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# taz.de -- Der Amoklauf von Winnenden: Tim K. erschießt sich selbst
> Der Amoklauf an der Realschule von Winnenden ist der zweitblutigste in
> der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Polizei spricht von "ersten
> Ansatzpunkten für ein Motiv" des 17-jährigen Täters Tim K.
Bild: Ein Forensiker untersucht am Mittwoch einen Innenhof der Albertville Real…
WINNENDEN taz/dpa/rtr/ap Bei dem Amoklauf des 17-jährigen Tim K. in der
baden-württembergischen Kleinstadt Winnenden sind 16 Menschen getötet
worden, darunter der Täter selbst. Nach Angaben der Polizei betrat der
Amokläufer um 9.30 Uhr die Albertville-Schule und eröffnete das Feuer. Der
ehemalige Schüler der Realschule erschoss acht Schülerinnen, einen Schüler
und drei Lehrerinnen.Neun weitere Schüler wurden teils schwer verletzt,
schwebten jedoch am Donnerstag nicht mehr in Lebensgefahr.
Auf seiner Flucht tötete Tim K. drei weitere Menschen. Er flüchtete
zunächst zu Fuß in die Innenstadt, wo er auf zwei Passanten schoss. Einer
davon wurde getötet, der andere verletzt. Anschließend zwang er einen
Autofahrer, ihn in Richtung Wendlingen (Kreis Esslingen) zu fahren, ließ
ihn aber unterwegs aussteigen und fuhr selbst weiter. Im 40 Kilometer
entfernten Wendlingen kam er schließlich bei einer Schießerei mit der
Polizei auf dem Gelände eines Supermarkts ums Leben. Nach Angaben der
Staatsanwaltschaft Stuttgart habe sich der 17-Jährige nach dem
Schusswechsel mit der Polizei selbst erschossen, teilten die
Staatsanwaltschaft und die Polizeidirektion Esslingen am Mittwochabend mit.
Bei dem Schusswechsel wurden zwei Polizisten schwer verletzt. Zuvor hatte
er zwei weitere Passanten erschossen.
Tim K. stammte aus Leutenbach im Rems-Murr-Kreis in der Nähe von Winnenden.
Er hatte auf der Albertville-Schule 2008 seinen Abschluss gemacht. Nach
Angaben von Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) handelte es
sich bei Tim K. um einen nach außen "völlig unauffälligen" ehemaligen
Schüler. Rau berief sich auf Informationen der Schulleiterin. Tim K. habe
nach der Mittleren Reife eine Ausbildung begonnen. Der Jugendliche sei "nie
in irgendeiner Form" auffällig geworden, sagte er. Offensichtlich habe er
eine "doppelte Identität" gehabt. Jürgen Kiesl, Bürgermeister der Gemeinde
Leutenbach, sagte: "Ich kann mir nicht vorstellen, was diesen Jungen zu der
Tat gebracht haben sollte."
Waiblingens Polizeichef Ralf Michelfelder sprach am Donnerstag morgen von
"ersten Ansatzpunkten für ein Motiv", wollte aber noch keine Details
nennen, sie will sich erst am Donnerstag Mittag dazu äußern. Darum wird nun
spekuliert. Auffällig scheint, dass sich K. bei seinem Amoklauf in der
Schule offenbar auf die Tötung von Frauen konzentrierte - denn elf seiner
zwölf Opfer dort waren weiblich. Gespräche im Umfeld von Tim K. fördern
außerdem zutage, dass der Einzelgänger ein Waffennarr war, einer, der gerne
gewalttätige Computerspiele spielte.
Die Eltern des Amokläufers besitzen der Polizei zufolge legal Waffen. Das
Elternhaus wurde von der Polizei durchsucht. Eine der 16 Schusswaffen wurde
bei der Hausdurchsuchung nicht gefunden. Der Vater von Tim K., ein
angesehener Unternehmer, ist Mitglied eines Schützenvereins.
Die Albertville-Realschule ist zusammen mit einem Gymnasium in einem
Schulzentrum in Winnenden untergebracht. Auf beide Schulen gehen insgesamt
1.700 Schüler. Das Schulzentrum wurde von der Polizei geräumt. Nach Angaben
des baden-württembergischen Innenministeriums wurden die Schüler
medizinisch und psychologisch betreut. Rund 1.000 Polizisten, Notärzte und
Rettungskräfte waren im Einsatz. Landespolizeipräsident Erwin Hetger
erklärte: "Es war ein Amoklauf in Reinkultur. Er ist mit einer Waffe in die
Schule rein und hat dann das Blubad angerichtet."
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sprach den
Angehörigen und den Schülern und Lehrern sein Mitgefühl aus:
"Baden-Württemberg ist tief getroffen." Diese Tat habe ein Ausmaß
angenommen, die das Land bisher nicht gekannt habe. Bundespräsident Horst
Köhler sagte in einer ersten Reaktion: "Mit Entsetzen und Trauer haben
meine Frau und ich von dem Amoklauf in Winnenden erfahren. Unsere Gedanken
sind bei den Opfern und ihren Familien. Wir fühlen uns mit ihnen in diesen
schweren Stunden verbunden." Auch Angela Merkel zeigte sich nach den Worten
von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm "tief erschüttert" über das Blutbad.
Zugleich begann eine Debatte über die Konsequenzen des erneuten Amoklaufs
an einer deutschen Schule. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
(CDU) regte "Erziehungspartnerschaften" zwischen Schulen und Eltern an, um
gemeinsam "solche schrecklichen Ereignisse im Vorfeld zu erkennen und
abzuwenden". Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg,
sprach sich für elektronische Einlasskontrollen am Schultor aus, damit
während der Unterrichtszeit "nicht jeder x-Beliebige in eine Schule laufen"
könne.
Der bisher schwerste Amoklauf an einer Schule hatte sich am 26. April 2002
am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt abgespielt: Der von der Schule verwiesene
19-jährige Robert Steinhäuser war in schwarzer Kleidung in der Schule
aufgetaucht und hatte binnen zehn Minuten zwölf Lehrer, die
Schulsekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten erschossen, ehe er sich
selbst tötete.
11 Mar 2009
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Amoklauf
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