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# taz.de -- Daniel Kehlmanns neuer Roman "Ruhm": Alles läuft nach Plan
> "Ruhm" wird an die Spitze der Bestsellerlisten schießen. Nun geht die
> Tour los, damit das eine Weile hält: Der Start im Berliner Ensemble war
> gediegen und unspektakulär.
Bild: Gilt als "Wunderkind" der deutschen Literatur: Daniel Kehlmann.
Der Rahmen war vollendet. Drei schmale schwarze Tische im schwarzen
Bühnenraum, der große Saal des Berliner Ensembles fast bis auf den letzten
Platz gefüllt und - bei Lesungen durchaus nicht üblich - abgedunkelt. Das
Blitzlichtgewitter der Fotografen erzeugte sogar etwas Glamour, als am
Montagabend das Brechthaus und der Rowohlt Verlag geladen hatten, um Daniel
Kehlmanns Roman "Ruhm" zu präsentieren. Nicht jeder Autor bekommt so eine
Premiere für sein neues Buch. Aber es hat auch kein Autor in den letzten
Jahren einen Erfolg gehabt, der sich mit dem von Kehlmanns "Die Vermessung
der Welt" vergleichen lässt.
Es müssen aufregende Tage für Kehlmann gewesen sein. Das Buch nach dem
Erfolgsbuch - bekanntlich immer das schwerste - ist erst wenige Tage auf
dem Markt, die Kritiken waren, von Ausnahmen abgesehen, eher verhalten. Der
eine oder andere mag spekuliert haben, ob man an dem Autor an diesem Abend
Spuren von Nervosität sehen würde. Oder aber, ob er sich angesichts des
großen Bahnhofs, der ihm hier geboten wurde, vielleicht entgegen seiner Art
doch mal ein wenig zu Größenwahn hinreißen lassen würde. Ums gleich
vorwegzunehmen: Keins von beiden passierte. Kehlmann ist auf eine für sein
Alter fast irritierende Art Profi.
Und so hatte er sich wohlweislich zwei andere Profis an die Seite gestellt:
Sebastian Kleinschmidt, den langjährigen Herausgeber von Sinn und Form, als
Gesprächspartner und den Schauspieler Ulrich Matthes, der schon die
Hörbuchfassung von "Die Vermessung der Welt" gesprochen hat. Dass Kehlmann
es aushielt, fast eine Stunde seinem eigenen Text zu lauschen, sagt viel
darüber, wie großartig Matthes eine der neun Geschichten, aus denen "Ruhm"
sich zusammenfügt und in der eine todgeweihte Figur sich gegen ihr Sterben
und gegen ihren Autor auflehnt, las. Kehlmann hatte diese Geschichte im
Vorfeld seine beste genannt (was er im Laufe des Abends übrigens selbst als
"nicht geschickt" bezeichnete). Ob man das anmaßend oder gar dämlich finden
sollte, darüber wollte man, während Matthes las, sehr schnell gar nicht
mehr nachdenken und hörte lieber gemeinsam mit dem Autor zu.
Seltsam war es aber schon, den bald 50-jährigen Matthes und den 34-jährigen
Kehlmann nebeneinander sitzen zu sehen. Der eine, im hellen Anzug, sehnig
und jungenhaft biegsam, voll sprühender Energie, die ihn kaum an dem
strengen schwarzen Tisch hielt. Der andere, ganz in Schwarz, dessen großer,
ein wenig gebeugter Körper von einer eigenartigen Weichheit zu sein
scheint. Als Kehlmann dann noch eine Brille aufsetzt, um selbst eine
Geschichte vorzutragen, wirkt er endgültig wie ein zu spät gealterter
Studienrat, der mehr doziert als liest. Erst als Matthes einen dicklichen
Computer-Nerd zum Besten gibt, lacht Kehlmann herzlich. Er lacht, bis man
sich gegenseitig gedienert und beglückwünscht hat und anstelle von Matthes,
der laut beklatscht zur Seitenbühne hinausläuft, sich nun Sebastian
Kleinschmidt zu ihm gesellt.
Beinahe wäre das spektakulär geworden. Als sich nämlich beide darin
bestärkten, Autorschaft und göttliches Schöpfertum in eins zu setzen. Diese
Form der Hybris versagten die Herren sich aber schnell. Und so plauderte
man dann lieber doch noch brav ein bisschen über das Pro und Contra von
Sterbehilfe, über das Übel der modernen Kommunikationsmittel, über
poststrukturalistisches Spiel mit Text. Für den Schluss hatte sich
Kleinschmidt ein ganz besonderes Bonmot zurechtgelegt: Das Genialische,
über das "Die Vermessung der Welt" gehandelt habe, vermisse man in
Kehlmanns neuem Roman ja zunächst. Aber ihm scheine, so Kleinschmidt, das
Genialische sei hier ganz einfach in die Form emigriert.
Ob das so stimme? Tja, Kehlmann lacht wieder und windet sich auf seinem
Stuhl, ob verschämt oder doch selbstgewiss, ist nicht recht zu entscheiden.
Aber gut lachen haben kann er ja. Auch die übrigen Mitarbeiter des Rowohlt
Verlags, die ihr bestes Pferd im Stall zur Premiere begleitet haben,
strahlen um die Wette. "Ruhm" steht ab nächste Woche auf Platz 1 der
Spiegel-Bestsellerliste, erzählten sie. So hat man sich das vorgestellt.
Was die Form angeht, also alles nach Plan. Ob das was mit Genialität zu tun
hat, darüber kann man ja noch mal nachdenken.
20 Jan 2009
## AUTOREN
Wiebke Porombka
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Schriftsteller
Familie
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