# taz.de -- Nobelpreis für Chemie: Quallen sammeln am Strand | |
> Ein Japaner und zwei US-Forscher erhalten den Nobelpreis für Chemie. Sie | |
> haben das Leucht-Protein GFP in der Qualle entdeckt und als Werkzeug für | |
> die Tumorforschung weiterentwickelt. | |
Bild: Gentechnisch veränderte Zebrabärblinge tauchten auch schon in deutschen… | |
Qualle gegen Krebs, so könnte vereinfacht ausgedrückt werden, welches | |
Forschungsergebnis in diesem Jahr zur Verleihung des Nobelpreises für | |
Chemie geführt hat. Der Chemiker Osamu Shimomura, der Neurobiologe Martin | |
Chalfie und der Physiologe Roger Tsien bekommen die Auszeichung für die | |
Entdeckung und Entwicklung des Grün fluoreszierenden Proteins (GFP), das | |
ursprünglich in Quallen vorkommt. Das Protein GFP leuchtet bei Bestrahlung | |
mit ultraviolettem Licht grün. Mit dem Protein als Marker können | |
biologische Prozesse beobachten werden, die ansonsten unsichtbar sind. | |
Diese inzwischen weit verbreitete Untersuchungsmethode kommt unter anderem | |
Tumorpatienten zugute. | |
Die Streuung von Krebszellen kann mit Hilfe des GFP genau verfolgt werden. | |
Indem Mediziner und Biologen die DNA des Leuchtproteins mit der DNA eines | |
anderen, unsichtbaren Proteins verknüpfen, können sie unter dem Mikroskop | |
die Bewegungen, Positionen und das Zusammenspiel der Proteine und Zellen in | |
lebenden Organismen sichtbar machen. | |
Aber auch andere Anwendungen gehören in der medizinischen Forschung | |
inzwischen zum Alltag. Mit dem Markerprotein lässt sich beispielsweise die | |
Entwicklung der Insulin produzierenden Beta-Zellen in der | |
Bauchspeicheldrüse, die Verbreitung von HI-Viren oder auch die Entwicklung | |
von Nervenzellen im Gehirn beobachten. | |
Begonnen hat die Forschung mit den leuchtenden Eiweißverbindungen mit der | |
Arbeit des Japaners Osamu Shimomura. Er isolierte GFP erstmals 1962 aus der | |
Qualle Aequorea victoria, die im Nordwesten der USA beheimatet ist. | |
Der US-Amerikaner Martin Chalfie von der Columbia-Universität in New York | |
entdeckte später, wie GFP als leuchtender genetischer Marker eingesetzt | |
werden kann. In einem seiner ersten Experimente färbte er sechs Zellen | |
eines durchsichtigen Fadenwurms ein. | |
Roger Tsien Tsien von der Universität von Kalifornien in San Diego | |
schließlich trug zum allgemeinen Verständnis des Leuchtproteins bei und | |
entwickelte weitere Protein-Farbstoffe. So können inzwischen Zellen oder | |
einzelne Zellteile sogar unterschiedlich eingefärbt werden. "Die Nachfolger | |
strahlen inzwischen in fast allen Farben des Regenbogens - blau, cyan, | |
grün, gelb, orange, rot", schwärmt Oliver Griesbeck vom Max-Planck-Institut | |
für Neurobiologie in Martinsried bei München. | |
Da sich die Erbsubstanz von GFP und seiner Varianten an die Bauanleitung | |
vieler anderer Proteine anfügen lässt, können so je nach Wunsch der | |
Zellkern, das Zellskelett oder andere Bestandteile sichtbar gemacht werden. | |
Es lassen sich auch verschiedenfarbige Leuchtproteine einsetzen, etwa, um | |
das Zusammenspiel unterschiedlicher Proteine zu erforschen. | |
Wie sehr Wissenschaftler von einem ungebremsten Forscherdrang beseelt sein | |
müssen, bevor sie einen Nobelpreis erhalten, beweist die Geschichte der | |
Entdeckung des GFP. 20 Jahre lang verbrachte der Chemiker Osamu Shimomura | |
seinen Sommerurlaub mit der Familie im Nordwesten der USA. Dort sammelte er | |
mit Frau, Sohn und Tochter emsig Quallen. Bis zu 3.000 glibberige Exemplare | |
pro Tag brachte die Familienaktion in der Friday-Bucht des US-Bundesstaates | |
Washington ein. | |
Am Ende eines Sommers hatten die Shimomuras bis zu zweieinhalb Tonnen | |
Quallen zusammengetragen, gerade genug für den Forscher, um einige hundert | |
Milligramm GFP für seine Arbeit zu gewinnen. | |
Seit 2001 ist Osamu Shimomura offiziell im Ruhestand. Das Ende seiner | |
Arbeit am Meeresbiologielabor in Woods Hole, Massachusetts, bedeutete für | |
Shimomura aber keineswegs das Ende seiner Forschung. Mit Hilfe von Frau und | |
Freunden richtete er sich ein Labor in seinem Haus im Nachbarort Falmouth | |
ein und setzte dort im Keller seine Forschungen fort. | |
8 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Lutz Debus | |
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Nobelpreis | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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