Pflanzen bieten. | |
23 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Sonja Fehr | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Naturschutzgebiet | |
Renaturierung | |
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